Bensheim. Die lokalen Baustellen sind hinlänglich bekannt. Marktplatz, Bürgerhaus, Innenstadtkonzept, neuerdings Straßenbeiträge – die Liste ist lang und ließe sich entsprechend fortsetzen. Unterm Strich kann man festhalten, dass die Stadtentwicklung und Planung in den nächsten Jahren ein prägendes Thema bleiben wird.
Bensheim befindet sich in einer Phase des Umbruchs – und dem nächsten Ersten Stadtrat und Baudezernenten wird zwangsläufig eine zentrale Rolle zukommen. Der bisherige Amtsinhaber Helmut Sachwitz tritt – wie berichtet – nicht mehr an, in den vergangenen Wochen wurde deshalb bereits fleißig spekuliert, wer denn die Nachfolge übernehmen könnte. Die Bensheimer Christdemokraten, die laut Koalitionsvertrag ein Vorschlagsrecht besitzen, haben sich nach einer längeren Findungsphase nun festgelegt.
Kontakt über den Bürgermeister
Diplom-Ingenieurin Nicole Rauber-Jung könnte demnach Mitte Oktober Erste Stadträtin im Rathaus werden. Die Bauassessorin und Städtebauarchitektin leitet seit 1999 die Abteilung Stadtplanung in Kelkheim im Taunus, zuvor hatte sie zwei Jahre bei Albert Speer und Partner in Frankfurt als Projektleiterin gearbeitet.
„Wir wollen eine hohe Qualifikation haben, das haben wir mit der Stellenausschreibung unterstrichen. Daran müssen sich alle Bewerber messen lassen“, machte Fraktionsvorsitzender Markus Woißyk im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich. Man sei den öffentlichen Weg über die Anzeige gegangen, habe aber zusätzlich über persönliche Kontakte Möglichkeiten ausgelotet. So wurde Bürgermeister Rolf Richter schließlich auf Rauber-Jung aufmerksam gemacht.
Nachdem sie und andere potenzielle Kandidaten sich in der Fraktion vorgestellt hatten, habe man sich am Dienstag einstimmig für Nicole Rauber-Jung entschieden, so Woißyk. „Sie konnte uns fachlich, aber auch mit ihrer freundlichen Art überzeugen. Die Chemie hat gestimmt.“ Über einen Freifahrtschein ins Rathaus verfügt die 51-Jährige damit allerdings nur bedingt. Am Donnerstag legte der Wahlvorbereitungsausschuss das weitere Prozedere fest. Es gilt als wahrscheinlich, dass die gebürtige Saarländerin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, danach muss das Gremium eine Empfehlung für die Stadtverordnetenversammlung aussprechen.
Am 23. Mai erfolgt im Parlament die Wahl. Da im Koalitionsvertrag festgelegt ist, dass die Bündnispartner GLB und BfB den Vorschlag der CDU unterstützen sollen, wäre alles andere als ein Votum für die Favoritin der Christdemokraten eine faustdicke Überraschung.
„In Bensheim gibt es sehr spannende Tätigkeitsfelder. Ich könnte einen Blick von außen einbringen, Neues auf Bewährtem aufbauen“, erklärte die erfahrene Stadtplanerin. An der Stelle der Ersten Stadträtin reize sie besonders, dass man mehr Gestaltungsspielraum als bei einem normalen Verwaltungsjob habe.
Ihr bisheriger Werdegang verdeutlicht, dass die Bensheimer Herausforderungen und Problemfelder keine unbekannten Größen für sie sind. Zwar ist Kelkheim mit seinen insgesamt 30 000 Einwohnern nur bedingt mit Bensheim zu vergleichen, aber auch im Taunus ging es um die Entwicklung und Identität des Zentrums, die Zukunft des Einzelhandels und die Umwandlung von Konversionsflächen.
Bürger mit einbeziehen
Rauber-Jung war maßgeblich an der Schaffung einer „neuen Mitte“ in Kelkheim beteiligt, führte Investorengespräche, befasste sich mit Fragen des Denkmalschutzes. Auch die Diskussionen um bezahlbaren Wohnraum sind ihr nach eigenem Bekunden nicht fremd.
Kurzum: Eine gewisse Schnittmenge mit den hiesigen Aufgabengebieten lässt sich nicht leugnen. Was sie zudem an Bensheim interessant fände, sei die „spannende Lage zwischen zwei Metropolregionen, mit all ihren Effekte und Spannungsfeldern“. Dass die Stadt über eine aktive Bürgerschaft verfügt, ist ihr ebenfalls aufgefallen. „Hier passiert viel im ehrenamtlichen Bereich. Das sollte man nutzen“, konstatierte sich vor allem mit Blick auf das Bürgernetzwerk für die Innenstadt.
Sollte sie im Mai gewählt werden, würde sie nach Bensheim ziehen. Ihre Familie bliebe allerdings in Königstein, mit Rücksicht auf „meinen Sohn, der eine geistige Behinderung hat und den wir nicht aus seinem gewohnten Umfeld reißen wollen“.
Bürgermeister Rolf Richter zeigte sich davon überzeugt, die richtige Nachfolgerin für Helmut Sachwitz gefunden zu haben. „Sie erfüllt die Kriterien sowohl im fachlichen als auch im menschlichen Bereich.“ Er habe sich Anfang des Jahres mehrfach mit ihr getroffen, um über Bensheim und die Aufgaben zu sprechen.
Sowohl Richter als auch Woißyk betonten, dass weder der Ausschuss noch die Ausschreibung eine Alibiveranstaltung gewesen seien. In der Stellenbeschreibung habe man hohe Hürden festgelegt, daran habe sich jeder messen lassen müssen. FDP und AfD waren dem Gremium bekanntlich ferngeblieben, weil man ihrer Ansicht nach durch die Festlegungen im Koalitionsvertrag nicht von einem tatsächlichen Auswahlverfahren sprechen könne.
In den Fraktionen will sich Nicole Rauber-Jung zeitnah vorstellen, sofern das Interesse bestehe. Zeit genug sei, so Markus Woißyk, der abschließend betonte, dass die CDU ihren Vorschlag intern diskutiert habe und „das kein Schnellschuss ist“. Das letzte Wort haben aber die Stadtverordneten. Sie könnten zum ersten Mal in der Geschichte Bensheims eine Frau in den hauptamtlichen Magistrat wählen – aber das wäre letztlich nur eine nette Randnotiz.
Seit 1999 Abteilungsleiterin in Kelkheim
Nicole Rauber-Jung stammt aus Sulzbach im Saarland. Seit einigen Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Königstein im Taunus.
Studiert hat die Diplom-Ingenieurin zwischen 1986 und 1993 an der Uni Kaiserslautern Raum- und Umweltplanung.
1993 und 1994 arbeitete sie in einem Ingenieurbüro in Saarbrücken. Dort war sie hauptsächlich mit Verkehrsplanung befasst.
Danach wechselte sie zum Regierungspräsidium Darmstadt. Von 1994 bis 1996 absolvierte sie den Vorbereitungsdienst für den höheren technischen Verwaltungsdienst der Fachrichtung Bauingenieurswesen. Fachgebiet Stadtbauwesen, Vertiefungsrichtung Städtebau. Den Abschluss bildete das Zweite Staatsexamen (Große Staatsprüfung).
Von 1997 bis 1999 war Nicole Rauber-Jung Projektleiterin (Stadtplanung und Bauleitplanung) bei Albert Speer und Partner in Frankfurt.
Seit 1999 ist sie Leiterin der Abteilung Stadtplanung/Amt für Bauen und Planen in Kelkheim im Taunus.
In den vergangenen Jahren besuchte sie zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen – unter anderem zu den Themen Einzelhandel, konstruktive Bürgerbeteiligung durch Mediation und Städtebauförderungen.
Nicole Rauber-Jung ist seit 2010 Mitglieder der CDU. dr
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