Straßenverkehr

B3-Petition als „erledigt“ erklärt – Anwohner des Bensheimer Hemsbergviertels enttäuscht

Laut Petitionsausschuss wurde die Verkehrssituation am Ortseingang durch verschiedene Maßnahmen verbessert

Von 
Barbara Cimander
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Das neue Tempo-70-Schild an der B3 Richtung Heppenheim ist vielen Anwohnern ein Dorn im Auge. Jetzt soll das Schild nochmals leicht nach Süden versetzt werden, damit es nicht schon von Weitem sicht- und erkennbar ist. © Thomas Neu

Bensheim. Es kommt nicht allzu häufig vor, dass die Stadt Bensheim bundesweit Schlagzeilen macht. Bei der geänderten Beschilderung am südlichen Ortseingang – und der entsprechenden Vorgeschichte – ist das der Fall. Nachdem diese Zeitung mehrfach über die Verkehrssituation an der B3 berichtet hatte, sprangen auch überregionale Radio- und Fernsehsender auf das Thema auf. Zuletzt hat sich sogar das Satiremagazin „extra 3“ bei Anwohnern des Hembsbergviertels gemeldet – für einen Beitrag in ihrer Rubrik „Realer Irrsinn“ wohlgemerkt.

Welche Dynamik die Thematik entwickeln würde, hätten sich Martin Türck und Detlef Römer wohl auch nicht träumen lassen, als sie im vergangenen Jahr eine Petition im Hessischen Landtag einreichten. Das Ziel: Die Verkehrslage an der B3/Heidelberger Straße, Kreuzung Arminstraße sollte entschärft werden. Regelmäßig kommt es dort zu Unfällen und gefährlichen Situationen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Ein tödlicher Motorradunfall im Mai 2024 gab den beiden Anwohnern der Arminstraße Anlass, tätig zu werden.

Beim Tempo-70-Schild soll nachgebessert werden

Das neue Tempo-70-Schild am Ortsausgang Richtung Heppenheim, hinter der Einfahrt zum Kleingärtnerverein, hatte die Anwohner im Mai besonders verärgert. „Wir haben statt einer Verkehrsberuhigung an der Querungshilfe zur Bushaltestelle einen Beschleunigungsstreifen bekommen. Der Bereich, in dem bisher 50 galt, ist nun viel kürzer und lädt Autofahrer geradezu zum Beschleunigen ein“, sagten Detlef Römer und Martin Türck im Mai, unmittelbar nach dem Aufstellen der neuen Schilder.

Hier kündigt der Kreis als zuständige Straßenverkehrsbehörde auf Nachfrage eine „marginale Anpassung“ an, nachdem man sich die Situation bei einem Ortstermin noch einmal angeschaut habe. Das Tempo-70-Schild in Richtung Süden soll versetzt werden. Momentan steht es vor einem Baum und ist schon frühzeitig zu sehen – „so war das nicht beabsichtigt“, betont der Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf, dass in den kommenden zwei Wochen eine Nachbesserung geplant sei: Das Schild soll nun hinter den Baum positioniert werden. Diesen Schritt begrüßen ausdrücklich auch die Petenten – allerdings hoffe man sehr, dass bei der Anpassung beachtet wird, dass dann ab dem Kreuzungsbereich Kleingärten / Arminstraße nicht automatisch Tempo 100 gelte.

Auf der gegenüberliegenden Seite soll am Ortseingang zudem über das Tempo-50-Schild das Verkehrszeichen „Achtung Fußgänger“ angebracht werden. „Das steht heute bereits unmittelbar vor der Einmündung Arminstraße und ist dann früher erkennbar“, erläutert Schimpf weiter.

Ortsschild bleibt, wo es ist

Keine Änderung wird es dagegen beim Ortseingangsschild geben, das im Zuge der neuen Beschilderung näher an den Kreisel und hinter die Einmündung Arminstraße versetzt wurde - was für viel Kopfschütteln gesorgt hatte. Aus Wiesbaden heißt es dazu: „Die vollständige Versetzung der südlichen Ortstafel der B 3 bis an die Gemarkungsgrenze ist aus rechtlichen Gründen nicht zulässig. In diesem Abschnitt besteht keine geschlossene Bebauung, die über die B 3 erschlossen wird – ein zentrales Kriterium laut Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung.“ Auch eine Ausnahmegenehmigung komme nicht in Betracht, da dort kein funktionaler Zusammenhang zur Bebauung bestehe und typische innerörtliche Gefahrensituationen fehlen würden.

Den Anwohnern um Martin Türck erscheint diese Entscheidung rechtlich fragwürdig: Die Versetzung des Ortsschildes sei mutmaßlich ohne die gesetzlich erforderliche Lärmprognose erfolgt. „Daneben stellt sich die Frage, warum an vielen anderen Stellen im Land Ortsschilder stehen, obwohl dort – im Gegensatz zur B3/Arminstraße – keine durchgehende Bebauung erkennbar ist.“ cim

Im November 2024 waren die Petenten gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aller involvierten Behörden und des Petitionsausschusses im Hessischen Landtag vor Ort, um Maßnahmen zur Verbesserung zu beraten. Seither ist bekanntlich einiges passiert: Anfang Mai wurden neue Verkehrsschilder zur Begrenzung der Geschwindigkeit aufgestellt – die haben nach Meinung der Anwohner die Lage aber keineswegs verbessert, sondern vielmehr verschlimmert. „Ein Schildbürgerstreich der Behörden“, nannte Dirk Römer das Ganze damals. Er und Martin Türck, die mittlerweile viele andere Anwohner hinter sich wissen, schrieben erneut an den Petitionsausschuss und baten um eine weitere Überprüfung vor Ort.

Mehrere Geschwindigkeitsmessungen zeigten keine nennenswerten Überschreitungen

Wie sich jetzt zeigt, hält der Ausschuss die Maßnahmen dagegen für ausreichend und hat in dieser Woche die Petition als „erledigt“ erklärt, „da dem Anliegen in mehreren Punkten entsprochen wurde“, wie es in einem Schreiben des Landtags heißt. Das Landesparlament hat in seiner Plenarsitzung am Mittwoch diesem Beschluss zugestimmt.

Im Rahmen des Petitionsverfahrens habe man einige Verbesserungen erreichen bzw. einleiten können, heißt es weiter aus Wiesbaden. In dem Schreiben werden unter anderem die folgenden Punkte aufgezählt: „Zwei Tempo-50-Schilder wurden im direkten Umfeld aufgestellt. Das Tempo-70-Schild in Fahrtrichtung Heppenheim wird weiter nach Süden versetzt, um ein verfrühtes Beschleunigen zu verhindern. Die bestehende Querungshilfe wird von zwei auf drei Meter verbreitert – insbesondere zur Erhöhung der Sicherheit für Personen mit Kinderwagen, Fahrrädern oder Rollatoren. An der Ausfahrt der Kleingartenanlage wurde ein Stoppschild installiert. Ein Dialogdisplay („Sie fahren ...“) sensibilisiert Verkehrsteilnehmende für ihre Geschwindigkeit.“

Weiter heißt es, man habe mehrere Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt – ohne nennenswerte Überschreitungen. Eine Verkehrszählung am 6. Mai habe ergeben, dass lediglich fünf bis zehn Personen pro Spitzenstunde die Straße queren – das sei zu wenig für eine Ampel oder einen Zebrastreifen, wie von den Petenten gefordert.

Verfahren belege, dass das Petitionsrecht ein wirksames Instrument ist

„Das Petitionsverfahren zur Verkehrssituation an der B 3 in Bensheim zeigt eindrucksvoll, dass bürgerschaftliches Engagement Wirkung entfalten kann“, wird der Vorsitzende des Petitionsausschusses Oliver Ulloth zitiert. Die Petition habe konkrete Verbesserungen angestoßen – darunter eine optimierte Beschilderung, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie ein Dialogdisplay und die Verbreiterung der Querungshilfe. „Diese Maßnahmen tragen unmittelbar zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei“, ist man in Wiesbaden überzeugt.

Weiter heißt es in dem Schreiben: „Auch wenn nicht alle Forderungen im Wortlaut erfüllt werden konnten, wurden die zentralen Anliegen der Petenten ernst genommen, fachlich geprüft und in praktikable Maßnahmen überführt. Die Entscheidungen der zuständigen Behörden basieren auf geltenden rechtlichen Vorgaben und nachvollziehbaren Kriterien – etwa zur Ausweisung innerörtlicher Bereiche oder zur Einrichtung von Fußgängerampeln.“

Das Verfahren belege, dass das Petitionsrecht ein wirksames Instrument ist, um politische und administrative Prozesse bürgernah zu gestalten, so der Ausschussvorsitzende, der der SPD-Fraktion des Landtags angehört. Der Petitionsausschuss danke den Petenten ausdrücklich für ihr Engagement und ermutige Bürgerinnen und Bürger, ihre Anliegen weiterhin auf diesem Weg in den politischen Dialog einzubringen. „Wenn wir Bürgerinnen und Bürger ermutigen wollen, sich mit ihren Anliegen an uns zu wenden, dann sollten wir nicht nur auf das Ergebnis schauen, sondern auch auf die Transparenz, Nachverfolgbarkeit und Ernsthaftigkeit des Verfahrens. Diese Petition hat alle Beteiligten in die Pflicht genommen – und das ist kein Anlass zur Resignation, sondern zur Anerkennung“, so Ulloth.

Trotz breiter medialer Resonanz keine stärkere Berücksichtigung in der Politik

Weniger positiv blicken allerdings die Petenten auf das Verfahren und den Ausgang ihrer Petition. Auf Nachfrage dieser Zeitung äußerte sich Martin Türck im Namen der Anlieger enttäuscht über die Entscheidung des Landtags: „Wir hatten gehofft, dass der Petitionsausschuss nicht nur formaljuristisch argumentiert, sondern die tatsächliche Gefahrenlage sowie die Gesamtsituation vor Ort in den Blick nimmt – gerade in Anbetracht der Vielzahl öffentlicher Hinweise auf erhebliche Sicherheitsmängel. Dass sich der Landtag in seiner Beurteilung letztlich nahezu vollständig auf die Einschätzungen eben jener Behörden stützt, deren Entscheidungen maßgeblich zur Verschärfung der Lage beigetragen haben, ist für uns kaum nachvollziehbar.“

Sehr bedauert wird, dass die breite mediale Resonanz offenbar keine stärkere Berücksichtigung im politischen Prozess gefunden habe. Hinzu komme: Auch zahlreiche Vertreter der örtlichen Parteien – quer durch die Fraktionen – äußerten sich öffentlich und in politischen Gremien kritisch zur aktuellen Verkehrssituation oder hätten die Gefahreneinschätzung der Petition geteilt.

Dank an Petitionsausschuss für Prüfen des Anliegens

Besonders enttäuschend ist für die Anwohner, dass der Fußgängerüberweg – eines der Kernanliegen der Petition – „keine spürbare Verbesserung erfährt“. Statt einer sicheren Bedarfsampel bleibe es bei der bekannten, aus Sicht der Anwohner unzureichenden Modifikation. Dabei sei die Gefährdung an dieser Stelle nicht hypothetisch: Im Januar 2020 wurde an genau diesem Überweg ein Mädchen von einem Motorrad erfasst. „Bis heute meiden viele Anwohner diese Querung aus Angst – zu Recht“, macht Türck in seinem Schreiben deutlich.

Unverständlich bleibe auch, dass scheinbar nicht einmal die Installation eines stationären Blitzers in Erwägung gezogen wurde – obwohl dieser zumindest eine kostengünstige und unmittelbar wirksame Maßnahme zur Temporeduzierung darstellen könnte, sind die Petenten überzeugt.

Abschließend heißt es in dem Schreiben: „Wir danken dem Petitionsausschuss für die Prüfung unseres Anliegens – müssen jedoch mit allem Nachdruck festhalten, dass die beschlossene Lösung nicht geeignet ist, die Gefahrenlage grundlegend zu entschärfen. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht erst zu weiteren schweren Personenschäden kommen muss, bevor hier ein echtes Umdenken einsetzt.“

Redaktion Redaktion Bensheim

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