Kommunalpolitik

30 Wohnungen auf schwierigem Gelände in Bensheim

Von 
Dirk Rosenberger
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Auf dem ehemaligen Bahngelände an der Dammstraße sollen 30 Wohnungen entstehen. Das Stadtparlament brachte den Bebauungsplan auf den Weg. © Thomas Neu

Bensheim. Wenn in Bensheim irgendwo gebaut werden soll, mangelt es selten an öffentlichen Debatten. Das gehört zum kommunalpolitischen Tagesgeschäft und ist auch gut so. Schließlich schadet es nicht, bei Projekten besonders an prominenten Stellen Vor- und Nachteile abzuwägen.

Der angedachte Neubau von 30 Wohnungen auf dem Gelände des alten Stellwerks der Deutschen Bahn an der Dammstraße eignet sich daher bestens, um durchdiskutiert zu werden, bevor der erste Spatenstich ansteht. In der jüngsten Sitzung der Stadtverordneten stand nun der Beschluss des Bebauungsplans auf der Tagesordnung. Große Überraschungen gab es bei der Abstimmung nicht, eine Mehrheit sprach sich erneut für die Planungen aus. Kritik gab es dennoch vor allem aus den Reihen von BfB und Grünen.

„Prinzipiell entspricht ein Vorhaben wie in der Dammstraße unseren Vorstellungen. Es soll Wohnraum geschaffen werden durch Nahverdichtung im Innenbereich“, erklärte Thomas Götz für die Grünen. Allerdings passen für ihn die Rahmenbedingungen nicht. Dass 18 Prozent der Dachfläche für Photovoltaik vorgeschrieben sind, halten Götz und seine Fraktion für viel zu wenig. Ein Grund für diese geringe Festsetzung sei beim besten Willen nicht erkennbar.

Ausschluss von Familien?

Der zweite große Kritikpunkt wurde bereits im Bauausschuss ausführlich besprochen (wir haben berichtet). „Das Verbot von Kinderzimmern und damit faktisch der Ausschluss von Familien mit Kindern“, was für den Bauausschussvorsitzenden kein gutes Signal für Bensheim als familienfreundliche Kommune sei. „So kann und darf man nicht mit diesem Thema umgehen.“ Zumal man aus seiner Sicht mit technischem Aufwand die Räume zur Bahnseite als Kinderzimmer nutzen könnte.

Gerechtfertigt werde das Ganze, auch der Verzicht auf die Infrastrukturabgabe für den Bauherrn, mit der schwierigen Bausituation, die es notwendig mache, dem Investor wirtschaftlich entgegenzukommen. Diese großzügigen Zugeständnisse brauche es aber nicht. „Man muss davon ausgehen, dass die schwierigen Verhältnisse in den Kaufpreis eingeflossen sind“, so Götz.

Norbert Koller (BfB) sprach von einem „überdimensionierten Projekt“, bei dem es seitens des Regierungspräsidiums erhebliche Bedenken wegen des Bahnlärms gebe. Die Schallschutzwerte würden deutlich überschritten. „Auf dem Gelände entstehen außerdem kaum zusammenhängende Grünflächen, Spielmöglichkeiten oder Freizeitflächen“, betonte Koller. Zur Vorbereitung der Bebauung seien jedoch viele Bäume und Sträucher abgeholzt worden. Eine gut gestaltete Grünzone statt eines Neubaus mit 30 Wohnungen und 47 Stellplätzen sei vielmehr die richtige Lösung.

Feridun Bahadori (CDU) erinnerte daran, dass Wohnungspreise durch den Markt geregelt werden würden. Das könnten Stadtverordnete nicht regeln. In Bensheim habe man einen „wahnsinnigen Druck auf die Preise“, unabhängig, ob es Kinderzimmer gebe oder nicht. An der Dammstraße solle nun in schwieriger Lage Wohnraum entstehen. An der Bahn entstünde ein Schallpegel von 68 bis 80 Dezibel, um Wohnraum anbieten zu können, dürften es nur 30 bis 35 Dezibel Außenlärm sein. Baulich wäre das nur mit großem Aufwand zu lösen.

Das Grundstück sei für eine Innenverdichtung genau richtig. „Wir betreiben mit unseren Entscheidungen auch Stadtentwicklung“, fügte Bahadori an. Als Stadtverordnete setze man die Leitplanken für Investoren. „Wir haben hier einen Investor, der ein großes Risiko eingeht.“ Und er komme zu dem Schluss, eben keine Wohnungen für Familien zu bauen. Single-, Paar- und Seniorenwohnungen seien gewaltig nachgefragt. „Ich bin froh, dass so etwas an dieser Stelle entsteht.“

Energieeffizientes Gebäude

Jedes Projekt müsse am Ende auch gelingen, plädierte er dafür, dem Vorhaben nicht zu viele Steine in den Weg zu legen. Dann hätte man es mit einer Ruine zu tun und das könne man nicht wollen. Die 18 Prozent Fläche für PV-Anlagen bewertete Bahadori weit weniger kritisch als die Grünen. Hinzu kämen schließlich noch eine Wärmepumpe, eine Dachbegrünung und ein Energieeffizienz-Konzept. „Es wird eine Brache in eine Wohnanlage umgewandelt“, warb der CDU-Politiker abschließend für den Neubau.

Zustimmung kam auch aus den Reihen der SPD. „Das Gelände ist kein Filetstück, es gibt viel Lärm, Schadstoffe im Boden und denkmalgeschützte Gebäude“, erläuterte Ralph Stühling. Gleichzeitig sei die Lage mit der Nähe zum Bahnhof, Innenstadt und den Einkaufsmärkten attraktiv. Der Investor beweise Mut.

Zwei-Zimmer-Wohnungen würden von Paaren ohne Kinder gesucht. Eine Baupolizei zur Kontrolle, ob doch Kinder einziehen, gebe es nicht. Der Verzicht auf die Infrastrukturabgabe sei gerade noch vertretbar. Das Gebäude stelle eine wesentliche Verbesserung für die Westseite der Dammstraße dar. Thorsten Eschborn bemerkte, dass eine „verwilderte Fläche in dringend benötigten Wohnraum umgewandelt wird“. Der Verlust der Natur sei minimal. Frischluftschneisen würden ebenfalls nicht zugebaut. Das Gebäude werde energieeffizient errichtet, Verkehrsprobleme seien nicht zu erwarten, so der FDP-Fraktionschefs.

Kindern sei es im Übrigen nicht verboten, sich in den Wohnungen aufzuhalten. Sie sollten nur nicht in den Räumen zur Bahnseite hin schlafen. Das gelte ebenso für Erwachsene. „Kindern ist es auch nicht verboten, in den Wohnungen zu wohnen.

Einige Wohnungen haben eben nur ein Zimmer, was nicht zum Schlafen geeignet ist“, dröselte Eschborn das Diskussionsthema auf. Er glaube an die Eltern in Bensheim, dass diese ihre Kinder nicht in solchen Räumen nächtigen lassen. Natürlich werde der Platz knapp, wenn das zweite Kind komme. Aber auch hier traue er den Eltern zu, sich dann eine größere Wohnung zu suchen.

Alois Hillenbrand (FWG) bezeichnete das Areal als Schandfleck. Die Stadt habe allerdings nicht die finanziellen Mittel, daran etwas zu ändern. Der Investor habe sicherlich entsprechende Recherchen angestellt und sich ein Konzept zurechtgelegt. Alleinstehende, kinderlose Paare oder ältere Menschen bräuchten kleinere Wohnungen. Wenn diese ihre Häuser oder größeren Wohnungen verlassen und an die Dammstraße ziehen, werde ihre bisherige Immobilie für den Wohnungsmarkt frei.

Kritik nicht zielführend

Die Kritik an einer zu kleinen Photovoltaikanlage sei nicht zielführend. Schließlich müssten in der Gesamtbetrachtung die Wärmepumpe und der Standard als Effizienzhaus berücksichtigt werden. Die FWG begrüße die Bebauung, so Hillenbrand.

Doris Sterzelmaier (Grüne) monierte hingegen, dass man auf 120 000 Euro Infrastrukturabgabe für die Schaffung von Kita-Plätze verzichte. Gleichzeitig habe man aber in der Sitzung die Erhöhung der Kita-Gebühren beschlossen. „Eine Belastung für Familien, und das bei der Inflationslage.“ Und wenn der Denkmalschutz die Abrissgenehmigung für das alte Bahnhaus und Vereinsheim des Eisenbahner-Sportvereins nicht erteile, „dann werden wir uns Gedanken machen müssen über die Entwicklung der Fläche.“

Am Abstimmungsergebnis änderten die Einlassungen nichts. Grüne, BfB und Rudolf Volprecht (CDU) votierten dagegen, Antje Adam (Grüne) enthielt sich. CDU, SPD, FDP und FWG befürworteten das Bauprojekt.

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