In vielen Wohnzimmern der Region finden sich himmlische Botschafter aus dem Odenwald. Denn dort besteht eine Kunsthandwerkertradition, die bis ins Mittelalter reicht - und die teilweise einmalig in Deutschland ist. Die Menschen, die diese Tradition bewahren, trifft man in Michelstadt. Im beruflichen Schulzentrum des Odenwaldkreises befindet sich seit fast 125 Jahren die Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Gewerbe.
Graf Franz I. zu Erbach-Erbach lernte das wertvolle Material Elfenbein bei seinen Italien-Reisen kennen. Und weil die Handwerker im Odenwald ohnehin Knochen und Geweih bearbeiteten und er in der armen Region einen neuen Wirtschaftszweig etablieren wollte, förderte er fortan die Elfenbeinverarbeitung. So entstand die Fachschule für Elfenbeinschnitzer. Inzwischen ist sie die Einzige in Deutschland.
Seit der Einführung des Handelsverbots für Elfenbein 1989 werden an der Schule keine Stoßzähne mehr bearbeitet. Stattdessen fertigen die Schüler Schmuck, Skulpturen oder Gebrauchsgegenstände wie Löffel und Becher aus den ähnlich harten Tagua-Nüssen, Bernstein, Rinderknochen oder Mammut-Elfenbein. Letzteres ist zwar schon mehr als 10 000 Jahre alt, wird aber heutzutage immer noch aus den Permafrostböden Sibiriens ausgegraben.
Feilen, Schleifpapier, elektrische Fräser, Scheren, Klebstoff und natürlich die Schaber, spitze schmiedeeiserne Metallstifte, kommen hier zum Einsatz. Sie sind das traditionelle Werkzeug der Elfenbeinschnitzer, das sich jeder Schüler zu Beginn seiner Ausbildung selbst herstellt, weil es sie nirgends zu kaufen gibt. Die meisten Gesellen bilden sich nach der Lehre weiter, werden Restauratoren, Kunstlehrer, Schmuckdesigner oder Zahntechniker, die ähnliche Fertigkeiten benötigen. mig/ü
Die Berufsfachschule
Die Schule wurde 1892 in Erbach gegründet und zog in den 60er Jahren ins benachbarte Michelstadt. Ausgebildet werden Elfenbeinschnitzer, Holzbildhauer, Drechsler und Tischler.
Die Berufsfachschule befindet sich im Beruflichen Schulzentrum Odenwald, Erbacher Straße 50, 64720 Michelstadt, Telefon: 06061/9510, E-Mail: thed@bso-michelstadt.de. /ü
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