Bensheim. Was bringt es mir als Unternehmerin oder Unternehmer, als Privatperson oder politischer Entscheidungsträger, den Klimawandel abzumildern? Und welche Hebel kann ich in meinem Wirkungsbereich umlegen, um einen sichtbaren Effekt zu erzielen, der sich am Ende auch noch rechnet?
Beim Businesstreff der Wirtschaftsvereinigung Bensheim (WVB) ging es am Mittwochabend in den Räumlichkeiten des homöopathischen Arzneimittelherstellers Dr. Reckeweg & Co ausnahmsweise nicht um den Besuch und die Vorstellung eines der Mitgliedsunternehmen, sondern um den Masterplan Klimaschutz II, den die Stadt Bensheim möglichst noch in diesem Jahr auf den Weg bringen möchte. Mit dabei waren neben den Geschäftsleuten Vertreter der politischen Fraktionen in Bensheim, ebenso wie Bürgermeisterin Christine Klein und Erste Stadträtin Nicole Raubar-Jung.
Das Ziel des Masterplans: Die Stadtverwaltung und ihre Betriebe sollen bis 2035 klimaneutral arbeiten, für die gesamte Stadt soll dieses Ziel 2040 erreicht sein. Dass das nicht von heute auf morgen und auch nicht von alleine passiert, ist klar. Vielmehr müssen alle Akteure in einem Boot sitzen, mit am Ruder: die lokale Wirtschaft.
Nicht nur in Bensheim spielt sie eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der gesteckten Klimaziele. Die Unternehmen tragen maßgeblich zum CO2-Ausstoß bei, und ihre Transformation hin zu nachhaltigen Strukturen ist essenziell. Maßnahmen wie die energetische Gebäudesanierung, der Einsatz erneuerbarer Energien oder die Umstellung auf ressourcenschonende Produktionsprozesse senken die Emissionen deutlich.
Drei Sektoren treiben die Emissionen in Bensheim nach oben
Über gesetzliche Vorgaben hinaus, die die Unternehmen ohnehin umsetzen müssen, braucht es aber weitere Anreize für die Akteure, dieses Vorhaben anzugehen. „Die Unternehmerinnen und Unternehmer müssen Bock haben, zu investieren“, brachte es David Reckeweg-Lecompte, Geschäftsführer bei Reckeweg & Co., auf den Punkt. „Wenn ich eine Maßnahme sinnvoll kalkulieren und umsetzen kann und dabei noch denk Klimaschutz vorantreibe, entsteht für alle eine Win-win-Situation.“
Infos für Unternehmen
- Die Landesenergieagentur Hessen bietet mit ihrem Kooperationspartner RKW Energieberatung für Unternehmen und kostenfreie Impulsberatung vor Ort, Infos unter: www.energieeffizienz-hessen.de
- Weitere Infos zur kostenfreien Beratung zu betrieblichem Mobilitätsmanagement der IVM gibt es unter: www.ivm-rheinmain.de
Bevor es darum ging, an welche Anlaufstellen sich Unternehmen zur Erarbeitung solcher Strategien wenden können, stellte Maria Real Perdomo von „Net Positive Cities“, einem Beratungsunternehmen für Kommunen, Regionen und kommunale Unternehmen, erst einmal die Kennzahlen für Bensheim vor, anhand derer der Maßnahmenkatalog für den Klimaschutz erarbeitet wurde. Als Haupttreiber der Emissionen in Bensheim machte sie drei Sektoren aus.
- Verkehrssektor: Die Treibhausgasbilanz der Stadt Bensheim für das Jahr 2022 zeigt Gesamtemissionen von 314 Tonnen CO2-Äquivalenten, wobei der Verkehrssektor mit einem Anteil von 50 Prozent der größte Emittent ist. Der Energieverbrauch im Verkehrssektor betrug im Jahr 2022 rund 455 Gigawattstunden, was zu 142 Tonnen CO2-Emissionen führte.
- Strom- und Wärmeverbrauch: Im Bereich Strom- und Wärmeverbrauch lag der Gesamtenergieverbrauch im Jahr 2022 bei 538 Gigawattstunden, was zu 144 Tonnen CO2-Emissionen führte. Die größten Verbräuche entfallen auf Wohngebäude (49 Prozent des Gesamtverbrauchs), Industriegebäude (26 Prozent), Gewerbegebäude (20 Prozent) und öffentliche Gebäude (ein Prozent).
- Strom- und Wärmeerzeugung: Bei der Strom- und Wärmeerzeugung produziert Bensheim derzeit insgesamt 3,8 Tonnen CO2-Äquivalente. Der größte Teil des Stroms wird importiert, während die lokale Erzeugung zu 57 Prozent auf fossilen Energieträgern basiert und zu 43 Prozent durch erneuerbare Energien wie PV-Anlagen auf Dachflächen gedeckt wird. Um die Energiewende zu schaffen, sind ambitionierte Maßnahmen notwendig, darunter der Ausbau von Dach-PV-Anlagen, Windkraftanlagen, Solarparks, die Nutzung geothermischer Wärme, die Einbindung von Wasser- und Abwärme sowie die verstärkte Nutzung von Biomasse und Biogas.
Der Maßnahmenkatalog, den die Stadt Bensheim in Zusammenarbeit mit vielen Akteuren aus Wissenschaft, Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft erarbeitet hat, soll zur Erreichung der Klimaziele einen Rahmen geben und weniger eine Liste zum „abhaken“ sein, erklärte Nicole Rauber-Jung. Die genauen Zahlen und die notwendgen Einsparungen in den jeweiligen Sektoren werden am 6. November von 18 bis 21 Uhr auch noch einmal der Öffentlichkeit im Bürgerhaus präsentiert. Mitwirken und diskutieren ist dabei ausdrücklich erwünscht.
Welche Stellen die Unternehmen bei Transformation unterstützen
Nicht jede Maßnahme passt auch zu jedem Unternehmen. An dieser Stelle übernahm Sascha Petric das Wort. Er ist Projektleiter beim RKW Hessen, dem Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Wirtschaft. Das RKW ist ein Beratungsgesellschaft, das sich auf die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sowie Gründer und Selbstständige in Hessen spezialisiert. Im Fokus stehen Unternehmensentwicklung, Effizienzsteigerungen und Innovationsförderung, oft im Zusammenhang mit Digitalisierung und nachhaltigem Wirtschaften. Das RWK ist ein enger Kooperationspartner der Landesenergieagentur Hessen.
„Zu unseren Dienstleistungen gehören Beratung in den Bereichen Geschäftsstrategie, Personal- und Organisationsentwicklung sowie Produktionsoptimierung. Besondere Bedeutung hat aber die nachhaltige Transformation von Unternehmen“, so Petric. Dabei erhalten KMUs beispielsweise Unterstützung in der Umstellung auf energieeffiziente Prozesse, was sowohl den Ressourcenverbrauch senkt als auch zur Einhaltung von Klimazielen beiträgt. Die Beratung umfasst finanzielle Fördermöglichkeiten und praxisorientierte Konzepte, die speziell auf die Herausforderungen von KMUs zugeschnitten sind. Die erste Impulsberatung ist hierbei kostenfrei.
Fachkräfte legen zunehmend Wert auf nachhaltige Konzepte
Nicht nur für die Firmen, auch für Arbeitnehmerinnen und -nehmer wird die nachhaltige Transformation – vor allem im Bereich Mobilität – immer wichtiger: „Diese Angebote sind für Mitarbeitende heute zunehmend ein Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers. Flexible, umweltfreundliche Mobilitätsangebote wie Fahrrad-Leasing, Zuschüsse zum ÖPNV, Fahrgemeinschaften oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, erleichtern den Arbeitsweg und reduzieren zugleich den CO2-Ausstoß. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, indem sie den Verkehr und die damit verbundenen Emissionen verringern und die Umweltbelastung durch den Pendelverkehr mindern“, erklärte die dritte Referentin des Abends, Christine Breser von ivm (Integriertes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Region Frankfurt).
Darüber hinaus fördern solche Konzepte die Gesundheit und Zufriedenheit des Personals, da stressige Pendelzeiten verkürzt oder ganz vermieden werden können. Firmen, die nachhaltige Mobilitätsoptionen anbieten, zeigen Verantwortungsbewusstsein gegenüber Umwelt und Gesellschaft, was ihr Image als attraktiver, moderner Arbeitgeber stärken kann. „Damit werden sie auch für Fachkräfte interessanter, die zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance legen.“ Hierbei unterstützt die ivm, durch eine Kooperation mit dem Kreis Bergstraße ist die Beratung für Unternehmen im Kreis kostenfrei.
„Es ist entscheidend, dass wir jetzt damit beginnen, die Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen – auch, wenn es um den Haushalt der Stadt Bensheim gerade alles andere als gut steht“, betonte WVB-Vorstandsvorsitzender Jan Siefert. Die Auswirkungen des Klimawandels seien schon jetzt täglich sichtbar und führten langfristig zu deutlich höheren Ausgaben als präventive Maßnahmen heute. „Ganz wichtig ist bei deren Umsetzung, den Menschen immer wieder den Nutzen aufzuzeigen, den sie selbst davon haben werden.“
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