Edingen-Neckarhausen. Böllern, sich über Böllern aufregen, Feiern, Essen – wie könnte ein repräsentatives Silvester 2023 noch ausgesehen haben? Nun, nicht ganz selten waren ein rasant ausschlagender positiver Corona-Test und selbstgewählte Isolation. Denn als Infizierter mit Dauerhusten und Schnupfen ist man natürlich immer noch keine gute Gesellschaft auf Festen, Galas oder sonstigen Veranstaltungen.
Aber was passt besser in das „The Walking Dead“-Szenario einer Silvesternacht im vermeintlich postpandemischen Zeitalter, als ein Besuch in einem menschenleeren, automatisierten Supermarkt, nachdem sich der der Pyro-Rauch verzogen hat. Besonders geeignet für diese Dystopie für Anfänger: der vor Weihnachten neu eröffnete "Teo" am Hallenbad im zum Jahreswechsel überschaubar quirligen Neckarhausen. Schöne neue Welt ...
Teo in Neckarhausen: Kein Alkohol im Angebot
Schließlich war Einkaufen die Tage zuvor virusbedingt nicht opportun. Und auch ohne Feierbiesterei können Vitamine und Tee am Neujahrstag nicht schaden. Dazu kommt die journalistische Neugier: Was ist nach einem Silvester-Sonntag noch übrig von der 900 Produkte umfassenden Angebotspalette? Vor allem gibt es noch Sekt?
Nun, Sekt gab es nicht. Allerdings grundsätzlich nicht. Auch keinen anderen Alkohol. Logisch eigentlich – wie soll das Alter der Einkaufenden in einem Laden ohne Angestellte kontrolliert werden? Richtig gefleddert waren nur drei Warengruppen: irgendwas mit Cola, Tiefkühl-Pizzen und Chips. Erwartbar.
Blick wie ins Raumschiff Enterprise
Überraschend dagegen: Der hell erleuchtete Laden mit der seltsam anheimelnden Holzfassade mag nur so groß sein wie drei Gartenhäuschen. Er strahlt aber glamourös in die Neckarhäuser Nacht – wie eine Hütte für VIP-Après-Ski-Partys im teuersten Teil von Kitzbühel. Der Blick hinein durch ein riesiges Bullauge wirkt seltsam futuristisch – so stellt man sich die Vorratskammer der Kombüse des Raumschiffs Enterprise vor.
Wohl deshalb war der "Teo" auch nicht menschenleer. Es kommen einem tatsächlich paar Jugendliche entgegen. Wohl auf der Suche nach Irgendwas, das hilft, diese Nacht noch ein wenig zum Tag zu machen.
Dann passiert das Unerwartetste: Einer der Teenager wünscht wohlerzogen und mit Augenkontakt ein schönes neues Jahr, obwohl ein sich wegen des positiven Tests schnell mit dem Schal vermummender, älterer Kulturredakteur wenig freundlich anmuten muss. Das wirkt nach diesem zähen 2023 aufmunternder als der Mango-Maracuja-Smoothie oder der Bio-Fenchel-Tee. Vielleicht kann es 2024 wirklich nur besser werden. Aber das haben wir schon vor einem Jahr gehofft.
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