Erdbebeneinsatz

Bensheimer THW-Helfer rettete eine Frau in der Türkei

Der Bensheimer THW-Helfer Oliver Schweikart war mehrere Tage im türkischen Erdbebengebiet im Einsatz. Dabei konnte er einer 88 Jahre alten Frau aus den Trümmern eines Hauses helfen.

Von 
Jeanette Spielmann
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Oliver Schweikart vom Bensheimer THW-Ortsverband war in der türkischen Erdbebenregion im Einsatz. Nach seiner Rückkehr sprach er über die Bedingungen vor Ort und die Rettung einer 88 Jahre alten Frau. © Thomas Zelinger

Bensheim. Unabhängig von der hohen Professionalität und den besonderen Herausforderungen in einem Erdbebengebiet, war der jüngste Einsatz der THW-Helferinnen und Helfer auch von großer Emotionalität geprägt. Nicht nur nach der Rettung einer 88-jährigen Frau am sechsten Tag nach dem Erdbeben aus den Trümmerbergen, sondern auch bei der Rückkehr der Einsatzkräfte auf dem Flughafen Köln-Bonn.

Dort wurden die Helferinnen und Helfer von der türkischen Gemeinschaft begrüßt und mit Rosen und Dank überschüttet. Sie hätten „nicht nur die Steine, sondern die ganze Welt bewegt“, war auf den an die Blumen angehefteten Kärtchen zu lesen. Aber auch THW-Präsident Gerd Friedsam wusste, was seine Einsatzkräfte geleistet haben: „Mit ihrem Einsatz in der Türkei haben die SEEBA-Einsatzkräfte vor Ort lebenswichtige Unterstützung geleistet. Ich bin stolz auf die Leistung der Helferinnen und Helfer.“

Die Tasche ist immer gepackt

Einer dieser Helfer war Oliver Schweikart vom Bensheimer Ortsverband des Technischen Hilfswerks. Er ist Teil dieser Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland, die sich aus Einsatzkräften aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zusammensetzt. Nach dem Erdbeben am frühen Morgen des 6. Februar erreichte ihn die Alarmierung nur wenige Stunden später um 2.50 Uhr.

Schweikart war zu diesem Zeitpunkt aber nicht zu Hause, sondern in Wesel, wo er für das THW die Abschlusspräsentation eines Forschungsprojektes vorbereitete, die am Tag darauf gezeigt werden sollte. Bei dem Projekt geht es um neu entwickelte Technologien für Ortungs- und Rettungseinsätze. Doch dazu kam es nicht, denn jetzt setzte sich das aus dem Emblem des THW bekannte Zahnrad in Gang.

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Schweikart informierte seine Frau und seinen Arbeitgeber darüber, dass er nicht kommen werde und bat seine THW-Kollegen in Bensheim, seine immer einsatzbereite Tasche und den Rucksack mit allen wichtigen Papieren von zu Hause abzuholen und zum Treffpunkt in Rüsselsheim zu bringen. Von Rüsselsheim ging es dann zum Flughafen Köln-Bonn (auf Rhein-Main sind nachts keine Starts möglich), von wo das 50-köpfige SEEBA-Team, darunter auch vier Einsatzkräfte aus Viernheim, in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Richtung Türkei startete.

Mit dabei waren vier ausgebildete Rettungshunde sowie 16 Tonnen Material, die es ermöglichen, dass das Team zehn Tage lang autark vor Ort arbeiten kann. Auch akustische Ortungsgeräte sowie technische Bergungsgerätschaften gehören zur Ausstattung.

„Das autarke Camp ist wichtig, um die Kräfte vor Ort nicht zusätzlich zu belasten“, weiß Schweikart. Bei allem Verständnis für Menschen, die helfen wollen, warnt er vor dieser Spontanität. In einem Erdbebengebiet sei die Infrastruktur zerstört und Fragen nach Unterkunft oder anderen Versorgungseinrichtungen seien dann eher störend.

Beim Beseitigen der Trümmer eine Stimme gehört

Nach ihrer Ankunft in Kirikhan unterstützten die THW-Helfer zunächst die Einsatzkräfte von ISAR Germany bei der Lebendrettung einer 40-jährigen Frau, die aber leider am nächsten Tag im Krankenhaus verstarb.

Neben der Übernahme der Koordination der Einsätze, bei der auch die im Team vorhandenen Bauingenieure sehr hilfreich waren, kam es am 11. Februar zu einer weiteren Lebendrettung. Ein türkischer Baggerfahrer, der dabei war, Trümmerteile zu beseitigen, hatte eine Stimme gehört, die zunächst einem jungen Mädchen zugeordnet wurde. Die angeforderten THW-Helfer konnten mit Hilfe von Dolmetschern dann eine 88-jährige Frau identifizieren, die mit dem Einsatz von Oliver Schweikart mit großen Mühen schließlich aus den Trümmern befreit werden konnte.

Dazu mussten vorher die ebenfalls gefundenen Leichen geborgen und mit Hilfe eines Spreizers Trümmerteile angehoben und Platz geschaffen werden, um die Frau herausziehen zu können. Dazu nutzte Schweikart ein flaches Bord, mit dem er sich bis zu der Verschütteten vorarbeitete. Von weiteren Helfern ließ er sich dann an den Füßen wieder herausziehen, um die Frau auf das Bord zu ziehen und sie so dann herausholen zu können.

Die Freude und der Dank waren sehr groß

Danach waren bei allen Helfern auf dem Trümmerhaufen die Freude und der Dank sehr groß, wobei Schweikart vor allem den Baggerfahrer hervorhob, der die Stimme gehört hatte. Nachdem sichergestellt war, dass die Frau in einem richtigen Krankenwagen transportiert wurde, um zu vermeiden, dass sie nach über 130 Stunden unter Umständen noch an einem Nierenversagen verstirbt, stellte sich bei dem Bensheimer THW-Helfer Erleichterung ein, zumal er später hörte, dass es der Frau gut gehe.

Nachdem die Frau auf dem Weg ins Krankenhaus war, war auch der zuvor volle Trümmerhügel leer. Beeindruckend für Schweikart war ebenso die absolute Stille während des Rettungseinsatzes, die auf die vorher sehr lauten Geräusche durch Geräte und Personen gefolgt war. Beim Abtransport der Geretteten über den unwegsamen Trümmerhaufen sorgte ein langes und enges Spalier aus Helfern dafür, dass die Einsatzkräfte mit der Trage nicht stürzten.

Internationale Dimension der Rettungsaktion

Aber natürlich gab es auch weniger schöne Erlebnisse. So wurde nach zweijährigen Zwillingen gesucht, nachdem ein Rettungshund angeschlagen hatte. Doch auch nach langer Suche hatte man nichts gefunden und nachdem der Rettungshund nicht mehr angeschlagen hatte, musste man die Suche einstellen.

Diese enorme Rettungsarbeit, die im Einsatz geleistet wird, ist zum einen dem ausgeschütteten Adrenalin zu verdanken, denn an Schlaf stehen den Helfern maximal vier bis sechs Stunden zur Verfügung. Hilfreich dabei ist aber die mitgeführte sehr kalorienreiche Nahrung, die den hohen Energiebedarf ausgleicht.

Oliver Schweikart wies im Pressegespräch zusammen mit dem stellvertretenden Ortsbeauftragten des THW Bensheim, David Wellenreuther, außerdem auf die internationale Dimension der Rettungsaktion hin. In dem Einsatzgebiet, das fast die Größe der Bundesrepublik hat, waren 38 Teams aus 29 Mitgliedstaaten der EU mit 1609 Personen im Einsatz. Dazu kamen 50 Teams aus weiteren Ländern.

„Einsätze mit der SEEBA sind eher selten“, erinnert sich der Bensheimer THW-Helfer an seinen letzten Einsatz 2020 in Beirut, als es dort im Hafenbereich zu einer Explosion gekommen war. Anders als jetzt in der Türkei, wo mehrstöckige Häuser wie ein Kartenhaus zusammengefallen sind, standen dort die Häuser noch, doch waren ihre „Innereien“ durch die Explosion weggefegt worden.

Auch wenn sich durch die Schilderung von Oliver Schweikart die Dimension der Einsatzleistung nur in Ansätzen erahnen lässt, erfüllt es doch mit großem Respekt vor dem ehrenamtlichen Engagement. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann den Ortsverband Bensheim jeden Donnerstag ab 17.30 Uhr in der Unterkunft an der Lahnstraße besuchen.

Eine weitere Möglichkeit ist das Familienfest immer an Fronleichnam, zu dem der Ortsverband am 8. Juni wieder einlädt.

Freie Autorin

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