Kommentar Hansi Flick bleibt Bundestrainer: Weiter mit dem Gescheiterten

Hansi Flick hat vor und während der WM in Katar Fehler gemacht, die man von ihm nicht erwartet hätte. Aber es gibt Gründe dafür, warum der Bammentaler Bundestrainer bleiben darf, kommentiert Alexander Müller

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Alexander Müller
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Am Tag, nachdem der DFB bekanntgegeben hat, mit Hansi Flick als Bundestrainer weiterzumachen, ist es zunächst einmal an der Zeit, mit einem Missverständnis aufzuräumen. In der allgemeinen Wahrnehmung gilt der Job als Chefcoach der Nationalmannschaft immer noch als die Krönung einer Trainer-Karriere. Ein Trugschluss. Die erfolgreichsten Bundesliga-Trainer der vergangenen 25 Jahre waren Jupp Heynckes, Ottmar Hitzfeld und Otto Rehhagel – Bundestrainer war jedoch keiner aus diesem Trio.

Das gilt erst recht für die aktuelle Generation der besten Fußball-Sachverständigen des Landes. Für Jürgen Klopp, Thomas Tuchel oder Julian Nagelsmann ist der DFB-Job nur mäßig reizvoll, solange sie mit einem Spitzenverein um die großen Titel spielen können. Der lange Leerlauf zwischen den Spielen, nur notdürftig gefüllt mit Tribünenbesuchen zwischen München und Manchester, bis es alle zwei Jahre bei einem Turnier ernst wird, stellt keinen Top-Trainer mit Anspruch mehr zufrieden.

Diese Gemengelage bildet den Hintergrund, vor dem auch die Weiterbeschäftigung Flicks spielt. Der Bammentaler hat vor und während der WM Fehler gemacht, die man von einem erfahrenen Mann wie ihm nicht erwartet hätte. Eine viel zu lasche Vorbereitung, falsche Auswechslungen beim 1:2 gegen Japan, selbst über die Nicht-Nominierung von Mats Hummels kann man eingedenk der deutschen Abwehrschwächen in Katar noch einmal trefflich streiten.

Flick ist bei seinem ersten großen Turnier als DFB-Chefcoach gescheitert – auch wenn letztlich der überhebliche Auftritt Spaniens gegen Japan (1:2) die realistische Chance verbaute, dank einer günstigen Konstellation im Turnierbaum mindestens bis ins Halbfinale vorzustoßen. Und dann würden wir statt über die Krise über eine neue Euphorie rund um das DFB-Team reden.

Radikalumbruch gescheut

Die Entscheidung, mit Flick die enorm wichtige Heim-EM 2024 anzugehen, ist sicher auch mangelnden Alternativen und einer konservativen Grundhaltung an der DFB-Spitze geschuldet. Nach dem Abgang von Manager Oliver Bierhoff scheute der Verband den Radikalumbruch relativ kurz vor der Europameisterschaft – zumal es bis dahin für das DFB-Team nur noch Testspiele gibt, deren sportliche Aussagekraft gen Null tendiert. Und eine etwa aus dem Handball bekannte zeitlich begrenzte Doppelfunktion als Vereins- und Nationaltrainer ist im Fußball nicht vermittelbar.

Deshalb geht es weiter mit Flick, wofür man trotz der darniederliegenden Stimmung um die DFB-Elf auch Argumente finden kann. Denn dass der Kurpfälzer weiß, wie man eine kriselnde Mannschaft wieder auf Vordermann bringen kann, hat er beim historischen Sextuple mit dem FC Bayern bewiesen. Flick muss aus dem Katar-Debakel seine Lehren ziehen, sich straffen und womöglich auch einige harte Entscheidungen treffen, die seinem freundlichen Naturell eher zuwiderlaufen. Etwa die Antwort auf die Frage, ob die Zeit der langjährigen Führungsspieler Manuel Neuer und Thomas Müller im DFB-Team nicht abgelaufen ist.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB