Bensheim. Seit Anfang November ist Daniel Bauer neuer Leiter des Sozialzentrums der Arbeiterwohlfahrt (Awo) an der Eifelstraße. Der gebürtige Bensheimer ist 35 Jahre alt und möchte das Haus in zentraler Lage in der Weststadt künftig wieder mehr öffnen, um stärker ins lokale Leben eingebunden zu sein. Die Einrichtung verfügt über 151 vollstationäre Pflegeplätze, die von rund 120 Mitarbeitern betreut werden.
Nach seinem Studium der Sozialen Arbeit an der Hochschule Darmstadt hat der verheiratete Vater von zwei Kindern ab 2013 als Betriebsleiter in den hessischen Seniorenwohnanlagen in Bruchköbel und Darmstadt gearbeitet, bevor er 2016 in die Geschäftsführung des Fachbereichs Senioren bei der Awo Hessen-Süd gewechselt ist. An der Eifelstraße hatte Bauer sein Anerkennungsjahr während der Ausbildung absolviert. Er kennt das Haus seit vielen Jahren und sucht nach Jahren in der reinen Verwaltung nun wieder stärker den Kontakt zu Bewohnern und Mitarbeitern vor Ort, wie er seine berufliche Motivation beschreibt.
Nachwuchs ist dünn gesät
Doch Bauer ist nicht nur mit den Strukturen des dezentral organisierten Wohlfahrtsverbands vertraut - er weiß auch um die schwierige Situation der Pflegebranche, die schon lange vor der Pandemie in Schieflage geraten war. Doch die Corona-Krise hat gezeigt, auf welch wackligen Beinen das deutsche Pflegesystem eigentlich steht.
An der Situation der Pflegekräfte hat sich in den vergangenen Jahren nicht viel verbessert, egal ob in der Kranken- oder Altenpflege oder beim ambulanten oder stationären Pflegedienst. Und Corona habe dies noch einmal wesentlich verschärft, so Bauer. „Die Menschen sind müde und abgekämpft.“
Etliche Einrichtungen verlieren Personal. Die Menschen wechseln in Teilzeit oder geben ihren Beruf ganz auf. Das spürt man auch in Bensheim. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren weitere Pflegekräfte ihr Berufsleben beenden werden. Die Lücke wird größer. Denn der Nachwuchs ist nach wie vor dünn gesät. „Wir haben allgemein ein Fachkräfteproblem“, so der neue Einrichtungsleiter. Er geht davon aus, dass sich die Lage weiter zuspitzen wird.
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Aktuell gibt es rund 150 000 ausgebildete Pflegefachkräfte in Deutschland, die zurzeit nicht im Beruf arbeiten, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Eine bessere Bezahlung wäre ein Zeichen für mehr Wertschätzung. Daniel Bauer hofft, dass sich die Situation durch ein neues Instrument zur Personalbedarfsmessung in der stationären Altenpflege verbessern wird. Die geltenden Fachkraftquoten sollen dabei durch einen bedarfsorientierten Personalmix abgelöst werden. Es legt unter anderem fest, wie viele Spezialisten eine Einrichtung benötigt, um fachgerecht pflegen zu können.
Dabei wird klar nach Fach- und Assistenzkräften unterschieden. Dem zugrunde liegt die Tatsache, dass Pflegefachkräfte bislang auch Tätigkeiten ausführen, die auch - oder vielleicht sogar besser weil fokussierter - von einer Assistenzkraft ausgeführt werden könnten. „Das ist in Zeiten, in denen die Fachkraftzeit so knapp ist, sicher kein ideales Modell“, so Bauer, der eine Kompetenzorientierung für richtig hält.
Das bedeutet: Die Aufgaben sind nach Ausbildung und persönlichem Können zu organisieren, was für die jeweiligen Einrichtungen aber auch eine Reform in den Aufgaben und Abläufen bedeuten würde. Wenn dies zu mehr Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte führe, und davon ist er überzeugt, dann sei man schon einen wichtigen Schritt nach vorn gegangen, so der Bensheimer. Dies würde auch das Profil des Pflegeberufs deutlich schärfen.
Eine solche Personalbemessung, die ab Sommer 2023 umgesetzt werden soll, könne letztlich aber nur ein Baustein sein, um den Arbeitsalltag von Pflegekräften zu erleichtern. Denn der demografische Wandel und der Fachkräftemangel stellt die Pflege- und Krankenhauslandschaft weiter vor große Herausforderungen. Die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem müssten insgesamt attraktiver werden, um Fachkräfte zu halten und Nachwuchs für den Beruf zu gewinnen.
Um Neu- oder Quereinsteiger für den Beruf zu begeistern, müsse man auch am Image des Pflegeberufs arbeiten. Die Bensheimer Einrichtung will dabei mithelfen und künftig beispielsweise noch stärker junge Menschen ansprechen, etwa im Rahmen von Ausbildungsmessen oder Schulinformationstagen. „Wir setzen auf interne Ausbildung“, so Daniel Bauer, der in diesem Kontext auch das Thema Zeitarbeit anspricht: Denn immer mehr Pfleger wechseln von ihrer Festanstellung in die Leiharbeit, weil sie sich überlastet fühlen. Es gibt feste Dienstpläne und zumeist auch eine attraktivere Vergütung.
Bauer hält es für hoch problematisch, wenn ein ganzes Genre von Zeitarbeitsfirmen gespeist würde. Regulatorische Maßnahmen seien hier sinnvoll. Denn da Zeitarbeit - wie der Name schon sagt - nur temporär ist, leide langfristig die Qualität in der Pflege. Eine professionelle Kontinuität sei in der Branche aber entscheidend, so Bauer weiter. Es gehe für die Arbeitgeber daher darum, die Arbeitsbedingungen insgesamt zu verbessern, um diesen Trend der Abwanderung zu stoppen.
Im Sozialzentrum bezahle man seit Jahren nach Tarif und setze immer stärker auf flexible Arbeitszeitmodelle, um den Beruf auch für Alleinerziehende oder Teilzeitkräfte attraktiver zu machen. Aktuell sind im Sozialzentrum acht Auszubildende beschäftigt. Es gibt Bewerbungen, aber nicht so viele wie erwünscht, so der Einrichtungsleiter, der auch Quereinsteiger als personelle Chance sieht, weil sich diese intern weiterbilden und berufsbegleitend qualifizieren können.
Renovierungen geplant
Aber auch die äußere Qualität will der neue Leiter in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Zimmer und Aufenthaltsbereiche sollen sukzessive renoviert werden, größere bauliche Maßnahmen hat man an der Eifelstraße derzeit aber nicht im Visier. Eine Erweiterung des Komplexes wurde seit 2019 auch in der Stadtverordnetenversammlung diskutiert. Geplant waren weitere Gebäude auf dem nördlichen Bereich des Geländes, um das Angebot an Pflege und Betreutem Wohnen auszubauen. In dieser Hinsicht dürfte auch 2023 nichts passieren.
Es gehe jetzt in erster Linie darum, die Einrichtung für Bewohner und Mitarbeiter attraktiv zu halten und sich darum zu bemühen, die Personalsituation zu stabilisieren. Insgesamt sieht er das Sozialzentrum auf einem guten Kurs. Man wolle sich jetzt noch besser in die Infrastruktur des Viertels integrieren und „die Türen weiter öffnen“, so Bauer, der auch Mitglied im erweiterten Vorstand der Awo Bensheim ist.
Erstmals geöffnet wurde das Zentrum am 1. August 1978. Damals mit 68 Plätzen auf einem rund 10 000 Quadratmeter großen Areal. Durch zwei Umbauten wurde der Komplex 2009 vergrößert und vollständig saniert. Aktuell gibt es 73 Einzel- und 39 Doppelzimmer in vier Wohnbereichen. Im Sommer 2018 wurde das 40-jährige Jubiläum mit einem großen Fest gefeiert.
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