Gewissheit nach 75 Jahren

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Heute sind Hemsbach und Wareham Freunde, früher waren sie Feinde. Im Zuge der Partnerschaft konnte nach 75 Jahren auch das Schicksal einer deutschen Bomberbesatzung in der Luftschlacht um England geklärt werden, die von Juli 1940 bis Mai 1941 tobte und viele Menschen das Leben kostete.

In der Nacht von 10. auf 11. Mai 1941 flog die deutsche Luftwaffe mehr als 500 Bombereinsätze über England, wobei über 700 Tonnen Spreng- und 83 000 Brandbomben auf London abgeworfen wurden. Bei dem Einsatz dabei war auch der Beobachter eines zweimotorigen Heinkel-Bombers, Feldwebel Fritz Muhn aus Grasellenbach. Über 30 Bomber hatten den Befehl, Ziele in und um Birmingham zu bombardieren. Muhn hatte den Spezialauftrag, das Flugzeugwerk im Stadtteil Longbridge anzugreifen, in dem die gefürchteten englischen Lancaster-Bomber hergestellt wurden. Dazu kam es aber nicht - wahrscheinlich, weil die Mannschaft dem falschen Weg gefolgt war und das Abwurfziel nicht sofort ausmachen konnte.

In der mondhellen Nacht flog sie sehr niedrig, um sich zu orientieren. Dabei wurde das Flugzeug wahrscheinlich durch den Beschuss eines Nachtjägers beschädigt, wobei möglicherweise auch mindestens ein Besatzungsmitglied verletzt wurde, so dass eine Notlandung unabdingbar erschien. Bei der Suche nach einem geeigneten Notlandeplatz wurde das Flugzeug von schwerem Maschinengewehr abgeschossen.

Beim Aufschlag geriet der Bomber in Flammen, Sekunden später folgten mehrere Explosionen. Drei der vier Besatzungsmitglieder kamen bei dem Absturz ums Leben: Pilot Oberleutnant Johannes Speck von Sternberg, Beobachter Feldwebel Fritz Muhn und Bordmechaniker Feldwebel Siegfried Rühle. Sie wurden am nächsten Tag auf dem Friedhof in Robin Hood begraben und fanden 1961 schließlich auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Cannock ihre letzte Ruhe.

Der vierte Mann, Bordfunker Gefreiter Rudolph Budde, wurde aus der Maschine geschleudert und überlebte mit schweren Brandverletzungen. Nach seiner Kriegsgefangenschaft kehrte er nach Deutschland zurück, heiratete und starb wahrscheinlich im Jahr 2003.

Busfahrer gibt den Hinweis

Das Schicksal von Fritz Muhn war seinen Familienangehörigen bis zum Besuch der Hemsbacher Freunde aus Wareham im vergangenen Juli weitgehend unbekannt. Das hat sich nun mithilfe des Busfahrers aus Wareham, Christoph Sheepwash, geändert. Bei zahlreichen Gesprächen mit seinem Hemsbacher Gastgeber Alfred Moos kam auch der Zweite Weltkrieg zur Sprache.

Moos erzählt, dass sein Onkel Fritz Muhn über England abgeschossen wurde - und Sheepwash fand die Geschichte schnell im Internet. Bald darauf nahm Moos mit einem Museum in Birmingham Kontakt auf, das mit großem Engagement eine umfangreiche Beschreibung des Absturzes zur Verfügung stellte.

So tragisch dieser für Insassen und Hinterbliebene auch ausging - möglicherweise hat er vielen englischen Frauen, Männern und Kindern damals das Leben gerettet, weil die Tausend-Kilo-Bomben ihr Ziel nicht erreichten. am/peb/vato/ü

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