Schwetzingen. Die 4000 ZAZ-Fans im Schwetzinger Schlossgarten können sich doppelt und dreifach glücklich schätzen: Sie bekommen von ihrem französischen Star nicht nur die gewohnt energiegeladene, grandiose Show. Die 45-jährige Nouvelle-Chanson-Sängerin liefert auch gleich einen ausführlichen Vorgeschmack auf ihr sechstes Studioalbum „Sains & Saufs“, das erst am 19. September erscheint. Und in diesem wechselhaften Sommer auch nicht unwichtig: Das Wetter passt perfekt zu diesem Open Air. Nicht zu kalt, nicht zu heiß - etwa wie bei ihrem letzten Gastspiel bei Musik im Park 2022. Die regelmäßigen Besucher und Besucherinnen der Reihe des Veranstalters können ja Lieder von wahren Sintfluten im August singen.
Zwei Songs vom neuen Album eröffnen dann auch das Konzert: das zuletzt als Single veröffentlichte „Pardonne“ und „Mon sourire“. Die zunächst sparsam instrumentierte Eröffnungsballade singt ZAZ kraftvoll und verletzlich zugleich. Die unterschiedlich dosierte raue Facette ihrer Stimme macht sie so unverkennbar und reizvoll.
Neue Songs wie „Pardonne“ sind extrem persönlich und offen
Inhaltlich ist „Pardonne“ harte Kost, denn das neue Album fokussiert auf persönliche Themen und bewältigte Krisen: „Ich vergebe allen Widrigkeiten zum Trotz. Ob es regnet, ob es schneit, ob es windet. Um dem Griff zu entkommen. Dunkle Jahre, graue Seelen. Ich vergebe der Vergangenheit und der Zukunft“ – das ist mit Inbrunst gesungene Lebenshilfe. Und erinnert ein wenig an die andere, jüngere Ausnahmestimme Frankreichs: Maifeld-Derby-Headlinerin Zaho de Sagazan.
Das zweite Stück ist positiver: „Mon sourire“ – mein Lächeln. Das passt zu ihrer Aussage, dass ihre Antwort auf die Schrecken dieser Welt immer Lebensfreude gewesen sei. Beim dritten „Si jamais j‘oublie“ strahlt ZAZ, als ob sie die untergegangene Sonne ersetzen will. Viele Fans tanzen.
Die Begrüßung versucht Isabelle Geffroy alias ZAZ auf Deutsch, abgelesen vom Blatt: „Hallo, es ist lange her, dass wir uns hier gesehen haben.“ Die diesmal vierköpfige Band ist wie immer exzellent und demonstriert das früh im Konzert mit geschmackvollem musikantischen Muskelspiel: Auf ein angejazztes Jam-Intro lässt das Energiebündel am Mikro eine Mischung aus Sprech- und Scat-Gesangfolgen, es gibt mal ein ausgedehntes Gitarrensolo von Sebastien Giniaux, dann wird der Bass virtuos geslappt von Emrah Kaptan, der mit Schlagzeuger Jon Grandcamp eine furiose Rhythmusgruppe bildet. KeyboarderDavid Hadjadj rundet den mit fast allen stilistischen Wassern gewaschen Sound variabel ab. Rock, Prog-Elemente, Balladen, die vor Kraft vibrieren, und Oldschool-Chansons wie Maurice Chevaliers „Paris sera toujours Paris“, die energetisch runderneuert werden wie eine Jugendstil-Villa – stilistisch kann hier fast alles passieren. Das macht das Konzert so kurzweilig. Wobei es mit rund 90 Minuten auch kurz ist (während denen fast 30 Feuerwehrwagen das nahegelegene Krankenhaus ansteuern, wo ein Großeinsatz in einem Schwesternwohnheim läuft).
Aber die Fans sind mehr als zufrieden. Kein Wunder: Beim spanischen „Qué vendrá“ wurde schon früh mitgesungen. „Les passants“ und „Comme ci, comme ça“ sorgen sehr charmant für Bewegung im Park. Die tatsächliche flammende emanzipatorische Hymne „La Flamme“ vom neuen Album funktioniert auf Anhieb, als wäre es ein ZAZ-Klassiker. Man merkt, dass die Sängerin ihre frisches Material schon auf kleinen Bühnen fein geschliffen hat.
Einmal singt sie sich wie Beth Hart auf den Knien die Seele aus dem Leib
„Mon coeur tu es fou“ singt ZAZ solo, kraftvoll und kämpferisch solo. Irgendwann setzt eine martialische Kampftrommel ein und daran knüpft der Stadion-Beat von „Éblouie par la nuit“ an. Je länger die Show dauert, umso rockiger und intensiver wird sie. Einmal singt sich ZAZ wie US-Kollegin Beth Hart auf den Knien die Seele aus dem Leib. Dabei wirkt sie gesund und munter (so die Übersetzung des mitreißenden Albumtitelsongs „Sains et saufs“), man könnte sagen heiler als in jungen Jahren.
Zum Abschluss kann nur der Superhit „Je veux“ kommen
Bei den Mitsingspielchen zum wuchtig experimentellen „La fee“ wird klar: „Lauter!“ ist das deutsche Wort, das ZAZ mit Abstand am besten aussprechen kann. Das reguläre Set endet mit dem furiosen „On Ira“, „Dankeschön“, Handkuss und Verbeugung nach knapp 80 Minuten. Die schnelle Zugabe beginnt mit der Ode an die Freude, solo improvisiert auf der E-Gitarre von Sebastien Giniaux. ZAZ kommt dann für eine extrem einfallsreiche Version des Piaf-Meilensteins „La vie en rose“ zurück auf die Bühne.
Zum Abschluss kann nur der Superhit „Je veux“ kommen. Der hat zwar schon mal mehr geknallt, schaukelt sich aber hoch und ist natürlich der Höhepunkt des Abends. Viele Küsse später ist Schluss. Gern wieder in drei Jahren, dann ohne Brand und Sirenen in der Nachbarschaft.
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