Bensheim. Die Hochphase der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts, Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs, italienische Gastarbeiter, die in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre den steigenden Bedarf an Arbeitskräften deckten, der Fall der Mauer und die Fluchtmigration aus Krisengebieten – seit vielen Jahrzehnten ist Deutschland aus den unterschiedlichsten Gründen ein Zuwanderungsland.
Das bringt Konflikte mit sich, denn viele der 11,4 Millionen Ausländer in Deutschland kommen aus einem anderen Kulturkreis, haben andere Lebensweisen und Weltanschauungen und die Lebensformen unterscheiden sich deutlich. Wer auf Dauer und rechtmäßig in Deutschland leben möchte, muss sich in die Gesellschaft integrieren. Das ist ein komplexer Prozess, in dem beide Parteien gefordert sind – der Zuwanderer ebenso, wie die Aufnahmegesellschaft.
Der Staat unterstützt diesen Prozess mit umfassenden Integrationsangeboten, denn von alleine kann sich ein von Respekt, gegenseitigem Vertrauen, Zusammengehörigkeitsgefühl und gemeinsamer Verantwortung geprägtes Zusammenleben nicht entwickeln.
In Bensheim ist dieser Integrationsprozess schon sein vielen Jahren im Gang. Zum Teil wurde er von den hier lebenden Migranten selbst angestoßen, wie beispielsweise bereits vor fünf Jahren von der Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), die in die Bashier-Moschee zu einem Integrations-Workshop eingeladen hatte.
Auch Bensheim hat sich schon seit langem für ein Miteinander auf den Weg gemacht. Seit 14 Jahren engagiert sich der ehrenamtliche Integrationsbeauftragte Manfred Forell auf vielfältige Weise, die Integration in Bensheim voranzubringen. Daraus ist vieles entstanden: Seit 2008 das alljährliche Interkulturelle Fest und seit 2009 die Integrationslotsen. 2013 war Forell einer der vier „Bensheimer Botschafter“, die an der Integrationskonferenz des Bundes teilnahmen. 2014 ist die Stadt der Unternehmensinitiative Charta der Vielfalt beigetreten. Ein weiterer wichtiger Baustein wurde in diesem Jahr mit dem Start zur Erstellung eines städtischen Integrations- und Vielfaltskonzepts angestoßen.
Auftakt war im Juli mit der ersten Bensheimer Vielfalts- und Integrationskonferenz im Auerbacher Bürgerhaus Kronepark. Mit dabei waren rund 50 Bürgerinnen und Bürger, die sich ehrenamtlich in Religionsgemeinschaften, Vereinen, Organisationen oder der Kommunalpolitik engagieren. Sie legten mir ihren Anregungen, Ideen und Wünschen die Grundlage für eine Strategieklausur, in der von den Verantwortlichen der Stadt die Ergebnisse der Konferenz ausgewertet und die weitere Vorgehensweise geregelt wurde.
Es wurden vier Workshops mit den Themenbereichen Stadtgesellschaft, Arbeit und Soziales, Bildung und Sprache sowie Vielfalt terminiert und über 250 Einladungen verschickt. Zwar ist die Teilnahme an den Workshops aufgrund der aktuellen Pandemielage noch gewissen Regeln (Anmeldung, Infektionsschutz, Teilnehmerbegrenzung) unterworfen, aber bisher gab es immerhin 80 Rückmeldungen.
Workshop-Auftakt im Kolpinghaus war am Dienstag mit dem Themenbereich „Stadtgesellschaft“. Zusammen mit dem Integrationsbeauftragten Manfred Forell, Peter Anstätt und Natalia Rathke vom städtischen Team Integration und Vertretern der Bensheimer Flüchtlingshilfe wurden von den Teilnehmern Ziele und mögliche Maßnahmen auf den Weg dahin erarbeitet. Moderiert wurde der Workshop, wie auch die folgenden, von Ole Ringmann von der Firma „IMAP – change&culture“, die den gesamten Prozess begleitet.
Aus den Vorschlägen wurden vier Ziele ausgewählt, die in der zweiten Arbeitsphase konkretisiert wurden. Es ging dabei um mehr Begegnungsräume, feste Ansprechpartner und eine bessere Vernetzung der jeweiligen Gruppen. Das betraf insbesondere auch die verschiedenen Religionsgemeinschaften beim vorgeschlagenen Rat der Religionen.
Beim Gremium für Jugendliche wurde auch darauf verwiesen, den Jugendlichen Aufgaben und Verantwortung zu übertragen. Auch das Frauenschwimmen wurde wieder thematisiert und hier ein ganzjähriges Angebot gewünscht, das Frauen jeder Nationalität und jeden Alters einmal pro Woche das Schwimmen unter sich ermöglicht.
Die in den vier Workshops erarbeiteten Ziele und Maßnahmen fließen dann in das Vielfalts-Konzept ein, das im Dezember vorgestellt werden soll. Nach dem Workshop Stadtgesellschaft und dem Workshop Arbeit und Soziales, sind die beiden letzten Workshops in der übernächsten Woche dran. Am Dienstag, 5. Oktober, geht es um Bildung und Sprache, am Mittwoch, 6. Oktober, um Vielfalt. Beide Workshops finden im Kolpingsaal von 18 bis 21 Uhr statt.
Für beide können sich Interessierte beim Team Soziales und Integration noch anmelden. Entweder telefonisch unter 06251/14209 oder 14185 oder per E-Mail unter integration@bensheim.de.
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