Innenstadt

Bensheimer Familienzentrum will nicht in das Neumarkt-Center umziehen

Von 
Dirk Rosenberger
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Ein Teil des Neumarkt-Centers soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Das Familienzentrum hätte im Zuge des Großprojekts in die jetzigen Räume der Stadtbücherei ziehen sollen. Der Verein teilte nun allerdings mit, dass er lieber an seinen bisherigen Standorten in der Innenstadt bleiben möchte. © Thomas Neu

Bensheim. Die Nachricht kommt überraschend, wobei man sich in Bensheim schon fast an solche Wendungen gewöhnt hat: Das Familienzentrum wird nicht in den Neumarkt umziehen, sollte das Bauprojekt von Eigentümer Murat Karakaya in den nächsten Jahren verwirklicht werden. Der Darmstädter Unternehmer plant, wie mehrfach berichtet, einen Teilabriss der Immobilie, verbunden mit einem Neubau von 60 bis 80 Wohnungen.

Schon als das Vorhaben öffentlich wurde, hieß es aus dem Rathaus, dass man dort unter Umständen dem Familienzentrum eine neue Heimat bieten könne, Gespräche diesbezüglich würden laufen. Der Verein sucht seit Jahren ein gemeinsames Domizil für seine über die Innenstadt verteilten Standorte. Ursprünglich sollten im neuen Haus am Markt Räume nach den Vorstellungen des Familienzentrums gestaltet werden, aber wie das Thema nach dem Abriss des 70er-Jahre-Baus im Sommer 2019 ausging, ist hinlänglich bekannt.

Café Storch sehr gut angenommen

Nach Auskunft der Vorsitzenden Birgit Siefert hat es in der jüngeren Vergangenheit ein Umdenken gegeben. „Wir sind davon abgekommen, eine große Immobilie für alle und alles belegen zu wollen“, erklärte sie auf Nachfrage dieser Zeitung. Mit ausschlaggebend sei die Attraktivität des Cafés Storch in der unteren Fußgängerzone. Die Anlaufstelle im ehemaligen Bürohaus Werner wird sehr gut angenommen und sei eine Bereicherung für die Innenstadt.

Diese Entwicklung habe man so nicht erwartet. „Darauf wollen wir künftig nicht verzichten, das Café wollen wir nicht mehr missen“, fügte Siefert an. Aber auch der Raum Rittersporn am Ritterplatz, in dem der Eltern-Kind-Treff untergebracht ist, stelle einen schönen geschützten Raum für junge Familien da. „Mit unseren einzelnen Standorten können wir passgenau auf die jeweiligen Nutzer eingehen. Das ist durchaus ein Vorteil.“

Während der Corona-Pandemie sowie aktuell in Zeiten steigender Energiepreise könne man mit dieser Raumaufteilung generell besser auf die jeweiligen Gegebenheiten reagieren. Aus diesen Gründen sehe man momentan keinen Handlungsbedarf.

Hinzu kam, dass sich in den vergangenen Wochen ein gewisser Handlungszwang aufgebaut hatte. Nach Angaben der Vorsitzenden wünschten sich Bürgermeisterin Christine Klein und Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung, dass das Familienzentrum eine „unverbindliche Absichtserklärung“ für einen Umzug ins Neumarkt-Center abgibt. Damit wiederum die Stadt Gespräche mit dem Investor intensivieren könne.

Dazu sahen sich Birgit Siefert und ihre Mitstreiterinnen aber außerstande, ohne genaue Kenntnis, auf was man sich da einlasse. „Ich möchte in so einem Fall schon wissen, wie sich das Objekt finanziert, wie die Mietpreisvorstellungen und die Raumzuschnitte sind. Da brauche ich erst die Fakten“, bemerkte Siefert. Darauf gab es zum jetzigen Zeitpunkt aber für das Familienzentrum keine zufriedenstellenden Antworten. Und ohne die Klärung dieser Punkte wollte man keine Absichtserklärung unterzeichnen, auch keine unverbindliche. Leicht habe man sich diese Entscheidung nicht gemacht, im Leitungskreis sei das Thema ausführlich diskutiert worden.

„Wir wissen, dass wir dafür nicht nur Applaus bekommen“, betonte Birgit Siefert. Aus Sicht des Vereins gab es aber zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative. Es sei jedoch für alle Beteiligten eine herausfordernde Situation, die viel Kraft koste. An der grundsätzlich guten Zusammenarbeit mit dem Rathaus und den dortigen Führungskräften bei verschiedenen Projekten solle sich aber nichts ändern.

Unterm Strich hat das Team seinen Entschluss nun gefasst in dem Wissen, „dass wir genau am richtigen Platz sind“, verdeutlichte die Vorsitzende mit Blick auf das Café Storch als Dreh- und Angelpunkt. Dort hatten sich zuletzt am Mittwoch wieder mehr als 40 Frauen aus der Ukraine eingefunden, um die Angebote für Geflüchtete anzunehmen. Der Hilfe für die Menschen aus den Kriegsgebieten hatte man sich schon frühzeitig nach dem russischen Überfall auf das Nachbarland verschrieben. Kinderbetreuung, Sprachkurse, Begegnungstreffs und Wohnraumvermittlung gehören seitdem zum Aufgabenbereich der Ehrenamtlichen.

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Im Rathaus wurde man Anfang dieser Woche über den Entschluss des Vereins informiert. „Wir bedauern diese Entscheidung. Denn es war uns ein großes Anliegen, dem langjährigen und immer wieder formulierten Wunsch des Familienzentrums nach einem zentralen Standort, an dem alles gebündelt werden kann, Rechnung zu tragen“, erläuterten Bürgermeisterin Christine Klein und Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung.

Auswirkungen auf das Gesamtprojekt habe die Entscheidung aber letztlich keine. Es gebe viele Ideen und Ansätze, soziale Einrichtungen an dieser zentralen Stelle – mit dem Kinderspielplatz und Freiräumen im direkten Umfeld – anzusiedeln. „Wir werden diese dem Eigentümer vorstellen und mit den Beteiligten intensiv erörtern“, so Klein und Rauber-Jung auf Nachfrage dieser Zeitung. Angedacht war, den Verein kompakt und auf die „eigenen individuellen Bedarfe der Einrichtung ausgerichtet, in dem Gebäude anzusiedeln, in dem sich heute die Stadtbibliothek befindet“, präzisierte das Duo die ursprüngliche Planung.

Zur Absichtserklärung, die der Vorstand hätte unterzeichnen sollen, äußerte man sich auf Anfrage ebenfalls. Es gehe dabei lediglich um eine Absichtserklärung, die erst unter der Voraussetzung greife, dass die Konditionen für das Familienzentrum passen würden. „Diese Erklärung hatte als wichtigstes Ziel, im weiteren Projektverlauf die Belange des Familienzentrums einbringen zu können.“

Dass es nun eine geringere Akzeptanz für das Vorhaben ohne das Familienzentrum in der Bevölkerung oder der Kommunalpolitik geben könne, glauben Rathauschefin und Baudezernentin nicht. Eigentümer und Stadt würden jetzt zeitnah in die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger einsteigen. „Wir werden gute und attraktive Lösungen für den Standort finden, der über Jahrzehnte hinweg vernachlässigt wurde. An diesen Lösungen arbeiten wir“, heißt es abschließend aus dem Rathaus.

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