Kommentar Bayer Leverkusen vor erster Meisterschaft: Triumph mit Beigeschmack

Die hochwahrscheinliche Meisterschaft für Bayer Leverkusen ist hochverdient. Dass sich die Euphorie über das Ende der Monotonie an der Bundesliga-Spitze dennoch in Grenzen hält, hängt mit der Geschichte von Bayer 04 zusammen

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Alexander Müller
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Der Nachfolger des Vereins, der vor 120 Jahren als lockere Betriebssportgruppe für 170 Arbeiter des Bayer-Konzerns gegründet wurde, wird im Mai 2024 sehr sicher den deutschen Fußball-Gipfel erklimmen. Nach dem eigenen 2:1-Sieg gegen Hoffenheim und der überraschenden 0:2-Niederlage des FC Bayern gegen Borussia Dortmund geht Bayer 04 Leverkusen mit 13 Punkten Vorsprung in die letzten sieben Spieltage der Bundesliga. Das kann und wird die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso, die in dieser Saison wettbewerbsübergreifend ungeschlagen ist, nicht mehr verspielen. Man kann sich den vorzeitigen Glückwünschen von Münchens Trainer Thomas Tuchel nur anschließen: Die Rheinländer werden die Bayern-Dominanz nach elf Titeln in Folge durchbrechen und die Schale erstmals unters Bayer-Kreuz holen.

Das ist an erster Stelle das Ergebnis herausragender sportlicher Arbeit: Von Trainer Alonso, der mit der Erfahrung seiner Weltklasse-Karriere als Spieler eine famose, robuste Mannschaft geformt hat, die spektakulären Offensivfußball zeigt. Und von Sportchef Simon Rolfes, der schrittweise einen auch in der Tiefe qualitativ hochwertigen Kader zusammengestellt hat, dem in dieser Saison das Titel-Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal-Sieg und Europa-League-Triumph locker zuzutrauen ist. Das wäre absolut sensationell.

Es macht einfach Spaß, Bayer Leverkusen in dieser Saison zuzuschauen. Und jeder einzelne Titel wäre hochverdient.

Dass sich die Euphorie in der Fußball-Republik über das herbeigesehnte Ende der Monotonie an der Bundesliga-Spitze dennoch in Grenzen hält, hängt mit der Geschichte von Bayer 04 zusammen. Hier zerschlägt gerade eben kein großer Traditionsverein die bayerische Hegemonie, sondern ein vom rheinischen Chemie-Giganten üppig alimentierter Konzern-Club, der sich den Regeln des Wettbewerbs entzieht. Die Liga gesteht Bayer 04 seit 1999 eine Ausnahme von der „50+1“-Regel zu („Lex Leverkusen“), laut der die Entscheidungshoheit eigentlich immer beim Verein – und nicht beim Investoren – liegen soll. Der ordnungspolitische Sündenfall, der Jahre später leider auch den unseligen Aufstieg des Marketingkonstrukts RB Leipzig begünstigt hat.

Der Leverkusener Triumph wird deshalb abseits des Bayer-Kreuzes mit einem faden Beigeschmack versehen sein. In der Chemiestadt dürfen sie natürlich dennoch und völlig zurecht ausgiebig feiern. Dass Meistermacher Alonso trotz hochkarätiger Angebote bleiben will, beweist, dass diese sportliche Erfolgsgeschichte noch nicht zu Ende erzählt sein muss.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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