Bensheim. In den vergangenen Monaten kam in der Stadtpolitik immer wieder das Thema Windkraft in Bensheim auf. Was bei einigen Bürgerinnen und Bürgern nicht gerade für Begeisterung sorgte - obwohl der Prozess noch ganz am Anfang steht und aktuell noch Prüfungen dazu laufen, ob es überhaupt geeignete Gebiete für diese Form der Energiegewinnung auf Bensheimer Gemarkung gibt.
Um dem Eindruck entgegenzuwirken, niemand wolle diese Technologie in Bensheim nutzbar machen, fanden sich um den Hochstädter Andreas Klemm einige technik- und energiebegeisterte Menschen zusammen. Aus angeregten Gesprächen zu neuen Ansätzen für eine nachhaltigere Energiegewinnung auf lokaler Ebene entstand die Idee, einen Verein ins Leben zu rufen, der sich genau mit dieser Vision befasst: „Aufwind für Bensheim“ gründete sich im Oktober 2024, mittlerweile sind 22 Mitglieder an Bord.
Der Verein befasst sich keineswegs nur mit dem Thema Windkraft. „Wir möchten nicht auf Biegen und Brechen diese Anlagen durchsetzen. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, erneuerbare Energien zu nutzen. Wichtig ist uns, dass bei der Diskussion darüber Fakten die Grundlage liefern, nicht gefühlte Wahrheiten oder gezielte Falschmeldungen“, betont Andreas Klemm im Gespräch mit der BA-Redaktion.
Beisitzer Bernhard Rettig: „Wir wissen nicht alles besser“
Im Verein kommt einiges an Expertise in diesem Bereich zusammen: Hochschulprofessoren und Ingenieure, Solar- und Energieberater, aber auch Menschen, die sich einfach für Erneuerbare und den Fortschritt der Technik interessieren. Trotz allen Fachwissens gilt: „Wir haben nicht den Anspruch, alles besser zu wissen. Wir sind durchaus bereit, unsere eigenen Positionen zu hinterfragen und zu verwerfen, wenn sie nicht haltbar sind.
„Unser Anliegen ist es, auf lokaler Ebene nach Lösungen zu suchen, die einerseits die Energiewende vorantreiben und sich andererseits für die Stadt Bensheim und deren Bevölkerung lohnen“, ergänzt Beisitzer Bernhard Rettig. Zentrale Forderung des Vereins ist, die Bürgerinnen und Bürger an den hierfür notwendigen Entscheidungen zu beteiligen. Jeder und jede ist im Verein willkommen. „Wir wissen, dass jede Maßnahme Vor- und Nachteile hat. Noch schlimmer wäre es aber, gar nichts zu tun“, sind die beiden überzeugt.
In Zeiten des Klimawandels und der dringend notwendigen Energiewende spielt die lokale Umsetzung nachhaltiger Konzepte eine entscheidende Rolle. „Aufwind für Bensheim“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Öffentlichkeit über die Potenziale erneuerbarer Energien zu informieren und sich aktiv für deren Nutzung stark zu machen. Besonders im Fokus stehen dabei zwar die Möglichkeiten der Windenergie, die den Vereinsmitgliedern zufolge in der Region ein bedeutendes Potenzial zur umweltfreundlichen Stromerzeugung bietet. Aber auch neue Batterietechnologien zur Speicherung ungenutzter Reserven könnten eine wichtige Rolle in Bensheim spielen.
Umstellung auf erneuerbare Energien ist eine Herausforderung
„Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist nicht nur eine globale, sondern vor allem auch eine lokale Herausforderung. Kommunen und Regionen sind zentral bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Durch die Nutzung regional vorhandener Energiequellen wie Wind- und Solarenergie kann die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduziert werden. Gleichzeitig werden regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt, indem Investitionen und Arbeitsplätze in der Region gehalten oder geschaffen werden. Dies führt zu einer nachhaltigen Entwicklung und steigert die Wertschöpfung vor Ort“, beschreibt Klemm die Vision des Vereins.
Nötig für die Umsetzung ist es dabei, durch sachliche Informationen und transparente Kommunikation Vorurteile gegenüber erneuerbaren Energien abzubauen. „Viele Bürgerinnen und Bürger stehen neuen Energieprojekten oft skeptisch gegenüber – sei es aus Sorge um die Landschaftsveränderung oder aufgrund unzureichender Informationen über die tatsächlichen Auswirkungen und Vorteile“, wirft Rettig ein.
„Aufwind für Bensheim“ setzt daher auf Dialog und Aufklärung. Informationsveranstaltungen, Diskussionen mit Experten sowie die Bereitstellung fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse sollen auf mittelfristig dazu beitragen, die Akzeptanz für erneuerbare Energien in der Bevölkerung zu erhöhen. Wie genau der noch junge Verein seine Arbeit in Zukunft ausbauen möchte, planen die Mitglieder derzeit. Im Frühjahr sind unter anderem Infostände in der Bensheimer Fußgängerzone geplant. „Außerdem möchten wir eine Wissensdatenbank aufbauen, auf die unsere Mitglieder zugreifen können. Dort möchten wir unter anderem aktuelle Publikationen oder Artikel sammeln“, kündigt Rettig an.
Neben der Aufklärungsarbeit möchte der Verein konkrete Projekte zur Prüfung und Umsetzung erneuerbarer Energien unterstützen. Dazu gehört beispielsweise die Identifikation geeigneter Standorte für Windkraftanlagen oder die Analyse der wirtschaftlichen und ökologischen Machbarkeit solcher Vorhaben. Hierbei ist der Verein mit lokalen Entscheidungsträgern, Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen im Dialog, um eine fundierte und nachhaltige Planung mit voranzutreiben. „Und um den technischen Fortschritt in bereits bestehende Konzepte - etwa den Masterplan Klimaschutz - einzuarbeiten“, ergänzt Andreas Klemm.
„Der Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf allen Ebenen vorangetrieben werden muss. Gerade deshalb ist es wichtig, sich aktiv für den Wandel einzusetzen und die lokale Umsetzung der Energiewende vorantreiben. Es genügt nicht, nur gegen etwas zu sein. Wir laden jede Person dazu ein, sich mit ihren Ideen einzubringen.“
Welche Chanchen gibt es auf lokaler Ebene?
Lösungen für Energiefragen auf lokaler Ebene bieten zahlreiche Chancen, die sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Vorteile mit sich bringen. Klemm und Rettig können hierzu viele Aspekte nennen:
Mehr Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit: Durch den Ausbau erneuerbarer Energien auf lokaler Ebene kann die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und externen Energiequellen reduziert werden. Eine dezentrale Energieversorgung stärkt die regionale Resilienz gegenüber Energiekrisen und Preisschwankungen.
Wirtschaftliche Entwicklung und regionale Wertschöpfung: Lokale Energieprojekte fördern Investitionen und schaffen Arbeitsplätze in der Region. Handwerksbetriebe, Planungsbüros und Dienstleister profitieren von der Umsetzung erneuerbarer Energiekonzepte, wodurch die Wirtschaft vor Ort gestärkt wird. Das sorgt wiederum auch für eine erstarkende Gewerbesteuer.
Klimaschutz und Umweltvorteile: Der Ausbau erneuerbarer Energien hilft, CO₂-Emissionen zu reduzieren und die Klimaziele zu erreichen. Dies trägt aktiv zum Umweltschutz bei, verbessert die Luftqualität und unterstützt den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen.
Demokratische Teilhabe und Bürgerengagement: Durch lokale Energieprojekte können Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Energiewende mitwirken. Bürgerenergiegenossenschaften oder Beteiligungsmodelle bieten Möglichkeiten, sich finanziell oder organisatorisch einzubringen und von den Erträgen zu profitieren.
Innovationen und Technologieförderung: Lokale Projekte bieten Raum für innovative Energiekonzepte und die Erprobung neuer Technologien wie Speicherlösungen oder intelligente Netze.
Kostenreduktion und langfristige Preisstabilität: Während fossile Energieträger anfällig für Preisschwankungen sind, bieten erneuerbare Energien langfristig stabile und oft günstigere Preise. Eigenversorgung durch Solar- oder Windenergie kann zudem die Stromkosten für Haushalte und Unternehmen senken.
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