Bürgerinitiative

Bürgerinitiative gegen Sporthallen-Neubau

Von 
Thomas Tritsch
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Die Bürgerinitiative „Rettet Bensheim“ richtet sich gegen den geplanten Neubau von zwei Sporthallen am Berliner Ring im Bereich der Dammstraße. Martin Türck und Corinna Bang-Türck übergaben dort den „Staffelstab“ an die neuen Akteure Beate Dillmann, Annette Hennemann sowie Henning, Annika und Melanie Müller (v.l.). © Neu

Bensheim. Seit den Kommunalwahlen war es still geworden um die Bürgerinitiative „Rettet Bensheim“, die sich gegen die Entwicklung einer Neubausiedlung Richtung Heppenheim stark gemacht hatte. Ein Thema, das mittlerweile von der Agenda verschwunden ist. „Da wir es im Wahlkampf offenbar geschafft hatten, auf die Bedeutung dieser Grünflächen aufmerksam zu machen, kann sich die Gruppe nun anderen dringlichen Problemen zuwenden“, so Sprecher Martin Türck, der sich das Aus einer sogenannten Südstadt auch auf die eigenen Fahnen schreibt.

Statt die Initiative danach einzustellen, fand nun ein Personal- und Ortswechsel statt. Das übergeordnete Thema ist gleich geblieben: Der Kampf um Flächenerhalt und grüne Inseln im Stadtgebiet.

„Wichtige grüne Leitlinie“

Jetzt fand eine Art „Staffelübergabe“ statt. Und das genau an jenem Platz, den die neuen Akteure seit einigen Wochen ganz genau im Visier haben: der schmale Weg entlang des Winkelbachs zwischen Weiherhausstadion und Berliner Ring. „Seit Jahren eine wichtige grüne Leitlinie für alle Anwohner westlich und östlich der Bahnlinie“, sagt Annette Hennemann, die das Zepter von Türck übernommen hat.

Viele Bensheimer aus den Kappesgärten wie auch aus dem Quartier nördliche Fehlheimer Straße wüssten diese schmale Achse als Korridor in die freie Landschaft mit ihren Wiesen und Feldern sehr zu schätzen: als wertvollen Naherholungsraum entlang des wieder stärker naturnah gegliederten Bachlaufs neben ortsbildprägenden Walnussbäumen, argumentiert die BI-Sprecherin. „Und auch der Eisvogel fühlt sich hier wohl.“

Diese kleine Idylle sehen sie und ihre Mitstreiter nun bedroht. Der Hintergrund: Neben dem derzeit entstehenden Kindergarten in Nachbarschaft der Kappesgärten sollen auf dem freien Gelände davor bis spätestens 2022 zwei Sporthallen entstehen. Bauherren sind die beiden größten Vereine der Stadt: die TSV Rot-Weiß Auerbach und die SSG Bensheim. Der Bedarf an Hallen für den Vereins- und Schulsport mache die Neubauten nötig, heißt es. Profitieren sollen von den beiden Sportflächen vor allem die Grundschule Kappesgärten, das AKG und das Goethe-Gymnasium.

Ein doppelter Baukörper nordöstlich der Kita unmittelbar an der schmalen Dammstraße ist für Annette Hennemann aber undenkbar. „Das würde den gesamten Charakter dieser Grünverbindung zerstören“, so die Landschaftsarchitektin, die unweit des betreffenden Bereichs im „Carree Sonnenschein“ wohnt. Durch die Sporthallen befürchtet sie zudem eine erhöhte Verkehrsdichte sowie – die geringere Sorge – eine erhöhte Geräuschkulisse für die Bewohner der nahen Kappesgärten. Mit annähernd 100 neu zu schaffenden Parkplätzen und einer versiegelten Fläche in der Größenordnung von mehr als 4000 Quadratmetern sei das Projekt an dieser Stelle absolut fehl am Platz. Vom Eingriff in die Natur ganz zu schweigen, sagt sie: „Die Tage der beiden Walnussbäume wären dann wohl gezählt.“

In Beate Dillmann hat sie eine Unterstützerin gefunden. Sie ist kommunalpolitisch bei den Freien Wählern aktiv, engagiert sich aber auch in der Biodiversitätskonferenz des Kreises Bergstraße, wo sie in einer Arbeitsgruppe zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und Stärkung der Biodiversität mitarbeitet. In der betont überparteilichen BI sieht sie eine reelle Chance, die Ackerflächen doch noch retten und einen Sport-Campus verhindern zu können. Der aktuelle Planungsstand lasse noch genügend Raum, um das Projekt zu stoppen. Zumal die Grundstücke noch nicht veräußert seien, wie sie sagt.

Alles neu kalkulieren

„Wir wollen Sport und Natur nicht gegeneinander ausspielen“, betont Annette Hennemann beim Ortstermin. Doch aus ihrer Sicht wäre es vernünftiger, den tatsächlichen Hallenbedarf von Schulen und Vereinen den bereits vorhandenen Kapazitäten gegenüberzustellen und alles neu zu kalkulieren. Auch eine Aufstockung von Bestandsgebäuden wäre – wo dies möglich sei – ihrer Meinung nach sinnvoll.

„Vielleicht braucht es dann gar keinen Neubau.“ Voraussetzung für alternative Ideen wäre aber zunächst die Bereitschaft aller an dem Projekt interessierten Gruppen wie Vereine, Verwaltung, Sportler, Anwohner und Naturschützer, in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Solange noch keine verbindlichen Baufestlegungen erfolgt seien, bestünden Freiräume für attraktive sozial- und umweltverträgliche Lösungen. Diese sollten genutzt werden, um die seltenen Grünverbindungen im Stadtgebiet bestmöglich zu erhalten, so die Bürgerinitiative, die nicht nur die Hallen verhindern, sondern auch eine alternative Nutzung forcieren will.

Die Idee: eine Streuobstwiese mit heimischen Walnussbäumen und insektenfreundlichen Blühflächen als ökologisch gehaltvolle Insel, die zudem einem pädagogischen Konzept folgen soll, das in Nachbarschaft des Kindergartens geradezu ideal platziert wäre, so Annette Hennemann. Sie plädiert für einen „Biodiversitäts-Treffpunkt“ mit neuen Bäumen und Sträuchern, an dem Menschen aller Generationen viel über die heimische Natur lernen könnten. Ein Vorschlag, der mittlerweile bei etlichen Anwohnern auf Beifall stößt.

So auch bei Henning Müller, der mit seiner Familie nur wenige Meter entfernt lebt. „Für zwei Hallen ist das Gelände viel zu eng bemessen“, sagt er. Viele Anwohner seien regelrecht erschüttert gewesen, als die Planungen im Rahmen einer Informationsveranstaltung vorgestellt wurden. Die Kappesgärten seien früher als reines Wohngebiet entstanden – und so solle es auch bleiben. Ein naturnaher Erlebnisraum sei die weitaus bessere Lösung, so Müller, der zudem auf die intensive Nutzung des Weges verweist.

Ein vielfältiges Sportangebot sei wichtig und richtig, doch müsse dies alles in Maßen geschehen. Die weitere Versiegelung und Zerstörung von Acker- und Grünflächen im Ballungsraum könne sich Bensheim nicht mehr leisten. Annette Hennemann will nun weitere Unterstützer finden und die Ideen der BI in die Öffentlichkeit tragen. „Wir hoffen dabei auch, das grüne Herz der Bensheimer Sportler zu erreichen.“

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