Bensheim. Die Bensheimer müssen weiterhin auf ihre Stadtbücherei verzichten. Wegen eines Wasserschadens (wir haben berichtet) bleibt die Einrichtung geschlossen. Wann wieder Bücher ausgeliehen oder zurückgebracht werden können, lässt sich nach Angaben der Verwaltung nicht abschätzen.
„Eine Aussage zu einer möglichen Zeitschiene kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden“, hieß es auf Nachfrage aus dem Rathaus. Die aktuelle Sprachregelung lautet daher: „geschlossen auf unbestimmte Zeit“. Die Nutzer werden gebeten, ihre Ausleihen bis zunächst 30. September zu behalten. Kosten entstehen ihnen nicht.
Ob die Bibliothek, die sich im Neumarkt-Komplex befindet, überhaupt dort wiedereröffnet, scheint darüber hinaus ungewiss. Es werde geprüft, ob und inwieweit die Räumlichkeiten für eine zukünftige Nutzung weiter in Frage kommen, so die Rathausspitze.
Bauliche Mängel
Diese zumindest für die Öffentlichkeit etwas überraschende Entwicklung hängt allem Anschein nach nur indirekt mit dem Wasserschaden zusammen, der vor zehn Tagen entdeckt wurde und auf einen technischen Defekt eines Boilers in der darüber liegenden Wohnung zurückzuführen ist.
Da bauliche Mängel bestehen, werde die Zeit der Schließung genutzt, wichtige Prüfungen und Messungen bezüglich der Raum-Luft-Qualität durchzuführen. Baudezernentin Nicole Rauber-Jung stehe mit der Bauaufsicht des Kreises im Austausch hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit des Gebäudes.
Der Eigentümer sei in der Vergangenheit seitens der Verwaltung und der Stadträtin Rauber-Jung mehrfach zur Nachbesserung und Vertragskonformität aufgefordert worden. Auf bauliche Mängel sei er als Verantwortlicher für deren Behebung vermehrt hingewiesen worden. „Da die Stadtverwaltung einen Mietvertrag mit ihm hat, unterliegt sie seiner Reaktion – ohne das Mitwirken des Eigentümers ist eine Maßnahmenumsetzung nicht möglich“, betonte die Verwaltung auf Anfrage dieser Zeitung.
Bekanntlich gehört die Immobilie der Blackrock Real Estate GmbH aus Darmstadt, die auf dem Gelände den Abriss der Markthalle und der Häuserzeile entlang der Promenadenstraße plant. Der momentan vom Wasserschaden betroffene Teil des Ensembles bliebe bestehen. In einem Neubau auf dem dann freigeräumten Grundstück sollen dann Wohnungen entstehen, die Stadtbücherei wäre, so war es zumindest mal angedacht, ebenfalls in den neuen Gebäudeteil gezogen.
Auf Nachfrage zum Sachstand für das Großprojekt hält man sich im Rathaus bedeckt. Die Verwaltung sei in Abstimmungen mit dem Eigentümer. Die Architekten arbeiten „weiterhin an der Ausarbeitung der Entwürfe. Eine Aussage zur Terminierung für die Umsetzung des Projekts kann derzeit nicht getroffen werden.“
Gleiches gilt im Übrigen für den Sanierungsaufwand in der Stadtbücherei. Wie groß dieser ist, könne aktuell nicht gesagt werden. Ein Großteil der Decke im Obergeschoss wurde durch das sich schnell ausbreitende Wasser stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Bücher- und Medienbestand der Bibliothek sei durch das schnelle Eingreifen des Teams allerdings weniger betroffen. Dennoch mussten einige Bücher punktuell zum Trocknen ausgelagert werden.
„Der Schaden trifft uns sehr – nicht zuletzt, weil es seit 2011 immer wieder zu Wasserschäden in der Bibliothek gekommen ist. Derzeit können wir noch nicht absehen, wie schnell und mit welchen Mitteln der aktuelle behoben wird“, erklärte Bürgermeisterin Christine Klein, die sich beim Mitarbeiterteam für das schnelle Eingreifen und Handeln bedankte.
Dem Eigentümer habe man den Schaden schriftlich gemeldet. Ob dieser seine Versicherung unterrichtet habe und diese den Schaden übernehme, diese Information liege der Verwaltung zum aktuellen Zeitpunkt nicht vor. Weil eine Nutzung nicht möglich ist, wird immerhin eine Mietminderung geprüft.
Losgelöst von den finanziellen Aspekten befindet sich die Verwaltung nach eigenen Angaben auf der Suche nach Ausweichmöglichkeiten. Während der Prüfung können aber auch hier „zum aktuellen Zeitpunkt keine Details genannt werden“.
Zumal es in der Innenstadt schon ein kleines Wunder wäre, zeitnah eine Unterkunft zu finden, die groß genug wäre, um die Stadtbücherei aufzunehmen. Vor dem Umzug in den Neumarkt war die Bücherei in der Alten Post an der Darmstädter Straße untergebracht. In nicht ganz so grauer Vorzeit hatte die Einrichtung außerdem schon im Haus am Markt (bekanntlich abgerissen) und in der Alten Faktorei ein Zuhause.
Zuletzt musste die Bibliothek, die sich nicht nur bei Bensheimern großer Beliebtheit erfreut, 2017 von Ende Juli bis Mitte September zwangsläufig pausieren. Damals platzte ebenfalls in einer Wohnung im zweiten Obergeschoss ein Panzerschlauch zur Spülmaschine. Über Nacht fluteten 13 000 Liter Frischwasser zunächst die Wohnung und später beide Etagen der Bücherei.
Weil der Mieter Nachtschicht hatte, bekam zunächst niemand etwas mit. Wochenlang war an einen geregelten Betrieb nicht zu denken. Estrich, Dämmung und Wände mussten aufwendig getrocknet werden. 1000 Medien im Gesamtwert von rund 11 000 Euro landeten wegen der Gefahr von Schimmelbildung im Müll.
Sechs Jahre später scheint der Wasserschaden offenbar nicht ganz so massiv, die Frage nach der Zukunft der Stadtbücherei im Neumarkt aber wohl offener denn je. Jedenfalls hat die Stadt nun eine weitere Baustelle auf ihrer nicht besonders kurzen Liste an Baustellen im Innenstadtbereich, inklusive eines nicht von der Hand zu weisenden Zeitdrucks.
Auch wenn die Rathausspitze auf das Mitwirken von Bauaufsicht und Eigentümer angewiesen ist, braucht es für die Bibliothek eine vernünftige und dennoch zügige Lösung.
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