Berliner Ring

Container-Dorf für Geflüchtete in Bensheim wird reaktiviert

Von 
Dirk Rosenberger
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Die Fläche des ehemaligen Container-Dorfs für Geflüchtete am Berliner Ring: Das Land will den Reserve-Standort wieder reaktivieren. © Neu

Bensheim. Das Container-Dorf am Berliner Ring ist seit drei Jahren Geschichte. Im Herbst 2018 wurden die letzten Unterkünfte für Geflüchtete vom Land abgebaut, weil es keinen Bedarf mehr gab. Gewohnt hatte dort ohnehin nie jemand. Der Pachtvertrag für das Grundstück, auf dem früher ein Landwirt Zuckerrüben anbaute, wurde aber nie gekündigt.

Nachdem man die Infrastruktur zurückgebaut hatte, lag die 12 000 Quadratmeter große Fläche brach. Das könnte sich demnächst wieder ändern, denn das Grundstück wurde vom Land als Reserve-Standort reaktiviert. Was dies tatsächlich bedeutet, steht nicht final fest. In einer Pressemitteilung des zuständigen Regierungspräsidiums Gießen heißt es, dass Bensheim wieder „als Reserve-Standort hergerichtet werden soll“. Demnach könnten dort 425 Personen in Unterkünften in Leichtbauweise untergebracht werden, betrieben vom RP, als Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen.

Details noch nicht geklärt

Die Pressestelle des Regierungspräsidiums erläuterte am Dienstag auf Nachfrage dieser Zeitung, dass derzeit „noch die Details zu einer Herrichtung mit den beteiligten Behörden, der Kommune und verschiedenen Dienstleistungsunternehmen geklärt werden“.

In welcher Form in Bensheim Unterkünfte – Büro- und Wohnräume – geschaffen werden, ob als Unterkünfte in Leichtbauweise oder als Containerlösung, sei bislang nicht abschließend festgelegt. „Bevor der Reserve-Standort aktiviert wird, müssen alle anderen Kapazitäten ausgeschöpft sein. Daher kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage zu einer möglichen Belegung des Standortes getroffen werden“, betonte ein Sprecher des RP.

Das Bensheimer Rathaus wurde nach eigenen Angaben kurzfristig über die neue Entwicklung informiert. Bürgermeisterin Christine Klein und Mitarbeiter der Verwaltung nahmen vor wenigen Tagen an einem Ortstermin teil. Einzelheiten zur weiteren Vorgehensweise und dem Zeitplan des Landes sind auch der Verwaltung nicht bekannt.

Unterm Strich bedeutet das: Die Uhr wird wieder zurückgedreht. Bis vor drei Jahren standen zwischenzeitlich mehr als 370 Container auf der Fläche zwischen Berliner Ring und Autobahn, inklusive Umzäunung, Beleuchtung und Sicherheitsdienst.

Ursprünglich war das Lager für 600 Personen ausgelegt, ähnlich wie das Zeltdorf auf dem Festplatz am Berliner Ring. Das hatte man im August 2015 innerhalb kürzester Zeit in Bensheim aufgebaut, nachdem von Land und RP eine entsprechende Anfrage kam. Als Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen lebten dort bis in den Spätherbst hinein Männer, Frauen und Kinder.

Kurz vor Wintereinbruch bekamen diese Menschen in Darmstadt ein festes und warmes Dach über dem Kopf. In Bensheim wollte das Land im Gegenzug bis Weihnachten 2015 eine Containersiedlung am Berliner Ring hochgezogen haben. Das Projekt verzögerte sich ohne weitergehende Begründung. Bis die Unterkünfte schließlich bezugsfertig waren, wurden sie nicht mehr benötigt. Fragen zu den Kosten für die gesamte Aktion bleiben bis heute unbeantwortet.

Dafür sorgte die leerstehende Einrichtung ab und an durchaus für Irritationen bei den Anliegern und führte zu kommunalpolitischen Diskussionen. Warum Bensheim nun überraschend ein Comeback feiert, begründete das RP in seiner Pressemitteilung. So leben aktuell rund 5700 Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen an mehreren Standorten, Tendenz besonders in den vergangenen Wochen steigend.

Seit Beginn der Corona-Pandemie habe man alle Anstrengungen unternommen, um die Geflüchteten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich vor dem Corona-Virus zu schützen und ausreichende Möglichkeiten der Isolierung zur Verfügung zu stellen. Wesentlich sei hierbei auch eine aufgelockerte Belegung – dies bedeute, dass die ursprüngliche Kapazität der Standorte nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann. Durch die nun in den vergangenen Monaten gestiegene Zahl an asylsuchenden Menschen sei daher die Reaktivierung weiterer Standorte erforderlich.

Neben Bensheim betrifft dies vor allem Gebäude in Fuldatal-Rothwesten und in Friedberg. Bis zu 1600 Personen könnte das Land in beiden Kommunen bei voller Auslastung unterbringen. Die Entscheidung des Landes dürfte auch Auswirkungen auf die eine oder andere kommunalpolitische Debatte haben. Besonders im Zusammenhang mit dem Stellplatz für Wohnmobile war das Areal von Gegnern einer Belegung des Festplatzes als mögliche Alternative genannt worden – unabhängig von den Besitzverhältnissen und Pachtverträgen. Diese Option ist nun für die nächste Zeit vom Tisch.

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