Bensheim. Mit seinem brandneuen Programm „Yallah Hopp!“ tourt Comedian Bülent Ceylan derzeit durch die Republik. In Mannheim hat er im März vor 10.000 Fans in der SAP-Arena ein ausverkauftes Heimspiel gefeiert.
Und in Bensheim? „Do geht’s in die klää Sporthall!“ Doch vor 3000 Zuschauern in gemütlicher Mehrzweck-Atmosphäre konnte der „Monnemer Türk“ am Freitagabend mehr als sonst auf Tuchfühlung mit dem Publikum gehen: Die kommentierte Kamerafahrt durch die Reihen war einer der Höhepunkte der Show – und das Spontane ist ohnehin die große Stärke des 48-jährigen Komikers, dessen Live-Performance neben dem etwas lieblos abgewickelten Aufmarsch seiner Bühnenfiguren immer wieder von impulsiven Momenten und verbalen Fußnoten genährt wird.
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Nach drei Vorpremieren (ohne Presse) im Februar im kompakten Mannheimer Capitol war Bensheim eine der ersten Stationen auf der aktuellen Tour. Zuletzt gastierte Ceylan 2022 an gleicher Stelle mit „Luschtobjekt“, damals noch im Post-Corona-Modus.
Jetzt sieht der Künstler wieder die Gesichter der Gäste, macht Späße über den provinziellen Status der Stadt und kokettiert mit seinem fortgeschrittenen Alter, das keineswegs erkennbar ist – schon gar nicht auf dem Kopf. Für den seidigen Glanz seiner Haare würden Frauen wohl töten, und für deren Fülle mancher Kerl seine Seele verkaufen.
Es ist komisch, derb und unter der Gürtellinie
Auch im 26. Jahr seiner Bühnenkarriere hat sich der Stil des Spaßmachers nicht wesentlich verändert. Doch klassische Charaktere wie der prollige „Hausschmeeschter“ Mompfred wirken ein wenig entschärft und weniger rotzig als früher. Heute plaudert der Mann mit der Bumbewasserzong über seine Beziehung zu Gattin Waltraud und warum er die Dame nach 30 Jahren vielleicht noch einmal heiraten muss.
Die Liveshow ist eine Art öffentliche Therapie-Couch für eine multiple Bühnenpersönlichkeit. Der Kurpfälzer spielt den Türken und bedient so die Erwartung des Durchschnittsdeutschen, der denkt, dass Türken genauso so sind, wie ihr halb-türkischer Landsmann sie darstellt. Das ist vielleicht die größte Verarsche von allen, die der Comedian in seinem gut zweistündigen Programm in petto hat.
Aber auch italienische Männer (zu kurz gekommen), einfältige Ossis, langfingrige Polen und rechte Nationalisten kommen nicht zu kurz an diesem Abend, an dem Ceylan sich glücklicherweise nicht mit einer übertriebenen political correctness arrangiert. Es ist komisch, derb und unter der Gürtellinie. Als Migrationskind hat er freie Bahn.
Musikalisches Plädoyer für Toleranz und interkulturelle Verständigung
„Ein Albaner braucht zwei Minuten, um ein Auto zu knacken, ein Pole braucht 60 Sekunden. In einem Parkhaus sind 28 Autos, ein Albaner und vier Polen. Wann ist das Parkhaus leer?“ Das ist Mathe-Nachhilfe der anderen Art. „Frage zwei: Wie viele Polen überleben die Aktion?“
Sonst rassistisch, klingt es bei ihm lustig und multikulti. Darüber lachen dürfen alle, die den Weg in die Weststadthalle gefunden und selbige in der Pause auch bereits wieder verlassen haben. Nicht viele, aber ein paar. Böse sein kann man dem Mannheimer aber nicht, dafür ist er viel zu sympathisch.
„Ich liebe Menschen“ titelt sein Hardrock-Studioalbum. Klingt zwar ein wenig wie Stasi-Chef Erich Mielke im November 1989, ist aber eine musikalische Umarmung der Menschheit als Ganzes – egal, welcher Kultur, Herkunft oder sexuellen Orientierung. Ein Plädoyer für Toleranz, interkulturelle Verständigung und ein stärkeres Miteinander.
Positive Vibrationen dominieren auch in Bensheim. Papa Bülent plaudert über den liebevollen Stress mit der eigenen Brut, über seine Kinder-Stiftung und die Kunst, inmitten dieser durchgedrehten Welt einen menschlichen Kurs einzuhalten.
„War schää in Bensem“ dankt Ceylan in der Weststadthalle
Sukzessive schickt Ceylan seine mehr oder weniger komischen Charaktere an die Front: Donnergott Thor mit Hammer und Blondschopf, Assitürke Hasan mit Goldkette und dicker Hose (die Ähnlichkeit mit Apache 207 ist beängstigend), und die snobistische, aber ihre Herkunft ausschwitzende Mannheimer Pelzhändlerin Anneliese, die sich überlegt, wie sie sich von ihrem Mann trennen kann. Dazwischen räsoniert er über sprachliche Ästhetik: Dass Butterfly und Papillon ein so zartes Wesen trefflicher bezeichnen als das konsonantisch harte Schmetterling, und dass die Bezeichnung „Frauenhaus Mannheim“ sein liebstes Oxymoron sei. Sein Monnemer Kumpel Harald denkt laut darüber nach, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zuerst die Nation mit den Maßnahmen gegen die Pandemie aufgewirbelt hat und sich nach der von ihm forcierten Cannabis-Teillegalisierung wohl erst mal eine dicke Tüte dreht.
Bülent Celan selbst bevorzugt Gummibärchen. Das ist Multikulti in einer Tüte. Bunt statt braun. Alle gleich groß und gleich flexibel. Und unten herum nicht auf ein begrenzendes Geschlecht fixiert. „War schää in Bensem“ dankt der Künstler in der tobenden Weststadthalle.
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