Stadtteildokumentation

Wie der Turm auf den Melibokus kam

Ausstellung in Auerbach befasste sich mit spannenden Themen / Parkhotel Krone und Kabinenseilbahn zum Schloss

Von 
Jeanette Spielmann
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Die Macher der Ausstellung und Mitglieder der Auerbacher Stadtteildokumentation (v.l.): Paul Weskamp, Michael Ruskowski, Heide Killian, Sylvia Wenzel, Udo Lang und Werner Parschau. Die aktuelle Zusammenstellung war von Freitag bis Sonntag im Bürgerhaus Kronepark zu sehen. © Thomas Neu

Auerbach. Denkt man an Bauprojekte der heutigen Zeit und die inzwischen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten, erscheint es kaum nachvollziehbar, was in früheren Jahrhunderten geschaffen wurde. Ein gutes Beispiel ist der Melibokusturm, dessen Geschichte Teil der jüngsten Ausstellung der Auerbacher Stadtteildokumentation ist, die am Freitagabend im Bürgerhaus Kronepark eröffnet wurde.

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Denn das Wahrzeichen, das heute auf der höchsten Erhebung an der Bergstraße weithin sichtbar ist, hatte eigentlich zwei Vorgänger, deren Entstehung sich vor über 250 Jahren nur in einem Jahr abgespielt hat. Auf Initiative und Befehl des damaligen Landesvaters, Landgraf Ludwig IX., wurde im Juli 1772 mit dem Bau der „Säule“, wie der Turm damals genannt wurde, begonnen.

Täglich waren bis zu 200 Männer mit dem Bauvorhaben beschäftigt, das bereits nach etwa fünf Wochen fast fertiggestellt war. Doch am 13. Oktober stürzte das Bauwerk ein. Der Fels, auf dem der Turm gebaut wurde, war geborsten. Da das kurz nach der Mittagspause der Arbeiter geschah, war niemand zu Schaden gekommen.

Im März 1945 gesprengt

Sofort nach dem Aufräumen der Trümmer wurde mit dem Wiederaufbau begonnen und der Melibokusturm noch im gleichen Jahr in weniger als zwei Monaten am 5. Dezember fertiggestellt. Über 170 Jahre lang war er ein beliebtes Ausflugsziel, bis das zuletzt als Flugsicherungspunkt genutzte Wahrzeichen der Bergstraße im März 1945 von der deutschen Armee gesprengt wurde.

Es dauerte dann 20 Jahre, bis die Überlegungen für einen Wiederaufbau 1965 in eine Genehmigung mündeten und im Frühjahr 1966 mit dem Bau begonnen wurde. Diesmal waren es insgesamt 13 Betonringe, die innerhalb von zwei Tagen aufeinandergefügt wurden. „Am 6. April 1966 war der Turm zum ersten Mal von der Ebene aus zu sehen“, schreibt Rudolf Kunz in seinem Beitrag über die Geschichte des Turms in dem 1971 vom Geschichtsverein Zwingenberg herausgegebenen Buch „Der Melibokus“.

Die Einweihung war am 7. September 1966. Mit Dokumenten, interessanten Fotos und zwei von Karl Kegelmann geschaffenen Modellen des früheren und des heutigen Turms war die Entstehungsgeschichte des Melibokusturms seit 1772 nachvollziehbar.

Nachholen in Hochstädten möglich

Wer die Ausstellung im Bürgerhaus Kronepark verpasst hat, hat in zwei Wochen noch einmal die Gelegenheit. Die Stadtteildokumentation Hochstädten eröffnet am 3. November im Hochstädter Haus ihre aktuelle Ausstellung (bis 5. November) und die Tafeln zum Melibokusturm werden Teil davon sein.

Die Auerbacher Stadtteildokumentation hatte aber noch weitere Themen ausgegraben und mit historischen Aufnahmen präsentiert. So gab es interessante und für die meisten Besucher auch unbekannte Einsichten in die Geschichte des Hotel Krone, die 1655 mit dem Erwerb des Auerbacher Hauses mit Stall, Garten, Weinbergen und Äckern durch Landgräfin Sophie Eleonore begann. Sie errichtete und verpachtete die „Fürstliche Herberge zur Güldenen Krone“.

Die mineralhaltige Heilquelle des Auerbacher Gesundbrunnens sorgte 1738 durch erste Kurgäste für einen bedeutenden Aufschwung und auch eine Spielbank gab es, die aber 1818 wieder geschlossen wurde. Der Dichter Victor von Scheffel, nach dem der heutige Scheffelsaal benannt wurde, erhielt in der „Krone“ für mehrere Wochen Asyl, nachdem er vor der Badischen Revolution aus seiner Heimat geflohen war.

Feuer, US-Army und verschiedene Besitzer

Ein Großfeuer im Oktober 1906 zerstörte einen Seitenbereich des Hotels, es folgte 1910 ein im Jugendstil errichteter komfortabler Neubau nach den Plänen von Georg Metzendorf. Nach 1933 nutzte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterfront die „Krone“, sie wurde Gauschule genutzt und im Krieg als Erholungsheim für Rüstungsarbeiter.

1945 bezog die US Army das Hotel – auch Henry Kissinger wohnte hier – und von 1951 bis zum Umzug in die Kaserne in der Saarstraße 1953 war auch eine amerikanische Pioniereinheit in der „Krone“ stationiert. 1958 ging das Hotel in den Besitz des Auerbacher Konservenfabrikanten Karl Ortlieb und wurde komplett umgebaut und modernisiert.

In der Folgezeit wechselten häufig die Besitzer, bis die „Krone“ im November 2012 von Peggy und Stanislav Matas gepachtet, im September 2015 von ihnen erworben wurde und seitdem als Familienbetrieb geführt wird. Auch vom Parkhotel Krone gibt ein anschauliches Modell von Karl Kegelmann einen Eindruck von dem früheren Jugendstil-Hotel um 1907.

Auch für Stadtrat Hans Seibert, der die Ausstellung im Bürgerhaus offiziell eröffnete, weckten die vielen historischen Ansichten Erinnerungen an frühere Zeiten. 1947 in der Bachgasse geboren, war die Straße wie auch die hier vorhandenen Fließbrunnen für ihn Spielstätte, und in späteren Jahren beim Bachgassenfest wurde der sogenannte Pfarrerbrunnen an der Einmündung Neuer Weg auch schon mal als erfrischende Abkühlung genutzt.

Partys im Keller

Auch mit der „Krone“ sind schöne Erlebnisse verbunden, erinnerte Seibert an die Partys, die in den 60er Jahren im Keller des Hotels gefeiert wurden. Es sei schön, wenn diese im Lauf der Jahre zu Stätten der Begegnung gewordenen Orte und Gebäude nicht vergessen werden und dank der Arbeit der Stadtteildokumentation immer mal wieder in Erinnerung gerufen werden.

Er dankte dem „kleinen Haufen der Aufrechten“ für ihr Engagement und wies auf deren wöchentliches Treffen jeden Mittwoch ab 17 Uhr im alten Rathaus in der Bachgasse hin. Dort bewahren und archivieren Heide Kilian, Sylvia Wenzel, Werner Paschau, Udo Lang, Paul Weitkamp und Michael Rudkowski die Geschichte und Entwicklung von Auerbach und stellen aus ihren gesammelten Fotos und Dokumenten alljährlich eine interessante Ausstellung zusammen.

So gab es im Bürgerhaus neben dem Parkhotel Krone, dem Melibokusturm und den Auerbacher Fließbrunnen noch weitere Einblicke in die Auerbacher Historie. Dazu gehörte die Grabstätte der Zwangsarbeiter auf dem Bergfriedhof, aber auch die 1970 aufgegriffene Planungsidee aus 1899 zum Bau einer Kabinenseilbahn zum Auerbacher Schloss mit der Talstation in der Bachgasse. Sie blieb ebenso erfolglos wie die Prospektionsbohrung 1951 auf der Suche nach Erdöl. Bei einer Bohrtiefe von 1431,5 Metern war die Bohrung abgebrochen worden.

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Auch Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert, die die Grüße der Kommunalpolitik überbrachte, würdigte das Engagement der Stadtteildokumentation. Sie sei immer wieder beeindruckt von den Einblicken in die Vergangenheit, die mit diesen Ausstellungen ermöglich würden. Sie eröffneten aber auch neue Ansichten für die Gegenwart, dankte die Parlamentschefin für die geleistete Arbeit und das Engagement.

Seibert hatte in seiner Begrüßung neben den Vertreterinnen und Vertretern aus den Stadtteil-Dokumentationen und aus der Politik insbesondere Volker Feick aus Zell als einen der Mitbegründer der Stadtteil-Dokumentationen willkommen geheißen. Besonders erwähnt wurden aber auch Thomas Herborn, Fachbereichsleiter des Eigenbetriebs Stadtkultur, sowie die Leiterin des Stadtarchivs Claudia Sosniak, die in knapp zwei Wochen die eigene Ausstellung der Stadtteil-Dokumentation Hochstädten eröffnen wird.

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