Ziehen, eindrehen, ausdrehen, überkreuzen, festdrücken - und fertig ist die Brezel. Bei Brezelbäcker Patrick Blau dauert das ungefähr zwei Sekunden. Länger haben er und seine zwei Mitarbeiter in Blaus Backstube in Speyer auch nicht Zeit. Ohne Unterlass füttert ihre Kollegin die Portioniermaschine, die kurze Teigwürste auf das Fließband fallenlässt. Blau zieht an den Enden, verschlingt diese locker in der Luft miteinander und lässt sie auf dem Blech landen. Dabei erinnert er an einen Pizzabäcker - nur fliegt die Brezel nicht ganz so hoch wie der italienische Teigfladen.
Vor einem Jahr hat Blau die Bäckerei übernommen, die sein Großvater 1964 gegründet hatte. "Ich bin mit der Brezel aufgewachsen und mein Opa hat mich schon als Junge in die Backstube mitgenommen. Deswegen wollte ich den Familienbetrieb unbedingt erhalten", sagt Blau. Seinen sicheren Job bei einer Bank hat Blau für das Brezelbacken aufgegeben. Über Monate hat er morgens in der Bäckerei ausgeholfen und sich von seinen Tanten, von denen er den Betrieb übernimmt, in die Kunst des Brezelschlingens anlernen lassen. Danach ging es zu seinem damaligen Job in die Bank. "Der Chef war also erstmal der Lehrling. Aber ich finde es wichtig, dass ich auch oft mit in der Backstube bin", meint der Brezelbäcker lachend.
Jedes Stück ein Unikat
Inzwischen ist es 7 Uhr, nach gut zweineinhalb Stunden Arbeit sind die langen Lagerregale voll mit den rohen Brezeln und Laugenstangen, der Teig aufgebraucht. Patrick Blau legt nach und nach die Brezel auf das kleine Förderband, auf dem die Brezeln durch die Lauge fahren. Dann werden sie mit Salz bestreut und kommen in den Backofen. Der Duft von frischem Laugengebäck durchströmt die Backstube. Blau packt sich schnell noch eine zum Frühstück ein, bald muss er los. Abgesehen von den Brezeln, die direkt aus der Backstube verkauft werden, beliefert Blau unter anderem die Brezelhäuschen in der Speyrer Innenstadt.
60 Cent kostet die Laugenbrezel dort - nicht mehr als beim Bäcker, aber rund doppelt so viel wie an den Backautomaten der großen Discounter. "Der Kunde ist bereit, für die Qualität zu zahlen", ist Blau zuversichtlich. Qualität heißt für den Speyrer, ohne Zusatzstoffe und Backmittel zu arbeiten. Knusprig, lecker und jedes Stück ein Unikat - in Speyer sind die Waren der letzten Brezelbäckerei Kult. Da trägt auch mal ein Baby eine Brezeltüte als Hut. Dieses Foto von dem wohl jüngsten Brezelfan hatte eine Kundin Blau geschickt. Die Nachfrage bleibt also gesichert. "Was wäre Speyer schließlich ohne die Brezel?", sagt der Bäcker lachend und beißt beherzt in sein Frühstück. Die Brezel.
Aus dem römischen Ringbrot
Ob eher fest wie beim Speyrer Brezelbäcker, weich und fluffig wie in den mobilen Brezelbuden in den Straßen von New York oder als knusprige Salzstange beim TV-Abend - die Brezel gibt es heute an jeder Ecke. Dabei liegen ihre die Anfänge schon weit zurück.
"Die Brezel entstand aus dem römischen Ringbrot, das für kultische Zwecke benutzt wurde. Die Christen haben im zweiten Jahrhundert die Brezel übernommen für die Eucharestiefeiern", sagt Irene Krauß, Historikerin und Autorin von "Das große Buch der Brezel". Doch veränderten die Christen die Form des Brotes: Aus dem Ringbrot wurde nach und nach die Form einer doppelten Sechs und schließlich die heutige Brezelform. In den Klöstern in Süddeutschland sei die Brezel später als Gebäck in der Fastenzeit gegessen worden, sagt die Historikerin, die früher im Museum der Brotkultur in Ulm gearbeitet hat. Von der geschlungene Form der Brezel leitete sich die Bezeichnung für das Laugengebäck ab. "Der lateinische Begriff ,brachium' bedeutet Ärmchen. Über das Althochdeutsche und das Mittelhochdeutsche hat sich der Begriff zu ,Brezel' entwickelt."
Typisch süddeutsch
Nach Norddeutschland kam die Brezel erst einige hundert Jahre später. "In Norddeutschland gibt es eine andere Brotkultur. Dort wird eher Roggen angebaut, im Süden Weizen", sagt Krauß. Typisch norddeutsch sei ein Butterbrot aus Vollkornbrot, während im Süden das Brot eher gebrochen wurde, meint sie.
Für den Erfolg der Brezel seien nach Einschätzung der Historikerin mehrere Faktoren beteiligt. "Die Brezel ist kein Gebäck, das man einfach zu Hause backen konnte, sondern etwas Besonders, das es früher auch beim Bäcker nicht immer gab", sagt die Historikerin. Zudem gebe es auch eine abergläubige Komponente. "Die Brezel wurde früher oft als Glücksbringer gesehen, der vor Krankheiten schützt", sagt Krauß. Diese Assoziation würde weiter wirken. Was die optimale Brezel ist, kann die Brezelforscherin aber nicht sagen. "In Bayern haben die Brezeln dicke Arme und werden mit feinem Salz bestreut, in Baden-Württemberg sind die Brezelarme dünner und als Salz meist grobkörnig", sagt Krauß. Und am Ende ist nur eins wichtig: dass sie gut schmeckt.
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- Heutige Gewinnfrage: Vor was sollten Brezeln früher schützen? (vierter Buchstabe ist neunter Buchstabe des Gewinnbegriffs).
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