Bensheim. Vom Filetstück zum Ladenhüter: Das Hoffartgelände hat innerhalb von 15 Jahren einen beachtlichen Abstieg erlebt. Für das über 1000 Quadratmeter große Grundstück an exponierter Stelle fand sich nach dem Abriss der ehemaligen Eisenwarenhandlung von Karl Hoffart 1998 bekanntlich kein Käufer.
Seitdem dient das Areal als Parkplatz und Aufstellfläche für Blumenkübel, die ähnlich viel zur Verschönerung der Stadt beitragen wie das Neumarkt-Center. Dabei war früher tatsächlich einmal alles besser - wie ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt. Im Jahr 1805 wurde das Hotel "Zum Deutschen Haus" an der heutigen Ecke Rodenstein-/Promenadenstraße von Morell Schlink erbaut. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte es einen exzellenten Ruf und galt als das renommierteste und bekannteste Hotel der Hessischen Bergstraße.
Ein feierfreudiges Völkchen
Sieben Jahrzehnte - von 1835 bis 1904 - war es im Besitz der Familie van Gries. Das ist deshalb interessant, weil Aloys van Gries im Jahr 1871 zum Bürgermeister ernannt und viermal einstimmig wiedergewählt wurde. Der frühere Stadtarchivar Richard Matthes beurteilte ihn in den Bergsträßer Heimatblättern als "bedeutendsten Spross der Familie".
Das Gasthaus wurde von Anton van Gries betrieben, der 1844 Erweiterungspläne in die Tat umsetzte, um Fremde beherbergen zu können - die Geburtsstunde des Hotelbetriebs. Weil die Bensheimer schon immer ein feierfreudiges Völkchen waren, kam kurze Zeit später eine Gartenwirtschaft dazu - und zwar im Dalbergischen Garten, der sich unmittelbar an das Gebäude anschloss.
Das "Deutsche Haus" wurde schnell zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Gartenkonzerte, Maskenbälle, Tanzveranstaltungen gehörten zum breitgefächerten Angebot. Kurz vor der Jahrhundertwende - 1896 - bemühte der damalige Besitzer Franz van Gries wieder die Architekten. Die Säle im Obergeschoss des Hotels wurden zu Fremdenzimmern umgebaut.
Südlich an das Erdgeschoss - zum heutigen Parktheater hin - baute man zwei Säle an. Der größere der beiden Räume - immerhin 26 Meter lang und 16 Meter breit - trug den Namen "Kaisersaal". An den früheren Fassadenschriftzug dürften sich auch heute noch einige Bensheimer erinnern.
Der "Kaiser" macht in den Folgejahren seinem Namen alle Ehre: Geburtstagsfeiern des Kaisers und Großherzogs, Sedan-Feste, Gartenkonzerte der Regimentskapellen aus Darmstadt und Worms und viele weitere Veranstaltungen verdeutlichten, wo das kulturelle Herz der Stadt schlug.
Nach einigen Besitzerwechseln und einer Zwangsversteigerung fiel das Ensemble dem Arbeiter-Bildungsverein Worms zu. Auf Initiative des Bürgermeisters Dr. Frenay erklärte sich der Verein bereit, das Hotel mit großzügiger Unterstützung der Stadt unter modernen Gesichtspunkten an- und umzubauen. Den Plan entwarf Professor Heinrich Metzendorf.
Es entstand ein schickes Hotel mit überdachter Anfahrt und Konferenzräumen. Der große Festsaal im Hause konnte durch den Wegfall der Pferdeställe verlängert und mit einer großen Bühne versehen werden. Der Garten wurde vergrößert und erhielt einen Musikpavillon. "So hatte der Besitzer mit Unterstützung der Stadt sein repräsentatives Hotel geschaffen, welches der Bedeutung Bensheims als wirtschaftlichem und kulturellem Mittelpunkt der hessischen Bergstraße entsprach", schrieb Matthes.
Die beiden Weltkriege und die gesellschaftlichen Veränderungen führten allerdings sukzessive zum Niedergang des einst renommierten Hauses. 1943 wurde es von der Wehrmacht als "Kriegswissenschaftliche Forschungsstätte" und 1945 von der amerikanischen Militärregierung als Clubhaus beschlagnahmt. An Weihnachten 1948 wurde ein Teil des Hotels wiedereröffnet.
Zu früherem Ruhm und Ansehen gelangte das "Deutsche Haus" nicht mehr. Im Jahr 1960 ging das Anwesen an Karl Leist über, der die Räume 1963 an die Eisenhandlung Karl Hoffart GmbH verpachtete. Nach dem Umzug des Einzelhändlers an die Schwanheimer Straße (heute Netto-Markt) rückten Ende der 90er Jahre die Bagger an und setzten einem Stück Stadtgeschichte ein Ende.
Aus einer Baugrunduntersuchung des Hoffartgeländes geht hervor, dass das Grundstück vermutlich bereits im Mittelalter bebaut war - und in weiten Teilen unterkellert ist. Der sogenannte Eiskeller reicht dabei in eine Tiefe von bis zu sechs Metern. Die Gewölbe sind zum Teil mit Bauschutt verfüllt, an anderen Stellen haben sich Hohlräume gebildet.
Bei einem möglichen Bürgerhaus-Neubau müsste deshalb mit Bohrpfählen die Standsicherheit gewährleistet werden.
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