Corona-Pause? Ist Schnee von gestern, vor allem am Ende eines langen, heißen Sommers. Die Teilnehmer des Festzugs sind selbstredend in Bestform und liefern ab. Trommelnd, winkend, Süßigkeiten werfend, hüpfend, singend. Was man eben so macht, wenn die Bundesstraße zum Laufsteg wird und man die Fans an der Strecke nicht enttäuschen will.
Winzerfest ist schließlich nur einmal im Jahr, wobei auch dieses ungeschriebene Gesetz bekanntlich nicht mehr in Stein gemeißelt ist. Und so laufen sie nun wieder, die bunten Fußgruppen, Festwagen und Musikkapellen. Zwar ein paar Nummern kleiner als vor der Pandemie, dafür gewohnt lautstark, kreativ und mit viel lokalem Esprit.
Die Bergsträßer Gebietsweinkönigin Stefanie Kippenhan und die Bensheimer Blütenkönigin, stilecht Rosen verteilend, führen eine lange Reihe von Regentinnen an, die mit der Sonne um die Wette strahlen. Gute Laune vermitteln auch Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert und Bürgermeisterin Christine Klein auf dem Festwagen der Partnerstädte, die den europäischen Zusammenhalt in schwierigen Zeiten beschwören.
Der Verein Sterntaler weist unterhaltsam darauf hin, dass in den Drachenbergen beim Baden mit Sonne und Drachengas geheizt wird, nachhaltiger geht es vermutlich kaum – und bedient das diesjährige Motto: „Die Sonne im Glas, zum Wohl und viel Spaß“ haben die Verantwortlichen im Verkehrsverein zusammengereimt.
Der Katholische Kirchenmusikverein Fehlheim nutzt die große Bühne für Kritik am Sparzwang der Kirche und dem möglichen Verkauf des Pfarrzentrums, seit 50 Jahren Heimstätte des Vereins. Eine Kostprobe ihres Könnens gibt es selbstredend auch. Ohnehin sind es die vielen Spielmannszüge und Musikgruppen, die den Takt vorgeben und Schwung in die Veranstaltung und die Publikumsbeine bringen. Und sie setzen optische Ausrufezeichen, wie der Musikverein Auerbach als Blue Man Group.
Aber auch sonst finden sich einige Hingucker. Landrat Christian Engelhardt schippert auf dem schaukelnden Kahn der Auerbach Kerb passgenau grob Richtung Heppenheim, der ehemalige Bürgermeister Rolf Richter kutschiert in der Uniform von Oald Bensem die neu angeschaffte Kanone der Heimatvereinigung. Die Fraa vun Bensem grüßt wie immer standhaft, aber nicht von oben herab „ihre“ Bensheimer und die Gäste.
Die Fastnachter – von der BKG über die Grieseler Rote Funken bis hin zum Team der Frauenfastnacht ganz in Pink – erinnern daran, dass der 11.11. nicht mehr allzu fern ist und sie nicht verlernt haben, wie man Stimmung in die Bude oder auf die Straße kriegt.
SSG mit den meisten Teilnehmern
Die Hochstädter Vereine präsentieren sich als starke Gemeinschaft mit der Tour der Hoffnung, die SSG Bensheim als Gesamtkunstwerk mit den meisten Teilnehmern und die Ringer des KSV veranstalten maskiert ein Affentheater – weil sie nach eigenem Bekunden zu viel Sonne im Glas hatten.
Die Zeller und nachfolgend die Gronauer Kerwejugend hüpfen nach der pandemischen Auszeit noch genauso wie davor. Gleiches gilt für die KJG, denen das Party-Gen ebenfalls nicht verloren gegangen ist. Als Herren, Damen, Jungs und Mädchen der fliegenden Bälle zeichnen sich wie immer die Basketballer des VfL und die Volleyballer der TSV aus. Spektakulär auch die Fechtduelle der SSG-Musketiere oder die Motorradstunts des AC Bensheim.
Nach etwas mehr als einer Stunde hat man Gewissheit: Der Winzerfest-Umzug hat ein würdiges Comeback gefeiert. Großen Anteil am reibungslosen Ablauf haben wie immer der Festzugsausschuss des Verkehrsvereins sowie die Einsatzkräfte und Rettungsdienste. Polizei, Feuerwehr, THW und das DRK sichern aufwendig die Strecke.
Mit der Kehrmaschine des Bauhofs, immerhin ebenfalls eine offizielle Zugnummer, verabschiedete sich der Festzug von seinen Fans und die Zuschauer-Karwane zieht weiter in die Fußgängerzone. Nach zwei Jahren herrscht doch etwas Nachholbedarf.
Info: Fotostrecke im Internet unter bergstraesser-anzeiger.de
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