Bensheim. Waren in den letzten Jahren das schon zur Römerzeit bedeutende Ladenburg am Neckar, der tausendjährige Kaiserdom St. Peter in Worms und das Benediktinerstift Neuburg bei Heidelberg, einzige noch bestehende Lorscher Klostergründung, Ziele der Seniorenausflüge, so fuhren in diesem Jahr 50 Seniorinnen und Senioren aus den beiden Weststadtgemeinden und von Sankt Georg in die frühere freie Reichsstadt Oppenheim am Rhein.
Schon von Weitem grüßt die evangelische Katharinenkirche, der bedeutendste Kirchenbau der Gotik am Rhein zwischen Straßburg und Köln. In zwei Gruppen erfuhren die Senioren alles Wichtige über den Gründungsbau, den gotischen Chor, das Quer- und Langhaus mit Vierungsturm und den Westchor.
Von Goethe gerühmt
Zu den besonderen Schätzen der Katharinenkirche gehören die Farbverglasungen, die wegen ihrer Qualität seit der Barockzeit und später von Goethe gerühmt wurden. Besonders beeindruckend ist das Rosenfenster auf der Südseite des Langhauses mit den Wappen der Oppenheimer Ratsherren von 1332/33 vor einem leuchtend blau-roten Teppichmuster, das den größten Anteil an mittelalterlichen Scheiben aus dem 14. Jahrhundert enthält.
Auch das Beinhaus mit aufgestapelten Schädeln und Knochen der Verstorbenen beeindruckte sehr. Die Gebeine konnten aus Platzgründen nicht in den Gräbern des engen Kirchhofs bleiben, befanden sich aber auf diese Weise weiter auf geweihtem Boden im Bereich innerhalb der Kirchenmauern.
Nach dieser sehr informativen Kirchenführung waren die Senioren zu Gast bei Pfarrer Thomas Catta, früherer Stadtpfarrer von Sankt Georg und seit August letzten Jahres Seelsorger in der Pfarrgruppe Oppenheim. Er war sichtlich erfreut über die große Besucherzahl. Nach einer erfrischenden Stärkung stellte die Küsterin Frau Reinhard die Sankt-Bartholomäus-Kirche, die ungefähr zur gleichen Zeit wie die Katharinenkirche erbaut wurde, vor und erwähnte auch die über Jahrhunderte – wenn auch mit Unterbrechungen – dankenswerte seelsorgerische Tätigkeit des Franziskanerordens in dieser Kirche. In seiner Predigt ging Pfarrer Catta auf das Leben des Oppenheimer Kirchenpatrons Sankt Bartholomäus ein, der in Persien das Evangelium verkündete und die Tochter des Königs geheilt und missioniert hat und den Märtyrertod erlitt. Der Legende nach wurde ihm die Haut bei lebendigem Leib abgezogen. Er ist daher Zunftpatron der Gerber, der Sattler, der Schuhmacher und Buchbinder, also der Berufe, die alle mit Leder zu tun haben. Bartholomäus, der Beiname des Natanel, kommt vom hebräischen Bar tolmai und heißt ins Deutsche übersetzt: der Sohn des Furchenziehers.
Vor diesem Hintergrund bekommt sein Patronat für die Lederberufe in unserer Zeit mit ihren Tausenden von Cremes, Lotions, Gels und Anti-Aging-Mitteln eine neue Bedeutung. Eigentlich soll im Leben alles glatt gehen, alles Faltige, alles Hässliche soll außen vor bleiben. Das Leben ist nur schön und lebenswert, wenn alle Runzeln, alle Hinfälligkeiten, der geistige und körperliche Abbau möglichst weit hinausgeschoben oder überhaupt nicht wahrgenommen oder kaschiert werden.
Der Furchenzieher Bartholomäus mit seiner faltigen Haut über dem Arm stellt Gegenfragen: Kann ein Gesicht wirklich nicht mehr schön sein, wenn es zunehmend runzlig und faltiger wird? Geben nicht die Falten eines Menschen die Aura menschlicher Reife wieder? Erzählen nicht die Falten im Gesicht die Geschichte eines Menschenlebens? Stirnrunzeln geben Zeugnis von schweren Entscheidungen. Lachfalten kennzeichnen glückliche Momente und Sorgenfalten sind Zeichen von mancher Angst im Leben, schreiben die Senioren in ihrer Pressemitteilung.
Falten gehören auch zu Gott
Falten gehören schließlich auch zu Gott. Nach dieser sehr zum Nachdenken anregenden geistlichen Ansprache war es angebracht, auch etwas für den Körper zu tun nach dem Motto: Essen und Trinken halten Seele und Leib zusammen. In einer der typischen Weinlokale in der Altstadt wurde deshalb zur Vesper eingekehrt, die eine oder andere rheinhessische Spezialität wie Flammkuchen oder Spundekäs wurde verkostet. Auch so mancher gute Tropfen wurde getestet, waren die Senioren doch zu Gast im größten deutschen Weinanbaugebiet.
Frohgelaunt und um viele Erkenntnisse und Erlebnisse reicher wurde die Heimreise an die Bergstraße angetreten.
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