Bensheim. Die Farben des Regenbogens sind als Zeichen für Toleranz, Diversität und Solidarität im öffentlichen Raum längst präsent, ebenso wie in vielen Diskussionsrunden, Fußballstadien und Geschäften. Meist geht es tatsächlich darum, ein Zeichen zu setzen, oft auch, Symbolpolitik zu betreiben.
Am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans- und Asexuellenfeindlichkeit (IDAHOBITA), der sich weltweit zum wichtigsten queeren Aktionstag entwickelt hat, flatterten wieder viele Regenbogenfahnen im Wind – so auch vor dem Bensheimer Rathaus, wo Frauenbeauftragte Marion Vatter gemeinsam mit dem Antidiskriminierungsnetzwerk (Adinet) Südhessen sowie Unterstützern zur Tat schritt und mit ihren Mitstreiterinnen verdeutlichte, wie zwingend notwendig solche vermeintlich kleinen Taten sind.
Symbol der Hoffnung
Als Symbol für die LSBTIQ-Bewegung verbinden viele Menschen mit der Fahne die Hoffnung auf eine bunte, vielfältige Welt ohne Hass und Diskriminierung gegen Minderheiten in Bezug auf Geschlecht und sexuelle Orientierung. Wie schwer es dabei manchmal sein mag, die Hoffnung nicht zu verlieren, lässt sich mitunter kaum erahnen. Hass, Gewalt, verbale Verletzungen und Diffamierungen sind weltweit noch viel zu oft an der Tagesordnung, populistische Debatten auf nahezu allen gesellschaftlichen Ebene tragen nicht dazu bei, Akzeptanz zu schaffen und Vielfalt tatsächlich zu leben.
„Die Regenbogenfahne vor dem Rathaus soll zeigen, dass die Stadt für Toleranz steht – allen Menschen gegenüber – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung“, erklärte Marion Vatter, die gemeinsam mit Anja Ostrowski vom Adinet die Fahnenhissung nach der Premiere im vergangenen Jahr erneut angestrebt hat.
Die Frauenbeauftragte begrüßte die anwesenden Gäste und bedankte sich für die deren Netzwerkarbeit, die in der Gesellschaft eine Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit für queere Themen schafft. „Ich bin so stolz, dass wir heute dieses Zeichen setzen können. Und so stolz auf das, was wir bisher schon geschafft haben.“
Ein geschützter Raum
Der im vergangenen Jahr ins Leben gerufene und sehr gut besuchte Treffpunkt Queer zeige, dass es eine aktive Community in der Region gibt, da diese den Treff initiiert hat. Als wichtiger Bestandteil der Gleichstellungsarbeit unterstützt das Frauenbüro der Stadt – gemeinsam mit AdiNet Südhessen, dem LSBT*IQ-Netzwerk Südhessen und dem Verein Fabian Salars Erbe – die Akteurinnen und Akteure, die dieses Projekt initiiert haben, allen voran Dania Isabella Graf, die sich sehr darüber freut, wie die Gruppe gewachsen ist und wie wunderbar sie sich inzwischen aus sich selbst heraus gestaltet.
Die Zusammenkünfte bieten einen geschützten Raum, aus dieser Geborgenheit heraus könne man in kleinen Schritten in die Gesellschaft hineinwirken, erklärte Liane, die regelmäßig die Treffen besucht. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass viele Menschen Verletzungen erfahren und Unangenehmes erlebt haben. Es polarisiere, wenn „wir uns zeigen, wie wir sind“.
Ein Ziel sei es, sich in Bensheim in die Gesellschaft zu integrieren, Vorurteile abzubauen und ein Bewusstsein zu schaffen, „das Queersein ein Teil der Realität ist“, so Liane. Die Regenbogenfarbe stehe auch für die Gnade Gottes. „Wir alle wollen versöhnt werden.“
Durch das Engagement und das Wirken in die Öffentlichkeit werden Brücken gebaut und Türen geöffnet, waren sich die Teilnehmer an der Fahnenhissung einig. Dazu verstärkt beitragen könnte eine Entscheidung, die noch vor der politischen Sommerpause das Bundeskabinett auf den Weg bringen könnte.
Mit dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag soll es trans- und intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtert werden, ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern zu lassen. Das Bundesgleichstellungsministerium und das Bundesjustizministerium haben einen Entwurf erarbeitet, auch weil das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen Teile des über 40 Jahre alten, sogenannten „Transsexuellengesetzes“ für verfassungswidrig erklärt hat.
Neue Gruppe für Jugendliche
Allein schon der Name „Transsexuellengesetz“ muss geändert werden: Das Wort „transsexuell“ ist historisch verknüpft mit der „Pathologisierung und Stigmatisierung von transgeschlechtlichen Personen“, so das Familienministerium.
Während in Berlin bundespolitisch diskutiert wird, arbeitet man in Bensheim an einer wertvollen Ergänzung und Erweiterung des Angebots. Mit Unterstützung des Frauenbüros ist kürzlich ein Treff für Jugendliche ins Leben gerufen worden, der durch die Hessische Landesfachstelle „Queere Jugendarbeit“ des Hessischen Jugendrings für zunächst ein Jahr gefördert wird. Markus van den Boom, Leiter der Bensheimer Jugendförderung, und Paula Hille, zuständig für die inhaltliche Ausrichtung, wollen damit einen zunächst geschützten Ort schaffen, an dem „junge Menschen so sein können, wie sie möchten“.
Bei Bedarf kann eine Beratung angeboten werden. Abhängig davon, wie die Resonanz ausfällt, könne zudem über eine Ausweitung des Angebots nachgedacht werden. Aktuell treffen sich die Jugendlichen zweimal im Monat. Jugendliche, die Interesse haben, können eine Mail an queerejugendbensheim@gmx.de schreiben oder sich per Direktnachricht über den Instagram-Account @queere.jugend_bensheim an das Organisationsteam wenden.
Marion Vatter freute sich enorm über diese Entwicklung und die Möglichkeiten, die sich für queere Jugendliche daraus ergeben. Bevor die Fahne am Mast hochgezogen wurde, appellierte sie an die Gesellschaft, toleranter und offener zu sein. „Wir sind alle gut, so wie wir sind.“
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