Bensheim. Man braucht keine ausgeprägte Fantasie, um sich vorzustellen, was das für eine Winzerfestwoche gewesen wäre: Sonne, spätsommerliche Temperaturen, ein guter Jahrgang im Glas, bestens gelaunte Winzer und kaum Regen. Die Innenstadt wäre voller gewesen als jeder Elektrofachmarkt im Superschlussverkauf. Beim Festzug hätten Zehntausende an der Strecke die Teilnehmer beklatscht, auf dem Rummelplatz hätten Taumler, Karussell und Co. Überstanden machen müssen.
Man braucht aber auch keine ausgeprägte Fantasie, um zu wissen, warum es in den vergangenen neun Tagen zwischen Marktplatz und Storchennest dann doch eher gemäßigt zuging. Die Corona-Pandemie hatte das Bergsträßer Winzerfest in seiner klassischen Form erneut in die Knie gezwungen.
Kein Winzerfest im Kleinformat
Um den Weinbaubetrieben eine Plattform und den Besuchern ein bisschen Abwechslung bieten zu können, hatte der Verkehrsverein die Bensheimer Winzerwoche ins Leben gerufen – ausdrücklich kein Winzerfest im Kleinformat, sondern eine kleine Alternative mit dem erweiterten Weingarten auf dem Marktplatz sowie ein paar Fahrgeschäften und Ständen auf dem Beauner Platz.
Nach dem Winzerfest dehaam im Jahr 2020 mussten die Verantwortlichen damit erneut improvisieren. Die Digitalversion war allerdings sowohl kostspielig als auch aufwendig in der Umsetzung und für 2021 keine Option mehr. Auch wenn es dafür viel Lob und Anerkennung gegeben hatte. In diesem Jahr war der Aufwand jedoch ebenfalls nicht zu verachten, das Hygienekonzept musste behördlich abgestimmt und punktgenau in die Praxis umgesetzt werden, was kurz vor der Eröffnung durch steigende Fallzahlen die Lage nicht vereinfachte. Hinzu kam, dass sich nicht alle mit dem Konzept (3G-Regel, Reservierungsgebühr) anfreunden wollten. Was letztlich auch niemand musste, schließlich bestand ja kein Zwang zum Besuch der Veranstaltung.
Das Fazit des Verkehrsvereins fiel am Montag jedenfalls positiv aus. „Wir sind sehr zufrieden und froh, dass wir überhaupt etwas anbieten konnten“, erklärte Thomas Herborn, geschäftsführender Vorsitzender des Verkehrsvereins, auf Nachfrage. Die Winzerwoche bezeichnete er als „Schritt in die richtige Richtung.“ Für den Vorstand sei schnell klar gewesen, dass man nach dem Aus für das Winzerfest dennoch etwas machen wolle. „Immer unter dem Vorbehalt der dann gültigen Corona-Regelungen“, so Herborn. Deshalb habe es im Vorfeld auch Abstimmungsgespräche mit den städtischen Ordnungsbehörden, dem Gesundheitsamt und der Polizei gegeben.
Die viele Arbeit der Beteiligten hat sich nach Ansicht des Vorsitzenden gelohnt. Die Winzer seien mit dem Umsatz im Weingarten auf dem Marktplatz sehr zufrieden. „Es musste mehrfach Wein bei ihnen nachgeordert werden.“ Die Kalkgasse rosé des städtischen Weinguts habe ganz oben auf der Beliebtheitsliste gestanden.
Die Weinproben stießen ebenfalls auf großes Interesse und seien sehr gut bei den Teilnehmern angekommen. Vor allem die persönliche Atmosphäre der Corona-bedingt kleinen Runden wurde als Vorteil empfunden. Lediglich an einem Tag fiel die Verköstigung mangels Anmeldungen aus. Gastronom Matthias Herrmann, der mit seinem Team für die Umsetzung verantwortlich zeichnete, bekam vom Verkehrsverein ebenfalls ein Lob. „Sie haben alles im Griff gehabt, an den Eingängen kam es nie zu größeren Schlangen. Das hat gut funktioniert.“ Herrmann selbst durfte sich wiederum über gute Besucherzahlen freuen, an vielen Tagen waren die Tische ausgebucht.
Von den Schaustellern auf dem Beauner Platz kam nach Auskunft von Thomas Herborn ebenfalls eine positive Rückmeldung, obwohl man ab dienstags den Einlass und die 3G-Regel kontrollieren musste. „Da war ordentlich was los, vor allem Familien mit kleineren Kindern haben das Angebot genutzt.“ Keine besonderen Vorkommnisse über die neun Tage meldeten sowohl Polizei als auch der private Sicherheitsdienst, den der Verkehrsverein engagiert hatte. Es habe keine größeren Probleme gegeben. Die vorab befürchteten Massenaufläufe in der Fußgängerzone blieben aus, „auch wenn gut was los war“, meinte Herborn. Vom traditionellen Winzerfest-Gedränge war man jedoch weit entfernt, „das hat sich gut verteilt in der Innenstadt“.
Thema Weihnachtsmarkt
Herborn dankte seinen Mitstreitern in der eigens gegründeten Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Verkehrsvereins und Winzern für die Vorbereitung und den Einsatz. Trotz allem geht der Verein mit einem einkalkulierten Minus aus der Winzerwoche, weil auf Buchtenpacht und Standgebühren verzichtet wurde.
Ausgaben hatte man dennoch, unter anderem für die Security, das DRK und die zusätzlichen Toiletten. Darüber hinaus gab es eine finanzielle Unterstützung für die Aktion „Bergstraße leuchtet“, die am Freitag und Samstag den Kirchberg wunderbar illuminierte. „Ein Ersatz für das ausgefallene Feuerwerk“, erklärte der Vorsitzende.
Eine Prognose zum Winzerfest 2022 will er heute noch nicht abgeben. Immerhin steht, wie jedes Jahr, das Datum bereits fest. Vom 3. bis 11. September könnte gefeiert, angestoßen, beim Umzug mitgefahren oder könnten auf dem Rummel die Fahrgeschäfte unsicher gemacht werden, sofern die Pandemie mitspielt.
Wobei Thomas Herborn ein mögliches nächstes Winzerfest zwar im Hinterkopf hat, aber weitaus mehr Aufmerksamkeit genießt eine andere Veranstaltung: der Weihnachtsmarkt. „Den haben wir nicht abgeschrieben. Aber auch hier gilt: Wir müssen schauen, was unter den Vorgaben machbar ist.“
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