Bensheim. Sein erstes Unternehmen war eine Marketing- und Beratungsagentur für kleine und mittelständische Unternehmen. Doch damals war Eike Czada noch lange nicht volljährig. Deshalb musste der Schüler seine Geschäftsfähigkeit beim Familiengericht Darmstadt einklagen. Er brauchte quasi einen amtlichen Beschluss, der ihm seine uneingeschränkte Tauglichkeit attestierte.
Die Behörde verlangte zur Prüfung mehrere Zeugnisse, Beurteilungen von Lehrern, Unterschriften der Eltern und noch dazu einen hieb- und stichfesten Businessplan. Dann hieß es warten. Sechs Wochen später hatte er den Beschluss auf dem Tisch. Der 16-jährige Jungunternehmer marschierte zum Gewerbeamt und wird sein eigener Chef. Heute hat er die „Befugnis, die Gesellschaft allein zu vertreten und Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder als Vertreter Dritter abzuschließen“, wie das im Amtsdeutsch heißt.
„Es ist ärgerlich, dass jedes deutsche Amtsgericht solche Dinge etwas anders regelt“, so der junge Mann, der sich in der Sache mehr Klarheit und Verbindlichkeit wünscht und vor kurzem von einer Jury eines Gründerwettbewerbs zu einem der vielversprechendsten Junggründern Europas gewählt wurde.
Unterstützung für junge Talente
Ausrichter von „20 Under 20“ war der britische Finanzdienstleister Wise – ein an der Londoner Börse notiertes Fintech („Financial Technology“), das junge Talente auf dem Weg zum Start-up unterstützt. Mittlerweile ist der heute 19-Jährige Co-Geschäftsführer von Twentyone-Studios. Eine Agentur für innovatives Webdesign, die er gemeinsam mit seinem Kollegen Jan Michalczonek gegründet hat. Beide kennen sich länger und ticken ähnlich, wie der Teenager-Entrepreneur im Interview erzählt.
Eike Czada ist in Darmstadt geboren und in Alsbach-Hähnlein aufgewachsen. Im Juni hat er am Bensheimer Goethe-Gymnasium sein Abitur gemacht. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mehr Erfahrung in der Gründerszene hinter als die meisten Schulkollegen noch vor sich. Schon mit zwölf denkt er über erste Schritte nach, befasst sich mit geschäftsfähigen Konzepten und studiert Fachliteratur.
Neben der Schule bringt er sich die Basics des Programmierens bei. Seine erste Idee: eine App, die Sportpartner oder Sportgruppen, die sich noch nicht kennen, miteinander vernetzt. Er fragt einen Freund, ob er mitmachen will. Ein schneidiger Start. „Wir hatten keine Macbooks und wegen der Schule eigentlich auch keine Zeit“, sagt er im Gespräch mit dem Bergsträßer Anzeiger. Das Projekt kommt voran, wird letztlich aber eingestellt. „Wir hatten zu wenig getestet und uns immer daran orientiert, was wir selbst gut fanden und nicht andere.“ Die komplette Struktur funktionierte nicht.
Aufgeben ist kein schönes Gefühl. Aber Eike Czada weiß spätestens zu diesem Zeitpunkt, was er will und kann und was ihm Spaß macht: vor allem das Verkaufen und der Vertrieb, der Dialog mit Menschen. Das hat ihn motiviert, sein zweites Unternehmen zu gründen: Czada Marketing. Sein erster Erfolg, siehe oben.
Wenn sich jemand in diesem Alter die Mühe macht, eine Geschäftsidee zu definieren und dann Wochen damit verbringt, einen Businessplan aufzustellen und das Zeitmanagement zwischen Schule und Geschäft zu koordinieren, dann darf man eine klare Absicht unterstellen.
„Wer brennt, der wird gründen“
„Wer wirklich brennt, der wird gründen“, so der Jungunternehmer, der sich in Deutschland eine bessere Gründerkultur erhofft. Hierzulande werde Scheitern ausschließlich negativ bewertet, und nicht als mutiger Versuch, selbst etwas zu bewegen und Visionen anzugehen, sagt er, der weiß, wie Hinfallen und Aufstehen funktioniert.
Neben innovativen Ideen brauche es daher vor allem eine positiv besetzte Fehlerkultur. Denn in vielen jungen Unternehmen würden oftmals Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt gebracht, die zwar Potenzial haben, in ihrer Umsetzung aber noch nicht perfekt sind.
Die Bereitschaft, mit einem Konzept auch mal zu scheitern, diene letztlich immer auch der Optimierung und Nachjustierung. „Man muss Fehler nicht gerade bejubeln, aber man sollte aus ihnen lernen.“
Zudem müsse das Gründen für Menschen unter 18 Jahren grundsätzlich einfacher werden. Die Hürden, die er als 16-Jähriger selbst bewältigt hat, würden die Mehrheit sicherlich abschrecken, diesen existenziellen Schritt zu gehen. Außerdem hofft er, dass bereits die Schule als elementarer Bildungsbetrieb die jungen Leute künftig mehr für das Thema Unternehmertum sensibilisiert und der Sprung in die Selbstständigkeit als gleichwertige Option der beruflichen Zukunft ins Spiel gebracht wird.
Man sagt, dass in der sogenannten Generation Z der Gründergeist besonders stark ausgeprägt ist. Das meint die Gruppe der heute 15- bis 25-Jährigen, in der es derzeit außergewöhnlich viele junge Unternehmerinnen und Unternehmer gibt. Dass dies im deutschen Recht eigentlich nicht vorgesehen ist, könnte sich langfristig als wirtschaftliche Blockade auswirken. Eike Czada ist froh, dass der Gründergeist in seiner Generation so ausgeprägt ist.
Mit seiner Kreativagentur Twentyone-Studios fördert er neben dem Hauptgeschäft auf ehrenamtlicher Basis junge Gründer, um sie bei den ersten Etappen zu unterstützen. Die Geschäftsführer fungieren als direkte Ansprechpartner und als Mentoren für den Start-up-Nachwuchs. „Ein Herzensthema“, so Czada.
Stabile Auftragslage
Die Agentur selbst läuft nach eineinhalb Jahren außerordentlich erfolgreich. Nach einer bisweilen mühsamen Phase aus Akquise und Netzwerkarbeit ist die Auftragslage auf hohem Niveau stabil. Der Fokus liegt auf modernen Social-Media- und Webseiten-Designs. Als integrierte Submarke unterstützt das Team bauwirtschaftliche Unternehmen bei der Digitalisierung interner wie marketingbetonter Prozesse.
Durch den Wettbewerb „20 Under 20“ sei der Bekanntheitsgrad von Twentyone weiter gestiegen und das Netzwerk gewachsen. Über den Kontakt zu einer PR-Agentur habe man noch mehr Menschen erreichen können, so der junge Unternehmer, der auch rückblickend davon überzeugt ist: „Es gibt nichts Besseres, als in der Schulzeit zu gründen!“
Warum? Weil man noch über relativ viele Freiräume verfügt, um sich auf Projekte konzentrieren zu können und weil es in der Regel keine Verbindlichkeiten gegenüber Kunden gibt. Non-Profit Organisationen wie Startup-Teens, mit denen er selbst zusammengearbeitet hat, bieten jungen Menschen eine gute Plattform, um voneinander zu lernen und gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft zu lösen.
Die Corona-Pandemie war für die Agentur kein Risiko
Dass Eike Czada und Jan Michalczonek ihre Agentur ausgerechnet in der Hochphase der Pandemie Anfang 2021 gegründet haben, war eher ein Glücksfall denn ein Risiko.
„Corona hat uns nicht getroffen, sondern eher geholfen.“ Denn viele Unternehmen haben ihren öffentlichen Auftritt überdacht und neue Marketing-Konzepte lanciert, weil sie den wirtschaftlichen Nutzen digitaler Kommunikation erkannt haben.
Die Folge: neue Webseiten, neues Design und neue Technologien. Das Virus hat der Digitalisierung einen Schub verpasst. Und die Dienstleister haben davon profitiert – und tun es immer noch.
2022 ist für den Jungunternehmer ein Jahr der Festigung und Etablierung. „Wir wollen unser Team vergrößern und unsere Akquise-Kanäle ausbauen“, so Eike Czada, der derzeit ein Büro im Großraum Frankfurt-Rhein-Main sucht.
Aktuell sind fünf Mitarbeiter im Remote-Modus unterwegs, die also dem Unternehmen unabhängig von Ort und Zeit zuarbeiten. Zudem will die Agentur über den Bereich Marketing hinaus andere Branchen erkunden. Czada nennt die Sparte Software: „Ein skalierbares Produkt.“ Denn es geht dabei auch um die Frage, inwieweit man den Umsatz steigern kann, ohne kontinuierlich in Produktion und Infrastruktur investieren und Fixkosten erhöhen zu müssen. Vielleicht eine Perspektive für Twentyone.
Nach seinen persönlichen Zielen gefragt, nennt er nach kurzem Überlegen die Forbes-Liste „30 under 30“. Irgendwann wäre es schön, so Eike Czada im Gespräch mit dieser Zeitung, zur internationalen Spitze der erfolgreichsten Start-up-Gründer unter 30 Jahren zu gehören. Er hat ja noch viel Zeit. tr
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