Bensheim. Man könnte es beinahe für einen Witz halten. Doch der Scherz ist so schlecht, selbst bei abgehangenen, viertklassigen Fastnachtsveranstaltungen dürfte er niemandem vom Stuhl hauen. Zum Lachen sollte bei diesem Thema ohnehin keinem zu Mute sein. Dazu sind die Umstände zu ernst. Die offenbar temporäre Schließung des Dalberger Hofs gibt vielmehr Anlass, ein paar Tränen der Verzweiflung zu vergießen. Und zwar von allen Beteiligten.
Nüchtern betrachtet ist natürlich zunächst nicht viel passiert. Ein Restaurant hat sich kurzzeitig selbst vom Markt genommen. Das passiert in Bensheim nicht zum ersten Mal. Dass etwas mehr als zwei Monate nach der Eröffnung am 3. März vom Pächter die in der Stadt beliebte Reißleine gezogen wurde, kommt indes nicht so häufig vor.
Pandemie und Inflation
Abgesehen davon ist der Dalberger Hof nicht nur ein weiterer gastronomischer Betrieb mit Startschwierigkeiten. Er gehört als fester Bestandteil zum neuen Kultur- und Kongresszentrum. Unter diesem Titel wird das Bürgerhaus nach der Modernisierung für mehr als 13,2 Millionen Euro vermarktet. Das Restaurant im geschichtsträchtigen Adelshof ist Bestandteil des Gesamtpakets, das die städtische Marketing- und Entwicklungsgesellschaft (MEGB) als Eigentümer der Immobilien mit Pächter Benjamin Huckele geschnürt hat.
Der 41-Jährige ist kein Neueinsteiger, sondern kann bereits viel Erfahrung in der Branche vorweisen. Die Vorschusslorbeeren waren demnach entsprechend, auch wenn die Corona-Pandemie selbstredend und nachvollziehbar ihre Spuren hinterlassen hat. Von steigender Inflation, extrem hohen Energiepreisen und daraus resultierend Sparzwängen bei potenzieller Kundschaft ganz zu schweigen. Kurzum: Es gäbe sicher bessere Zeiten, um ein Restaurant (und vermutlich auch ein Bürgerhaus) erfolgreich zu positionieren und zu führen. Hinzu kommen personelle Nöte, die bundesweit in der gesamten Gastroszene für Engpässe sorgen.
Trotzdem überrascht die bereits Mitte Mai angetretene Pause des Restaurants, ebenso wie die Art und Weise, wie die Nachricht an die Öffentlichkeit kam - durch eine beiläufige Nachfrage bei der Mitgliederversammlung des Vereins Stadtmarketing in der vergangenen Woche (wir haben berichtet). Souveräne Kommunikation seitens der Verantwortlichen sieht anders aus, aber daran hat man sich in Bensheim ja mittlerweile gewöhnen müssen. Selbst wenn die Erwartungshaltung in solchen Angelegenheiten mit Blick auf die Lehren aus der Vergangenheit extrem niedrig ist.
Andererseits: Was nützt die beste Kommunikation, wenn die Entscheidungsträger im Rathaus und bei der MEGB mit einer Baustelle konfrontiert werden, die sie glaubten, geschlossen zu haben? Umso interessanter und wichtiger ist es, nun die Perspektiven aufzuzeigen. Wie soll es mit dem Dalberger Hof weitergehen? Warum wurde der Betrieb eingestellt? Wie sehen die finanziellen Auswirkungen für die städtische Tochtergesellschaft aus?
Wirtschaftliche Gründe
Rathausspitze, MEGB-Geschäftsführung und Pächter Benjamin Huckele gaben dazu auf Anfrage dieser Zeitung am Mittwoch Auskunft. Die halbwegs gute Nachricht vorneweg: Der Dalberger Hof soll nicht in eine Sommerpause gegangen sein, die nie enden wird. Zumindest nach Auskunft des Pächters besteht die Absicht, zum 1. Oktober das Restaurant wieder zu eröffnen. „Wir sprechen nicht von Schließung, sondern von einer Pause bis zum 1. Oktober. Im Zuge der voraussichtlichen guten Auslastung im Bürgerhaus und im Parktheater versuchen wir es dann mit einem zweiten Anlauf ab Oktober“, betonte Huckele auf Nachfrage.
Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, „aber sowohl die wirtschaftlichen Ist-Zustände als auch die Personalsituation waren ausschlaggebend für die Pause“. Der Fokus liege aktuell beim Bürgerhaus. Mit dessen Auslastung sei er durchaus zufrieden - trotz der schwierigen Bedingungen im Veranstaltungswesen. Die ersten Großveranstaltungen, sprich Eysoldt-Gala und Eröffnungsfeier im April, hätten das Interesse geweckt, man habe viele alte, aber auch neue Kunden für das Bürgerhaus gewinnen können.
In den Sommermonaten sei es erwartungsgemäß nun etwas ruhiger. Aber die Perspektive ab September sei optimistisch. Größere Formate hätten mindestens einen Planungsvorlauf von sechs Monaten. „Wir haben zahlreiche Anfragen für den Herbst, aber auch schon für 2023 und darüber hinaus“, so Benjamin Huckele. Diverse Tagungen, Hausmessen, Betriebsversammlungen und andere Veranstaltungen seien zwar geblockt, aber den möglichen Corona-Faktor könne niemand vorhersagen. „Etwaige Kontaktbeschränkungen im Herbst würden wieder eine Stornowelle bei allen geplanten Präsenzterminen auslösen“, machte der Pächter im Gespräch deutlich, dass die Pandemie nach wie vor ein Problem darstellen kann.
Bürgermeisterin Christine Klein und MEGB-Geschäftsführer Helmut Richter bestätigten ebenfalls auf Nachfrage den 1. Oktober als Termin für den Neustart. Der Pachtvertrag für den Dalberger Hof wurde nach Auskunft von Richter am 12. Februar 2020 geschlossen (für das Bürgerhaus am 11. November 2019). Vertragsgemäß hätten ab dem 30. Juni 2020 für beide Immobilien Pachtzahlungen anfallen müssen. „Da die neu gegründete Gesellschaft Bensheim Event nahezu keinen Anspruch auf Corona-Überbrückungshilfe hatte, mussten andere Lösungswege für den Zeitraum der Pandemie und deren Folgen gefunden werden“, teilte Richter auf entsprechende Nachfrage mit.
Sonderregelung bis 31. März
Die Gesellschafterversammlung habe wegen der Pandemie eine Sonderregelung für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2021 ermöglicht, die nochmals bis zum 31. März dieses Jahres verlängert wurde. Bis dahin sei der Pächter aufgrund der Sonderregelungen seinen Verpflichtungen nachgekommen.
Ob sich die Pacht wegen der „Pause“ im Dalberger Hof reduziert, steht momentan nicht fest. Eine Anfrage von Huckele an die MEGB gibt es, die abschließende Entscheidung steht laut Richter aus. Wie hoch die jährlichen Zahlungen an die Gesellschaft sind, ist öffentlich nicht bekannt. „Wir bitten um Verständnis, dass diese Zahlen in Absprache mit dem Mieter nicht bekanntgegeben werden sollen“, bemerkte der Geschäftsführer.
Einen neuen Pächter will die MEGB für den Dalberger Hof nicht suchen. Unter den derzeit schwierigen Rahmenbedingungen werde das Gesamtkonzept Bürgerhaus/Dalberger Hof weiterverfolgt. Das bedeutet auch, dass der Wappensaal über das Bürgerhaus weiterhin für Veranstaltungen angemietet werden kann. Bei der städtischen Tochtergesellschaft geht man darüber hinaus nicht davon aus, dass der Betrieb des Bürgerhauses gefährdet sei, allerdings „unter der Voraussetzung, dass die aktuellen Vereinbarungen und Sonderregelungen mit dem Mieter für die Anlaufphase weiterhin bestehen“.
Klein: „Für mich nachvollziehbar“
Bürgermeisterin Christine Klein bringt in einer Stellungnahme Verständnis für die Situation auf. „Selbst für die bereits etablierte Gastronomie sind die derzeitigen Rahmenbedingungen wie die aktuelle Inflation und der Personalmangel - dem vorausgegangen sind zwei Jahre Pandemie - mehr als schwierig. Ein Neustart in Zeiten wie diesen ist daher eine riesige Herausforderung. Ich bedaure die vorübergehende Schließung des Dalberger Hofes sehr. Doch vor dem Hintergrund der beschriebenen Situation ist die Entscheidung für mich durchaus nachvollziehbar.“
So bleibt die Hoffnung, dass die Planungen des Pächters für die Zeit ab Herbst aufgehen und das Gesamtkonzept schließlich greift. Nicht nur in seinem Sinne, sondern auch zum Wohle der Stadt. Wer ein Bürgerhaus für 13,2 bis 13,8 Millionen Euro (zwei Schlussrechnungen stehen noch aus) grundlegend modernisiert, braucht danach einen florierenden Betrieb ohne gravierende Rückschläge. So gesehen dürften Herbst und Frühjahr einen deutlichen Fingerzeig geben, wohin die Reise geht.
Nach wie vor gilt: Alle Beteiligten sind an dieser Stelle zum Erfolg verdammt. Und wenn der Dalberger Hof im Herbst erfolgreich aus der Sommerpause zurückkehren kann, wäre dies ein wichtiger Baustein auch in der öffentlichen Wahrnehmung.
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