Selbstversuch - Zehn Tage Fasten nach der Buchinger-Methode / Von der Sehnsucht nach Essen bis zur absoluten Entspannung

Alles nur Kopfsache

Von 
Janina Hardung
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Gemüsebrühe ist während des Heilfastens die einzig warme Mahlzeit am Tag - darüber hinaus gibt es nur Wasser und Tee.

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Mannheim. In meinem Kopf kreisen die Gedanken nur noch um eins: Essen. Ein saftiges Rumpsteak, ein kleines bisschen Schokolade - oder einfach nur ein winziges Stück Käsebrot. Hunger habe ich keinen mehr - aber die Lust, etwas zu naschen, bringt mich fast um. Zehn Tage lang habe ich auf feste Nahrung verzichtet. Ein Selbstversuch während des ganz normalen Arbeitsalltags. Ist das durch die köstlichen Verführungen an jeder Ecke durchzuhalten? Kann ich mich konzentrieren? Und verkraftet mein Körper diese Dauerbelastung überhaupt? Das sind Fragen, die ich mir vor dem Start ins Heilfasten gestellt hatte - Antworten habe ich noch viel mehr bekommen.

Erlaubt sind Tee, Wasser, einmal am Tag eine selbst zubereitete Gemüsebrühe und ein Glas Gemüse- oder Obstsaft. Verboten: alles andere. Dazu gehört außerdem jeglicher Verzicht auf Zucker und Gewürze.

Unangenehm, aber notwendig - auch mit dem Thema Abführen musste ich mich beschäftigen. Mit einer Glaubersalzlösung oder einem normalen Einlauf. In den Richtlinien von Otto Buchinger ist das wichtig, um das Ausscheiden der Giftstoffe aus dem Darm zu unterstützen.

Schub für Motivation

Der erste Tag ist aufregend. Die Kommentare der Kollegen reichen von: "Das ist ja verrückt!" bis "Ich würde das nicht durchhalten." Aber ganz verzichte ich an diesem "Entlastungstag" noch nicht auf feste Nahrung. In der Kantine am Mittag esse ich eine Kartoffelsuppe und ein wenig Obst. Ich trinke den ganzen Tag über viel Wasser. Der Körper soll sich langsam an den Nahrungsverzicht gewöhnen. Und das tut er erstaunlich gut - ich fühle mich nicht hungrig und bin motiviert.

Der nächste Morgen beginnt mit der Einnahme des Glaubersalzes. Vier Stunden vor Arbeitsbeginn trinke ich das Gemisch mit Wasser. Mein Darm fühlt sich nach zwei Stunden an, als würde er implodieren. In der Redaktion geht es mir mit leerem Magen aber fabelhaft. Das Hungergefühl ist vollkommen verschwunden. Und die Artikel schreiben sich wie von selbst.

Während der Mittagspause nutze ich das sonnige Wetter für einen Spaziergang. Die nächsten Tage bei der Arbeit sehen für mich ähnlich aus. Wenn die Kollegen Richtung Kantine schlendern, sitze ich im Büro, löffle einsam meine Gemüsebrühe und gehe danach an der frischen Luft - einmal um den Block.

An Tag fünf ändert sich meine Verfassung schlagartig. Mein Kreislauf sackt ab, mir ist erst heiß, dann kalt und ich bin müde. Ich werde unkonzentriert und kann meine Arbeitsaufträge nur schwer ausführen. An diesem Punkt bin ich froh, dass das ein Selbstversuch für diese Zeilen wird. Und mein Kollege auf der anderen Seite des Schreibtisches mir verständnisvoll seine Teekanne anbietet. "Bald hast du's geschafft", bekomme ich zu hören.

Ich zähle die Tage und Stunden. Am Wochenende bringe ich die Tage sechs und sieben hinter mich. Viel schaffe ich in dieser Zeit nicht. Etwas Honig in meinen Tee verbessert meinen Zustand nur minimal. Ich bin erschöpft und muss mich nach jeder kleinen Anstrengung ausruhen. Das Beste daran: ich beschäftige mich viel mit mir selbst. Und komme in eine Art Trancezustand. Die Leberwickel, die ich mit einem in heißes Wasser eingetauchten Handtuch und einer Wärmeflasche um meinen Bauch drapiere, lassen mich auf dem Sofa kurzzeitig einschlafen. Alles riecht intensiver. Die warme Gemüsebrühe auf meinen Lippen löst in den letzten Tagen vor dem Fastenbrechen ein Gaumenfeuerwerk aus. Danach entspanne ich vollkommen.

Kontakte bleiben auf der Strecke

Es ist auch nicht der Hunger, der mich die feste Nahrung vermissen lässt. Es sind die sozialen Kontakte, die auf der Strecke bleiben. Keine Diskussion während der Mittagspause mit meinen Kollegen, sondern eine stille Stunde mit mir selbst. Die Verabredung am Abend im Restaurant um die Ecke mit Freunden sage ich lieber ab. Ich will nicht auf ihre Teller starren, während ich meinen gefühlt Tausendsten Tee vor mir nicht mehr sehen kann.

Wie ich das durchgestanden habe, weiß ich selbst nicht richtig. Es ist eine Kopfsache. Disziplin. Durchhalten. Und am Ende rentiert sich die Tortur. Auf das Fastenbrechen habe ich sehnsüchtig gewartet. Jetzt nur langsam, um den Darm nicht zu überfordern. Nach Buchinger müsste eine Schale Apfelbrei mit Nüssen vor mir stehen. Ich halte es aber nicht aus und belege ein Brot mit Käse. Der erste Biss fühlt sich an, wie der Himmel auf Erden. Sekunde für Sekunde füllt sich mein Magen. Eine halbe Tomate esse ich noch. Dann bin ich satt, stolz und glücklich.

Verschiedene Fastenmethoden

  • Die Heilfasten-Methode nach Otto Buchinger verzichtet auf feste Nahrung. Erlaubt sind Tee, Gemüsebrühe und Wasser. Außerdem wird der Darm mit Glaubersalz oder einem Einlauf geleert. Dadurch wird auch das Hungergefühl reduziert.
  • Beim Suppen- beziehungsweise Saftfasten wird ebenfalls auf feste Nahrung verzichtet. Im Vergleich zum Heilfasten versorgen die Suppen und Säfte den Körper mit Nährstoffen.
  • Basenfasten ist eine von Sabine und Andreas Wacker entwickelte Methode. In dieser Zeit nimmt der Fastende nur Obst und Gemüse zu sich, um den Körper zu entgiften. Durch das übliche Nahrungsüberangebot ist das Geschmacksempfinden strapaziert. Dies soll dadurch reguliert werden.
  • Bei der Fastenmethode nach Hildegard von Bingen ist die Basis die Getreideart Dinkel. Dinkel hat nach der Meinung von Bingen eine heilende Wirkung und ist sehr bekömmlich. Die Getreideart soll sättigen, den Organismus aufbauen und die Stimmung positiv beeinflussen.
  • Das vegane Fasten beschränkt sich nicht nur auf den Verzicht von Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern. Zusätzlich wird keine Nahrung mit Zucker, Fett oder Weizen gegessen. Die Lebensmittel werden dabei bewusst ausgewählt und Produkte mit Vitaminen stehen auf dem Speiseplan.

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