Bensheim. Jeden Tag ein warmes Essen? Für viele ist das eine Selbstverständlichkeit. Für Obdachlose allerdings nicht. Im Zentrum der Wohnungslosenhilfe (ZdW) am Weidenring in Bensheim können sie daher einmal pro Woche kostenlos eine Mahlzeit zu sich nehmen – organisiert wird das ganze vom Förderverein Hilfen für Wohnungslose. Lange finanzierte ein Sponsor das Angebot. Nachdem dieser sich im vergangenen Jahr zurückgezogen hatte, suchte der Vereinsvorstand nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten.
Acht Euro müssen pro Person gerechnet werden, versorgt werden im Schnitt 35 bis 40 Männer und Frauen. „Im Jahr sind das rund 14 000 Euro. Das kann der Verein so komplett nicht stemmen. Und deswegen haben wir uns an die Bevölkerung gewendet“, erklärt Vorsitzende Elke Ditter im Gespräch mit dieser Zeitung.
3000 Euro füllen 375 Teller
Das Bensheimer Unternehmen VarioPark spendete kürzlich 3000 Euro für die Kampagne der Wohnungslosenhilfe, mit der einmal wöchentlich eine warme Mahlzeit für Obdachlose finanziert wird. „Ein Angebot, das für viele von uns eine Selbstverständlichkeit ist, aber für diejenigen, die auf der Straße leben, ein unerreichbares Bedürfnis sein kann“, sagte Geschäftsführer Ralph Gumb.
Die Vorsitzende des Fördervereins Elke Ditter nahm die Spende symbolisch in den Räumlichkeiten der Wohnungslosnhilfe entgegen. Die finanzielle Unterstützung wird dazu beitragen, dass der Verein weiterhin seine wichtige Arbeit fortsetzen und denjenigen in prekären Wohnsituationen helfen kann.
Das Angebot des Fördervereins, eine kostenlose warme Mahlzeit einmal pro Woche anzubieten, wird von durchschnittlich 35 bis 40 Personen in Bensheim dankbar angenommen. Angesichts dieser Zahlen und der Kalkulation von etwa acht Euro pro Mahlzeit wird deutlich, dass eine beträchtliche finanzielle Unterstützung erforderlich ist.
„Spenden wie diese leisten einen bedeutenden Beitrag dazu, dieses lebenswichtige Angebot aufrechtzuerhalten“, sagte Ditter. In diesem Zuge ermutigte sie andere Unternehmen und Einzelpersonen, die über die Mittel verfügen, sich ebenfalls an der Spendenkampagne zu beteiligen, um den Bedürftigen in Bensheim weiterhin helfen zu können.
Der Förderverein Hilfen für Wohnungslose bittet darum, dass Spenden für die Kampagne unter dem Verwendungszweck „Einmal in der Woche ein warmes Essen“ getätigt werden. ame
Spendenkonto: Sparkasse Bensheim, DE 13 5095 0068 0005 0085 03, BIC: HELADEF1BEN
Das Ergebnis dieser Kampagne ist „einfach überwältigend“: Denn durch die bisher eingegangenen Geldspenden ist die wöchentliche warme Mahlzeit bis in das kommende Jahr gesichert. „Wir waren baff, dass so viele nicht nur einmalig gespendet, sondern Daueraufträge eingerichtet haben. 32 Euro decken zum Beispiel die Kosten für eine Person im Monat ab.“ Geworben wurde mit einer Plakat- und Flyeraktion in Zusammenarbeit mit der Agentur Showmaker von Harry Hegenbarth. „Wir möchten uns noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die uns unterstützen“, ergänzt Rolf Müggenburg, der Schatzmeister des Vereins.
Ziel ist, Betroffenen zu helfen, ihr Leben zu ändern
Vor allem in den Wintermonaten kann ein warmes Essen einen echten Mehrwert bringen. Dazu kommt das gute Gefühl, einfach einmal „nur“ am Tisch sitzen zu können. Beliefert wird das Zentrum vom Fleischereifachgeschäft Kipfstuhl aus Bürstadt. Die Einrichtung am Weidenring leistet aber noch eine ganze Menge mehr: Neben niederschwelligen Soforthilfen ist das erste Ziel der Arbeit vor Ort, den Menschen dabei zu helfen, ihre belastende Lebenssituation zu verändern. „Dabei wird aktiv an die Fähigkeiten und Ressourcen der Betroffenen angeknüpft“, erklärt Björn Metzgen. Er ist der Bereichsleiter der Wohnungsnotfallhilfe am Weidenring.
Im ZdW erhalten von Obdachlosigkeit betroffene oder bedrohte Personen Beratung und Hilfsangebote rund um Fragen zu ihrer Wohnungssituation. Die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter reflektieren außerdem mit den Betroffenen die Hintergründe ihrer Obdachlosigkeit. „Dahinter können Arbeitslosigkeit, eine Sucht, Trennung oder Schulden stehen.“ Die Gründe, weshalb eine Person ihren Wohnsitz verliert, sind ganz individuell.
Das Übernachtungshaus bietet wohnungslosen Männern und Frauen einen Platz zum Schlafen. Die sechs Mehrbettzimmer sind jeweils mit Dusche und WC, Kühlschrank und Fernseher ausgestattet. Eines der Zimmer ist Frauen oder Paaren vorbehalten, ein anderes Durchwanderern mit Hund. Die voll ausgestattete Küche wird von allen genutzt. In der geschützten Tagesaufenthaltsstätte besteht die Möglichkeit zu duschen, Wäsche zu waschen oder einfach ein wenig Fernsehen zu schauen. Dank vieler Sach- und Kleiderspenden können die Menschen mit dem Nötigsten ausgestattet werden. Nicht selten kommt es vor, dass Obdachlosen ihr Hab und Gut gestohlen wird, weiß Ditter.
Im ZdW können sich Wohnungslose außerdem im Bereich der stationären Wiedereingliederung über die Dauer von bis zu zwei Jahren fit für ein ganz normales Leben in der Gesellschaft machen: Hierfür gibt es in der Einrichtung 14 Plätze, zehn davon in voll ausgestatteten Appartements, in denen das Wohnen „geübt“ werden kann.
In Zusammenarbeit mit der Stadt Bensheim entstand im Jahr 2000 ein Projekt für arbeits- und beschäftigungslose Bensheimer Bürgerinnen und Bürger: die Landpflege. Beschäftigt werden Menschen, die zum allgemeinen Arbeitsmarkt bisher keinen Zugang haben. In der Landpflege können sie sich mit der Arbeitswelt auseinandersetzen und sich ausprobieren.
Eine weitere Einrichtung für den Kreis Bergstraße ist ein Wunsch
In den 28 Jahren, die es den Förderverein schon gibt, konnten etwa eine Million Euro Spenden gesammelt werden, überschlägt Ditter. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, den Menschen über die Grundversorgung hinaus ein Stück ihrer Würde zurück und vielen eine Perspektive zu geben.
Ein großer Wunsch der Initiative ist die Schaffung einer weiteren Einrichtung im Kreis, speziell für Personen unter 25 Jahren. „Wer so früh auf die Straße kommt, hat häufig keine gute Prognose“, so Ditter. Als Vorbild nimmt sie dabei das „Dock 30“, eine Einrichtung in Groß-Gerau, die jungen wohnungslosen Menschen zwischen 16 und 27 Jahren ein Dach über dem Kopf bietet und sie dabei unterstützt, sich erfolgreich in die Arbeitswelt eingliedern zu können. Doch hierfür braucht es eine Ressource, die beinahe so knapp wie die finanzielle Unterstützung solcher Projekte ist: Wohnraum. Nicht nur für die Einrichtung selbst, denn jede Wiedereingliederungsmaßnahme kann nur dann gelingen, wenn die Menschen im Anschluss auch eine bezahlbare Bleibe finden.
„Wir werden das Problem an dieser Stelle nicht lösen, dafür braucht es Wohnungen. Was wir tun können, ist den Grundbedürfnissen der Menschen zu begegnen“, resümiert Björn Metzgen. Und auch dabei sind die Ressourcen begrenzt, „Privatsphäre können wir nicht bieten.“
Info: Weitere Infos zum Verein und dem Zentrum der Wohnungslosenhilfe gibt es unter: www.vereinwohnungslosenhilfe.wordpress.com – Der Förderverein sucht zudem jemanden, der bei der Professionalisierung seiner Webseite behilflich sein kann. Kontakt: Elke Ditter, Telefon: 06251/789780, E-Mail: wohnsitzlosenhilfe.bensheim@ t-online.de
Wohnungslosigkeit im Land
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im Dezember 2022 den ersten Bericht zur Obdach- und Wohnungslosigkeit veröffentlicht.
Der Bericht ist Teil des Wohnungslosenberichterstattungsgesetzes und soll alle zwei Jahre erscheinen. Der Bericht stellt Informationen über Ausmaß und Struktur von Wohnungslosigkeit in der Bundesrepublik bereit.
2022 waren 262 600 Menschen in Deutschland ohne Wohnung. 38 500 Personen lebten der Erhebung zufolge tatsächlich auf der Straße, die anderen finden privat Unterkunft oder in öffentlichen Einrichtungen.
Über alle drei Gruppen hinweg sind knapp zwei Drittel (63 Prozent) der wohnungslosen Personen männlich.
Wohnungslose Personen ohne Unterkunft sind mehrheitlich männlich (79 Prozent), im Durchschnitt 44 Jahre alt und überwiegend alleinstehend (79 Prozent).
Von den verdeckt wohnungslosen Personen sind 60 Prozent männlich und 71 alleinstehend. Das Durchschnittsalter beträgt 35 Jahre.
Untergebracht wohnungslose Personen sind im Durchschnitt 32 Jahre alt. 62 Prozent von ihnen sind männlich, der Anteil der Alleinstehenden liegt hier nur bei 41 Prozent. Mehr als die Hälfte aller wohnungslosen Personen haben eine ausländische Nationalität.
Fast die Hälfte (47 Prozent) der wohnungslosen Menschen, die schon einmal eine eigene Wohnung besaßen, haben ihre Wohnung ausschließlich oder auch aufgrund von Mietschulden verloren. Ebenso viele Personen haben sich nicht um Hilfe bemüht, um den Wohnungsverlust abzuwenden.
Von denen, die sich (erfolglos) Unterstützung gesucht haben, hat jeweils ein gutes Drittel das Jobcenter, die Stadt oder eine Beratungsstelle um Hilfe gebeten. ame
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