"Darf ich meine Karte noch ausspielen, obwohl du mich gefressen hast?", fragt Daniela ihren Mitspieler Matthias unsicher. Sie und Gordon sind auf dem fremden Planeten Artemis gestrandet, "wo ich der böse Herrscher bin", sagt Mittdreißiger Matthias verschmitzt lächelnd. Im Kartenspiel "Not alone" müssen die notgelandeten Raumfahrer die Insel erkunden und auf die rettenden Raumkapsel warten, wobei sie ständig gejagt werden - und manchmal erwischt, so wie jetzt. Resigniert gibt Daniela einen Willenspunkt ab und zieht neue Karten. "Das nächste Mal kannst du dich opfern, Gordon, dann trifft es nicht wieder mich", sagt Daniela. Duzen ist in Brettspielkreisen üblich, egal wie alt die Spieler sind.
Matthias, Daniela und Gordon verbindet vor allem eins - ihre Leidenschaft für Brett- und Kartenspiele. Gefunden haben sich die Spieler an diesem und den fünf weiteren Tischen in der Mannheimer Gasthaus "Uhland" über die Gruppe "Spielinsel Rhein-Neckar" auf Facebook. Regelmäßig treffen sich die Spieler, überwiegend Paare Ende 30.
Tetris mit Blumen
Die Idee dazu hatte Silke Benzinger-Thierolf, die gerade zwei Tische weiter "Cottage Garden" lernt. Bei dem Legespiel müssen Blumenbeete in Form von Tetrisfiguren angepflanzt werden, ohne die abgebildeten Blumentöpfe zu überdecken - die bringen nämlich Punkte. Mitspieler Mathias erklärt geduldig, wie bei dem Spiel die meisten Punkte erzielt werden können und warum kleine Kätzchenplättchen zum Sieg verhelfen.
"Das Spiel sieht echt schön aus und langsam bekomme ich den Dreh raus", meint Silke und legt ein verwinkeltes Plättchen mit Sonnenblumen darauf in ihren Garten. So oft wie möglich müssen die Beete bepflanzt und abgeerntet werden. Dass das gar nicht so leicht ist, wie es klingt, zeigt sich beim Auszählen. Matthias, der erfahrenste Spielgärtner, gewinnt mit großem Abstand.
Spaß hat das Spiel trotzdem allen gemacht und eine Dreiviertelstunde sei eine gute Zeit für ein Spiel, meint Silke. Lange sitzen die Spieler an diesem Abend noch beisammen, würfeln, ziehen Karten, sammeln Punkte - und freuen sich schon auf das nächste Treffen zwei Wochen später in Heidelberg.
Ob Klassiker wie "Siedler von Catan", Dauerbrenner wie "Monopoly" oder innovative Spielideen wie "Unlock!" - Brettspiel sind in Deutschland beliebt wie nie zuvor. Nach Angaben des Branchenverbands Spieleverlage e.V. wurden im vergangenen Jahr knapp 40 Millionen Brettspiele und Puzzles in Deutschland gekauft. Die Vielfalt dabei ist groß: Rund 1500 Spiele erscheinen jährlich neu auf dem Markt.
"Deutschland galt schon immer als das Spieleland schlechthin", meint Bernhard Löhlein, Jurymitglied des renommierten Spielepreises "Spiel des Jahres". In den Kategorien "Spiel des Jahres", "Kennerspiel des Jahres" und "Kinderspiel des Jahres" prämieren sie seit 1979 Brettspiele. "Bis in die 1980er Jahre war Spielen eher etwas für Freaks. In den letzten Jahrzehnten hat sich das verändert: Die Autoren wurden kreativer, die Gestaltung ansprechender und Brettspiele insgesamt beliebter", sagt Löhlein.
"Aktuell sind sogenannte ,Escape Spiele' wie "Exit" oder "Unlock!" im Trend", meint der Spieleexperte. Im Prinzip ähneln diese den "Escape Rooms", die es seit einigen Jahren auch in Deutschland gibt. Als Gruppe müssen die Spieler dabei Rätsel lösen und so möglichst schnell aus dem Raum, beziehungsweise dem Spiel, zu "entkommen". "Dafür braucht man keine Vorkenntnisse und da man gemeinsam spielt, gibt es auch keinen Konkurrenzdruck", beschreibt Löhlein.
Klassiker bleiben beliebt
Auch im Spieleladen "Magnus Spiele" in Viernheim gehen bei Gudrun Zimmermann kooperative Spiele oft über die Ladentheke. "Früher gab es vor allem für Kinder solche Spiele. Dank ,Mysterium', ,Die Legenden von Andor' oder Escape Spielen ist die Spielart auch bei Erwachsenen inzwischen gefragt", sagt sie. Was bei den Kunden gut ankommt, bekommt sie im Laden ihres Mannes, in dem sie als Verkäufer arbeitet, jeden Tag hautnah mit.
"Die Klassiker wie ,Bonanza', ,6 nimmt!' oder ,Qwixx' sind nach wie vor beliebt", sagt Zimmermann. Gerade kleine Karten- und Würfelspiele würden oft als Mitbringsel verschenkt, sagt sie. Aber auch das "Verrückte Labyrinth", ein Schiebespiel, das es seit über 30 Jahren gibt, "läuft von allein", meint die Spieleexpertin. Ihr absolutes Lieblingsspiel ist jedoch schon seit Jahren das Würfelspiel "Las Vegas". "Da wird gezockt, gewürfelt, gewettet - und leicht zu erlernen ist es auch noch", sagt Zimmermann.
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