Parktheater - Start der Abo-Reihe A mit Büchners Lustspiel "Leonce und Lena"

Bitterböser Abgesang auf die deutsche Kleingeistigkeit

Lesedauer: 

Frisch aufpolierter Klassiker: Das Wiener Tournee-Theater "Der grüne Wagen" war im Parktheater mit Büchners Lustspiel "Leonce und Lena" zu Gast.

© Neu

Bensheim. Georg Büchner war Schriftsteller aus Leidenschaft und Revolutionär aus Überzeugung. Im nächsten Jahr wird der 200. Geburtstags des Dichters, Denkers und Vielschreibers gefeiert, der schon mit 23 Jahren gestorben ist.

Wie kaum ein anderer hat er gegen Machtmissbrauch und Unterdrückung "angeschrieben" und damit zum Aufstand gegen die Obrigkeit aufgerufen. Büchner war ein Autor mit Visionen, der etwas bewegen und verändern wollte und mit messerscharfer Kritik nicht hinter dem Berg hielt.

Eine einzige Komödie, "Leonce und Lena", stammt aus der Feder des Universalgenies, und die ist keineswegs vordergründig besonders lustig, sondern ähnelt eher einer bitterbösen Polit- beziehungsweise Gesellschafts-Satire, in der den Mächtigen die Maske vom Gesicht gerissen wird. Was scheinbar harmlos, unbedarft, scheinheilig, ja sogar strohdumm erscheint, ist in Wirklichkeit ein Abgesang auf die deutsche Kleinstaaterei und Kleingeistigkeit. Man muss nur genau hinhören und hinsehen, und schon sind die Dummköpfe als solche entlarvt.

Büchner stellt die Großkopferten in dem Lustspiel einmal nicht an den Pranger, sie geben sich in dem 1895 uraufgeführten Stück selbst der Lächerlichkeit preis. Ein kecker, unerschrockener Narr zieht dabei im Hintergrund kräftig die unsichtbaren Fäden. Und das Ende vom Lied: Die Jungen, die einstmals aufbegehrten und mit Ungehorsam rebellierten, geraten ins gleiche Fahrwasser wie die, die sie einst verachteten und ignorierten - sobald sie denn das Sagen haben.

Erheiternd und fesselnd

Das Wiener Tournee-Theater "Der grüne Wagen" gastierte zum Start der Abo-Reihe A mit dem frisch aufpolierten Klassiker "Leonce und Lena" im gut besuchten Parktheater. Es bereicherte die Handlung mit kurzen Textpassagen deutscher Dichter und Liedern von Komponisten wie Schubert und Schumann - die zwar alle so im Original nicht vorkommen, das eigentliche Geschehen aber dichter und poetischer werden lassen.

Im Laufe des Abends gelang es dem Ensemble immer besser, das Publikum zu erheitern und gleichzeitig zu fesseln. Nicht nur Bühnenprofi Thomas Stroux als einfältiger König Peter vom Reiche Popo und Petra Liederer als Hofnarr Valerio setzten deftige Akzente und überzeugten durch ihre übersprudelnde Spielfreude.

Auch die Fernseh-Jungstars Ivanka Brekalo in den Titelrollen als Prinzessin Lena vom Reiche Pipi und Christof Arnold als Prinz Leonce vom Reiche Popo hauchten ihren Figuren Leben und Individualität ein. Nichts Aufgesetztes, nichts Falsches war in ihrem Spiel. Brekalo und Arnold, die in mehr als 300, beziehungsweise 500 Folgen der Telenovela "Sturm der Liebe" in den Hauptrollen Emma und Gregor zu sehen waren, haben die Theaterbühne für sich entdeckt.

Zum Inhalt so viel: König Peter ist ein rechter Dummkopf, der nur eins möchte: Denken. An sein Volk erinnert er sich nur - nach längerer Anlaufzeit - mittels eines Knoten im Taschentuch. Prinz Leonce, sein lethargischer, gelangweilter Sohn, verachtet den ganzen Apparatschik am Hof und gibt sich dem "dolce fa niente" hin. Bis der Tag seiner Heirat mit der ihm unbekannten Prinzessin Lena vom Königreich Pipi ansteht. Leonce hat dazu nicht die geringste Lust und flieht zusammen mit dem Hofnarr in Richtung Italien. Auf dem Weg dorthin trifft er "zufällig" Lena, die sich ebenfalls auf der Flucht befindet.

Beide verlieben sich ineinander, ohne zu wissen, dass sie den versprochenen Partner vor sich haben. Als Automaten bis zur Unkenntlichkeit verkleidet kehren sie ins Königreich zurück - immer noch völlig ahnungslos, wer der/die Liebste tatsächlich ist. Erst nach der symbolischen Hochzeit der Ersatz-Royals fallen die Masken. Der vermeintliche Streich der beiden Königskinder entpuppt sich stattdessen als schicksalshafte Verbindung. gs

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

  • Winzerfest Bensheim