Bensheim. Wegen eines Defekts am Schwellwerk der Michaelskirchen-Orgel musste das Abschlusskonzert der 27. Bensheimer Orgelwochen am letzten September-Donnerstag leider ausfallen. Sechs Wochen später war die technische Störung endlich behoben, so dass Propsteikantor Christian Mause sein geplantes Programm ohne Abstriche nachholen konnte. Dies lohnte sich vor allem für die Romantik-Liebhaber unter den rund 60 Konzertbesuchern. Ihnen wurde neben Kompositionen von Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901) und César Franck (1822-1890) als besonderes Glanzstück das dreisätzige Suiten-Juwel opus 5 von Maurice Duruflé (1902-1986) geboten – eines der bedeutendsten und zugleich spieltechnisch anspruchsvollsten Meisterwerke der gesamten französischen Orgelmusik.
Ungewöhnlich genug erschien bereits der direkte romantische Einstieg mit Francks spätem a-Moll-Choral (1890), der aber dank Mauses vorbildlicher interpretatorischer Klarheit bestens funktionierte. Ebenso straff animiert wie plastisch konturiert der rhapsodische Eröffnungsteil, fließend kantabel das fein erfüllte Adagio-Intermezzo, präzise gesteigert der beide Hauptgedanken effektvoll kombinierende Schlussteil: Francks reife Kompositionskunst kam hier in allen Details mitteilsam heraus. Erst danach ging es zu Bach und seiner selten gespielten frühen c-Moll-Choralpartita „O Gott, du frommer Gott“ BWV 767, deren Einfallsreichtum sich bei Mause ebenfalls wunderbar transparent entfaltete – perfekt abgerundet durch die innige siebte und die weiträumige achte Variation mit ihren überraschenden Tempowechseln.
Ähnlich wie sein unüberhörbares Idol Mendelssohn hat der einstige Münchner Hofkapellmeister Josef Gabriel Rheinberger in seinen 20 Orgelsonaten traditionelle Formmodelle und romantische Ausdruckselemente mit großer Eleganz und Stilsicherheit verbunden. Zu den gelungensten Werken zählt fraglos die 1876 entstandene vierte Sonate a-Moll opus 98, deren Ecksätze den neunten Psalmton („Tonus peregrinus“) als thematische Inspirationsquelle nutzen. Wie attraktiv Rheinberger klingen kann, machte Christian Mause an diesem Abend in Gestalt des sinfonisch verdichteten Kopfsatzes und des vom Komponisten später mehrfach wiederverwendeten „Intermezzo“-Ohrwurmes repräsentativ deutlich. Seine geist- und geschmackvolle Wiedergabe ließ umso mehr bedauern, dass auf das ausladende „Fuga cromatica“-Finale aus Zeitgründen verzichtet werden musste.
Verzichtet hat der skrupulöse französische Orgelmeister Maurice Duruflé bei eigenen Darbietungen der Suite opus 5 meist auf die ihm allzu reißerisch erscheinende Abschlusstoccata mit ihren „zu vielen Noten“. Doch Mause tat dies zum Glück nicht und vertraute zu Recht auf die durchaus stimmige Gesamtbalance des 1933 fertiggestellten Werkes, dessen raffiniert zwischen Spätromantik und Impressionismus pendelnde Klangsprache bei ihm unwiderstehlich facettenreich erlebbar wurde. Vom leuchtkräftig aufblühenden „Prélude“ über die à la Fauré dahinträumende „Sicilienne“ bis hin zum bravourös ausdifferenzierten „Toccata“-Kabinettstück lieferte der Bensheimer Propsteikantor ein exemplarisch kundiges wie inspiriertes Duruflé-Plädoyer, das den anwesenden Fans der französischen Orgelmusik lange in Erinnerung bleiben dürfte. Dafür gab es am Ende anhaltend enthusiastischen Beifall.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-bensheimer-orgelwochen-michaelskirche-_arid,2339350.html
