Selbstversuch - Ein Tag bei den Mannheimer Jungadlern / Das harte Programm für den Traum, Eishockey-Profi zu werden

Die eiskalte Leidenschaft

Von 
Janina Hardung
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Mittendrin: Reporterin Janina Hardung in der Nebenhalle der SAP Arena mit den Mannheimer Jungadlern und Trainer Frank Fischöder auf dem Eis. © Binder

Mannheim. Das Gitter vor dem Gesicht versperrt mir die Sicht. Der mehrteilige Schutzanzug schränkt meine Bewegung so sehr ein, dass ich schon auf dem Gummiboden Probleme bekomme. Jetzt geht's für mich ganz vorsichtig auf das Eis, während die 16- bis 18-jährigen Männer darauf gleiten, als würden sie fliegen: Für einen Tag bin ich Teil der Mannheimer Jungadler. Zwischen Hochleistungssport, Schulalltag - und Heimweh.

Ungefähr drei Stunden vor diesem zaghaften Ritt auf dem Eis ist Treffpunkt in der Kabine der Nachwuchsmannschaft - um sieben Uhr. Viele Spieler gehen mit mir bereits zehn Minuten vorher Richtung Eingang - und sehen mich an, als wäre ich ein Fremdkörper. Die Umkleide ist voll. "Für jede Minute, die wir unangemeldet zu spät kommen, zahlen wir einen Euro in die Mannschaftskasse", sagt Assistenzkapitän Luca Gläser. Disziplin wird großgeschrieben.

Hektischer Morgen

Dann geht es los mit einem Aufwärmprogramm. Ich mache alles mit. Zumindest so gut ich kann. Liegestützen, Hohe Knie und Wechselschritte über Kreuz. Ich will wissen, wie so ein Tag als Nachwuchsspieler aussieht, wie sich das anfühlt und - unter welchem Druck die Talente stehen. Schließlich haben alle den Wunsch, später einmal in die Profiligen der Eishockey-Welt aufzusteigen. Heute wird es nicht nur ein Training geben. Zweimal in der Woche trainieren die Jungadler vor und nach der Schule.

Auf dem Eis bin ich - wie erwartet - unsicher, wacklig und einfach schlecht. Die Jungadler dagegen tauen in ihren Schlittschuhen richtig auf. Von Müdigkeit keine Spur mehr. Auf einer Taktiktafel erklärt Trainer Frank Fischöder die erste Übung. Er malt Wege, die die Spieler fahren müssen - Doppelpass, zurück, sprinten, Tor schießen. "Let's go", los geht's, ruft er den jungen Männern entgegen. Sie stehen innerhalb von Sekunden auf ihren Positionen. Schnell merke ich, dass auch auf dem Eis Routine herrscht.

Nicht nur der Trainerstab, auch die Spieler unterstützen mich, wo sie nur können. Spielen langsamer und beziehen mich ein. Beim Zweikampf und den kleinen Testspielen lehne ich mich aber doch lieber an die Bande - und schaue den Nachwuchsprofis zu.

Das Training ist nach gut einer Stunde zu Ende. Mit Luca Gläser gehe ich im Anschluss in die zwölfte Klasse. Noch auf dem Eis sagt er: "In 20 Minuten ist Abfahrt, schaffst du das?" Ich frage, ob er nicht duschen will. "Doch, wir müssen uns eben beeilen, um 9.45 Uhr fängt die Schulstunde an." Hektisch ziehe ich mich um - und ab ins Auto. Das ist der erste Moment zum Durchschnaufen.

Morgen schreibt Gläser eine Englischarbeit. Wenn er wegen der Spiele oder Turniere nicht kann, muss er sie nachholen. "Früher gab es schon Klassenkameraden, die neidisch waren, weil wir häufiger für unsere Spiele oder Trainings frei bekommen", sagt Torwart Enrico Salvarani. Das ist für ihn und die anderen Spieler unverständlich. In den Ferien müssen sie nachholen, was sie wegen ihres Traumes verpasst haben.

Sport steht an erster Stelle

Was sie sonst machen, wenn sie nicht in der Schule sind oder trainieren? "Unter der Woche eigentlich nichts, da ist es wie heute, abends um 20.30 Uhr ist das Training vorbei und am nächsten Morgen muss ich wieder fit sein", erzählt der Assistenzkapitän. Ob sie von Eishockey nach so einem Tag nicht genug haben? "Wir leben eben dafür", sagen viele der Jungadler und strahlen. Das Feuer in den Augen, die Leidenschaft - ohne das alles könnten sie dieses Pensum nicht durchhalten. Eine Freundin hat der 18-jährige Gläser momentan nicht: "Im vergangenen Jahr hatte ich eine, aber das ist schwierig." Das Verständnis für diesen Lebensstil muss da sein - der Sport stehe an erster Stelle. Genauso wie eine Beziehung kommen auch Freunde oft zu kurz. Fast nur am Wochenende können sie ihre sozialen Kontakte pflegen.

Leben im Internat

Ein Teil der Jungadler kommt außerdem ursprünglich nicht aus Mannheim oder der Umgebung. Sie leben in einem Internat. Gläser stammt aus Schönheide, ein Dorf im Erzgebirge. Wenn er nach Hause fährt, hat er einen genauen Plan: "Am Sonntagmorgen fahre ich um sechs Uhr los, dann habe ich noch eine Stunde Puffer zum Training um 11 Uhr - das passt perfekt." Die jungen Spieler sehen ihre Familien fast nur in den Ferien. Aber jede Möglichkeit, für ein paar Tage in die Heimat zu fahren, nutzen sie.

Sich trotz der Abstriche für das straffe Programm der Jungadler zu entscheiden, sei ihm nicht schwergefallen. In der Nachwuchsarbeit sind die Mannheimer Adler ganz vorne dabei - und das wissen auch die Talente. Alles für den Sport eben.

In der Mittagspause bin ich müde. Jetzt noch zwei Stunden Chemie und dann ein Termin in der Physiotherapie. Um 17 Uhr geht das Training weiter: eine Runde warmlaufen um die SAP Arena, dann Übungen für Sprungkraft und Schnelligkeit. Es folgen Ausfallschritte und Bein- sowie Hüftübungen. Als wir fertig sind, will ich nur noch schlafen. Das eigentliche Training auf dem Eis geht jetzt erst los.

 

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Selbstversuch

Ein Tag als Teil der Mannheimer Jungadler

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