Ukraine

Bensheimer Vereine leisten wertvolle Ukraine-Hilfe

Von 
Dirk Rosenberger
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Willkommenspakete im Zeltdorf: Die Vereine Wir sind Bergstraße und Tour der Hoffnung verteilten am Donnerstag Süßigkeiten an Geflüchtete. © Zelinger

Bensheim. Ausruhen und die Beine hochlegen? Das gehört nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen der ehrenamtlichen Helfer von Wir sind Bergstraße und Tour der Hoffnung. Mitglieder der beiden Bensheimer Vereine organisieren in einer erfolgreichen Kooperation seit Wochen Hilfslieferungen für die Menschen in der Ukraine und für Geflüchtete, die in der Region Zuflucht gesucht haben.

Durch ihren ehrenamtlichen Einsatz und die hohe Spendenbereitschaft von Privatpersonen, Firmen, Institutionen oder anderen Vereinen konnten mehrere Transporte auf den Weg gebracht werden – zuletzt vor knapp einer Woche. Ludwig März und Stefan Hehn von der Bensheimer Sektion der Tour der Hoffnung fuhren mit einem 7,5-Tonner nach Przemysl an der polnisch-ukrainischen Grenze. Auf der Ladefläche: 13 Paletten mit haltbaren Lebensmitteln, Hygieneartikeln und jeder Menge Matratzen. „Die gehen direkt an die Front, für die Soldaten. Damit sie nicht auf dem Boden schlafen müssen“, erklärte Jürgen Pfliegensdörfer, zweiter Vorsitzender der Tour der Hoffnung, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Medikamente und Krücken

Ebenfalls gesammelt und ausgeliefert wurden dieses Mal Medikamente, Verbandsmaterial, Krücken, Rollstühle, Decken, chirurgische Ausrüstung und zwei Ultraschallgeräte für ein Kinderkrankenhaus in Kiew. Die Ärzte dort hatten eine Liste erstellt, der Bedarf ist verständlicherweise groß, die Not in der Hauptstadt ebenso. Kontakte hatten die Vereinsmitglieder bei den früheren Besuchen geknüpft, mittlerweile befindet man sich im wöchentlichen Austausch.

Logistisch haben die engagierten Macher von der Bergstraße ein Unternehmen auf die Beine gestellt, das nahezu professionellen Ansprüchen genügt. Gesammelt wird, wie mehrfach berichtet, in einer Halle der Firma Sartorius in Bensheim. Von dort starten die Lkw ins Grenzgebiet.

In Przemysl wurden die Güter aus- und in Bahnwaggons verladen – Ziele waren Kiew, Charkiw und auch die von der russischen Armee bis auf das Stahlwerk Asowstal eingenommene Stadt Mariupol. „Wenn der Korridor dorthin offen ist. Den Menschen fehlt es unseren Informationen nach an allem. Nahrungsmittel, Wasser, Erste-Hilfe-Sets, alles Mangelware“, erklärte Bianca Scholz, Vorsitzende des Vereins Wir sind Bergstraße.

Erschwert werden die Transporte durch die Angriffe auf die Infrastruktur. In den vergangenen Tagen nahmen die Truppen vornehmlich Bahnhöfe und Eisenbahn ins Visier. „Notfalls muss dann umgeladen werden auf Kleintransporter, die dort über Land fahren“, zeigte Pfliegensdörfer eine zeitraubendere Alternative auf. Bisher laufe aber alles stabil.

Die Fahrer der aktuellen Tour, März und Hehn, hätten auch keine größeren Probleme bei der An- und Abreise gehabt. Mittlerweile sind sie wieder zu Hause angekommen. Grundsätzlich müsse man bei solchen Touren aber mit allem rechnen, wirklich gradlinig verlaufe es selten. „Da braucht es manchmal etwas Abenteuergeist“, meinte der stellvertretende Vorsitzende.

Er bestätigte die Beobachtungen und Meldungen der vergangenen Wochen: Im Grenzgebiet halten sich so gut wie keine Geflüchteten mehr auf, vielmehr kehrten viele Ukrainer bereits wieder in ihr Heimatland zurück, entweder um beim Kampf und dem möglichem Wiederaufbau zu helfen oder weil in ihren Regionen zumindest dem Anschein nach die Gefahr überschaubarer ist. Hilfslieferungen in polnische Städte seien deshalb nicht mehr geplant, die Spenden gehen direkt weiter in die Ukraine. Eine Ausnahme bildet ein Kinderheim, in dem nach wie vor geflüchtete Kinder ankommen und das auf Unterstützung angewiesen ist.

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Trotz allem treffen auch an der Bergstraße noch Menschen ein, die ein Dach über dem Kopf benötigen – wenngleich die Zahlen beherrschbarer erscheinen als zu Beginn des Krieges prognostiziert. Im Bensheimer Zeltlager auf dem Festplatz am Berliner Ring, ausgerichtet für 1000 Personen, sind seit vergangenem Donnerstag die ersten Ukrainer untergekommen. Knapp 100 zogen von der Lorscher Werner-von-Siemens-Sporthalle um, 33 weitere kamen mit dem Bus aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen.

Begrüßt wurden sie von einer Abordnung beider Vereine, die Schokolade vorbeibrachten und ein Kontaktformular mit QR-Code. „So können die Bewohner des Zeltdorfs, wenn sie das möchten, uns schreiben, wie es ihnen geht und was ihnen fehlt“, erläuterte Scholz. Den QR-Code hatten sie außerdem auf die Kisten des jüngsten Hilfstransporters geklebt, um eventuell direkt Rückmeldungen zu erhalten.

Die guten Ideen dürften den engagierten Ehrenamtlichen demnach nicht so schnell ausgehen. Zumal sie ohnehin trotz aller Herausforderungen nicht nachlassen wollen. „Wir geben nicht auf, selbst wenn es schwieriger werden sollte. Wir können immer noch nachlegen“, fasste Jürgen Pfliegensdörfer die Stimmungslage zusammen.

Hilfe jederzeit willkommen

Wer die Gruppe unterstützen möchte, ist jederzeit willkommen. Spenden können immer mittwochs und freitags von 17 bis 18 Uhr in die Lagerhalle der Firma Sartorius in der Elbinger Straße 12 in Bensheim gebracht werden. Wer an diesen Tagen oder zu der Uhrzeit nicht kann, soll sich mit den Verantwortlichen unter der Handynummer 0171/9517657 in Verbindung setzen, um eine individuelle Lösung zu besprechen. Auch bei Rückfragen, was benötigt wird, kann man sich unter dieser Nummer melden.

Zurzeit gehen die Frauen und Männer davon aus, Mitte/Ende Mai den nächsten Lastwagen gen Osten auf Reisen schicken zu können. Bis dahin will man die Bestände wieder aufgestockt und die Liste aus der Ukraine abgearbeitet haben. Aber nicht nur für die Kriegsgebiete, auch für die Bedürfnisse der Geflüchteten in Bensheim und Umgebung werden nach wie vor Sach- und Geldspenden gesammelt.

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