Heinrich-Metzendorf-Schule

In Bensheim begleitend zur Ausbildung Deutsch lernen

Azubis im Hotel- und Gastgewerbe können im ersten Jahr einen Berufssprachkurs absolvieren.

Von 
Niklas Wagner
Lesedauer: 
An der Heinrich-Metzendorfschule gibt es erstmals einen Berufssprachkurs für Auszubildende im Hote- und Gastgewerbe. Unser Bild zeigt Dozentin Tessa Asel-Lieske mit einer der beiden Klassen. © Dirk Zengel

Bensheim. Der Fachkräftemangel ist ein bekanntes Problem in Deutschland. Der Jahresrückblick des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung weist aus, dass derzeit rund 487.000 Stellen nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden können. Das Ausmaß wird in Zukunft noch weiter zunehmen, wie Berechnungen des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigen. So sollen 2028 768.000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Klar ist angesichts dieser sich anbahnenden Entwicklung, dass Fachkräfte aus dem Ausland zwingend notwendig sind, um das Problem in den Griff zu kriegen.

Die große Barriere, die in einem solchen Fall auftritt, ist die Sprache. Drittstaatsangehörige können mittels des Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine betriebliche Berufsausbildung in Deutschland absolvieren. Für die Einreise benötigen sie ein Visum und einen Ausbildungsvertrag. An der Heinrich-Metzendorf-Schule (HMS) können Auszubildende im Hotel- und Gastgewerbe (HOGA) im ersten Ausbildungsjahr nun parallel zur Ausbildung einen Berufssprachkurs absolvieren. Dabei erhalten die Schüler alle drei Wochen jeweils mittwochs und freitags drei Stunden Sprachunterricht. Was einfach klingt, bedarf einer immensen kooperativen Leistung mehrerer Akteure, wie sich bei der Pressekonferenz in der Schule zeigte.

Mit viel Engagement an der Umsetzung des Berufssprachkurses beteilgt (v.l.): Kateryna Stross (Teamleiterin Berufsprachkurse bei Lernmobil), Oxana Berduta (Fachbereichsleitung Sprache und Arbeitsmarkt Integration bei Lernmobil), Henrik Richter (Ausbildungsberater IHK Darmstadt), Thomas Bährer (Schulleiter HMS), Evi Krumrey (Fachbereichsleiterin an der HMS) und Marion Runkel (QuABB Ausbildungsleiterin HMS). © Dirk Zengel

Die Bedingung für die Umsetzung der Sprachförderung ist ein Projekt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass das Ziel formuliert hat, Auszubildende mit Migrations- oder Fluchtgeschichte während der Berufsausbildung und auch vor deren Beginn sprachlich zu fördern, insbesondere im Hinblick auf den Berufsschulunterricht, das Fachvokabular und die Prüfungen. An diesem Projektlauf nimmt die HMS nun teil. Als Träger, der sich um die Koordination kümmert, fungiert das Lernmobil Viernheim – „eine Wahnsinnsleistung“, wie Oxana Berduta, Fachbereichsleiterin des Lernmobils, erläuterte. Neben den Azubis, der Schule und dem Jobcenter sind die Betriebe, das Ministerium und die Lehrkraft in den Prozess involviert.

Schulleiter Thomas Bährer zeigte sich dementsprechend sehr froh darüber, dass der Sprachkurs nun gelebte pädagogische Praxis ist. Es sei sehr viel investiert worden, „um das einzurichten, was jetzt hier ist“. Er wies darauf hin, dass gerade bei den Auszubildenden aus dem Ausland zunehmend „Schwierigkeiten aufgrund sprachlicher Fähigkeiten“ bestehen würden. Ein B1-Zertifikat sei nicht gleichbedeutend mit dem entsprechenden Sprachniveau, pflichtete ihm Marion Runkel bei. Sie ist QuABB-Ausbildungsbegleiterin im Kreis Bergstraße (Qualifizierte Ausbildungsbegleitung in Betrieb und Berufsschule): „Das Zertifikat ist nicht wirklich eine Garantie dafür, dass die Jugendlichen dem Unterricht folgen können.“ Im Zuge der Corona-Pandemie fanden Sprachkurse meist nur noch online statt, was zu einer schlechteren Qualität der Sprachvermittlung geführt habe, so Runkel.

Viele Ausbildungsplätze bleiben am Ende des Jahres unbesetzt

Dabei ist Kommunikation unumgänglich, egal in welchem Tätigkeitsfeld Auszubildende agieren. „Wir brauchen das unbedingt“, merkte Evi Krumrey, Fachbereichsleiterin HOGA an der HMS, an. Dazu kommt, dass gerade im Gastgewerbe ein beträchtlicher Anteil der Auszubildenden einen Migrationshintergrund habe, wie Thorsten Heinzmann von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt berichtete. Die Bilanz zum Ende des abgelaufenen Jahres führte unter den insgesamt 7000 Auszubildenden rund 1000 Auszubildende mit Migrationsgeschichte.

Er wies darauf hin, dass trotz der aktuellen konjunkturellen Schwäche weiterhin „stabil ausgebildet wird“, die Situation auf dem Ausbildungsmarkt also vom Fachkräftemangel entkoppelt zu betrachten sei. Dennoch gebe es ein Grundproblem, dass „zunehmend Ausbildungsplätze am Ende des Ausbildungsjahres unbesetzt bleiben“. Was auch mit dem Bild gewisser Branchen zusammenhängt. „Eine Branche, die in den letzten Jahren zunehmend zu kämpfen hat, ist das Gastgewerbe.“ Umso wichtiger ist der Anteil jener 15 Prozent mit Migrationshintergrund. Ein Wegfall dieser Personengruppe „können sich das duale System und die Unternehmen nicht leisten“, so Heinzmann.

Über ausbildungsbegleitende Berufssprachkurse informiert

Henrik Richter, Ausbildungsberater bei der IHK Darmstadt, konnte anschließend davon berichten, wie es zur Umsetzung des Projekts kam. Ein wenig per Zufall wurde er auf einen Flyer des BAMF aufmerksam, der sowohl über arbeitsplatzbezogene als auch ausbildungsbegleitende Berufssprachkurse informierte. Im Zuge des Austauschs mit verschiedenen Akteuren wurde er auf den Bedarf der Berufsschule aufmerksam. Das Angebot bestand, doch der Weg bis zur Umsetzung sollte ein beschwerlicher werden. Verschiedene Voraussetzungen mussten erfüllt werden. „Es hat relativ lange gedauert, bis der erste Träger gefunden wurde.“ Der konnte allerdings noch nicht die Lehrkräfte zur Verfügung stellen, weshalb dann letztlich das Lernmobil, welches schon damals vom BAMF als Träger gelistet war, seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisierte. Die beteiligten Personen setzten sich zusammen, während die IHK als Impulsgeber fungierte. „Am Ende muss die Umsetzung in der Schule stattfinden. Nur so kann es funktionieren und so hat es zum Glück auch funktioniert“, befand Richter.

Mehr zum Thema

Ausbildung

Wie Roche in Mannheim um die besten Auszubildenden buhlt

Veröffentlicht
Von
Christian Schall
Mehr erfahren

Insgesamt betrug die Vorlaufzeit ein Jahr. Eine Zeit, die von allen Beteiligten, vor allem von Seiten der Schule viel Geduld erforderte. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. In diesem Jahr wurden 40 Auszubildende registriert, lediglich fünf von ihnen waren deutsche Muttersprachler. Der Bedarf für den Sprachkurs war also entsprechend hoch und überstieg die Mindestteilnehmeranzahl von sieben deutlich, so dass zwei Klassen gebildet werden konnten.

Der Sprachunterricht misst der Vermittlung des fachspezifischen Vokabulars einen hohen Stellenwert bei. Die Übermittlung obliegt Tessa Lieske, die als Dozentin des Lernmobils im Bereich Gastronomie Sprachkurse leitet. „Der Stoff, an dem sich die Lehrkraft orientiert, ist derselbe, den die Auszubildenden im Unterricht an der Schule bewältigen müssen“, erläuterte Kateryna Stross, der die Teamleitung der Berufssprachkurse beim Lernmobil unterliegt. Bei besonders komplexen Fachbegriffen dürfe auch mal das Smartphone zum Einsatz kommen, fügte lächelnd Krumrey hinzu. Stellen sich zukünftig auch die erhofften Lernerfolge bei den Auszubildenden ein, dann kann das Projekt ein wahres Geschenk für die unter Druck stehende Branche sein.

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

  • Winzerfest Bensheim