Menschen: Die Familie Massoth baut mit ihrem Unternehmen in Seeheim seit 35 Jahren Geräuschmodule für Miniaturanlagen

Damit die Modellbahn schön schnauft und quietscht

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bergstrasse. Puristen verlangen Originaltöne. Ein "so ähnlich" hat keine Chance. Die Modelleisenbahnen der Zielgruppe quietschen wie das Vorbild. Sie schnaufen in natürlicher Akustik und scheppern im Sound der großen Brüder. Selbst die Durchsagen der Schaffner werden eins zu eins in die kleine Welt übertragen.

Wer seine Miniaturbahn zum Sprechen bringen will, kommt an der Firma Massoth nicht vorbei. In einer Sackgasse in Seeheim werden seit 35 Jahren elektronische Geräuschmodule entwickelt, die aus einem Hobby ein Erlebnis machen.

Der Familienbetrieb hat sich auf die Schaffung akustischer Kulissen spezialisiert, die einer Modellanlage den letzten realistischen Pfiff geben. Zur Kundschaft zählen Hardcore-Hobbyisten, bei denen es auf jedes Detail ankommt: Dazu gehört neben der Konstruktionstechnik auch der spezifische Krach, den so ein Schienenbolide veranstaltet. Jedes Bremsen, jede Kurve und jedes Anfahrgeräusch wird den Minis elektronisch eingepflanzt und auf Abruf hörbar gemacht - bei qualmenden Dampfloks ebenso wie bei modernen Schnellzügen.

Früher hat Firmengründer Hartmut Massoth den Loks einen Klöppel eingebaut. Seit den 90er Jahren äußern sich die Züge über winzige Elektronik-Chips, die beliebig bespielbar sind. Die technische Entwicklung hat den Sound-Tüftlern von Massoth neue Möglichkeiten eröffnet: Ein Prozessor mit Tonspeicher und ein kleiner Lautsprecher fahren im Inneren der Bahnen mit. Unsichtbar, aber unüberhörbar.

Sprechender Bahnhofsvorsteher

Daniel Massoth ist junger Geschäftsleiter und in der dritten Generation im Familienunternehmen tätig. Er erklärt, wie 10 bis 20 Soundsequenzen über bis zu sechs verschiedene Kanäle angesteuert und einzeln oder synchron wiedergegeben werden können. Über einen im Hause entwickelten Funk-Handregler kann der Hobby-Lokomotivführer nicht nur Züge steuern und Weichen stellen, sondern auch die implantierten Geräuschmodule zum Klingen bringen. Die Loks sind nicht nur mehrsprachig - auch Dänisch und Spanisch sind kein Problem -, sondern auch mundartlich versiert. Zur Not schreit der Bahnhofsvorsteher mit schwäbischem Akzent.

Um an die Originaltöne heranzukommen, scheut der Betrieb keinen Aufwand. Für ein einziges Kuppelgeräusch sind die Klangspäher auch schon nach Alaska geflogen. Für das Knattern eines Street Car ging's ab nach New Orleans. Daheim werden die Töne bearbeitet und den Modellen angepasst. In Seeheim sind Entwicklung, Mechanik und Fertigung quasi unter einem Dach. Jede Lok klingt anders. Und genau das ist die Herausforderung.

Angefangen hat alles 1972, als Hartmut Massoth mit den Chefs der Firma LGB ("Lehmann-Gross-Bahn"), einem Hersteller von Gartengroßbahnen, gemeinsame Sache machte und die erste Lok mit einer Geräuschelektronik ausstattete. Zwei Jahre später wurde der tönende Zug auf der Nürnberger Spielwarenmesse vorgestellt - der Beginn einer langen Partnerschaft. Nach der Übernahme von LGB durch den Branchenriesen Märklin hat sich Massoth stärker auf die Entwicklung eigener Produktsparten verlagert.

Zu den Geschäftspartnern von Firmenchef Christoph Massoth gehören die großen Namen der Modell- und Zubehörbranche. Der Qualitätsanspruch ist hoch wie eh und je. Für einen authentischen Sound wird alles unternommen. Wird eine amerikanische Streckenansage benötigt, holt man sich halt einen Muttersprachler vors Mikro. Ist das Klangvorbild bereits in Rente, stöbern die Mitarbeiter in alten Video- und Tonaufnahmen nach brauchbaren Hinterlassenschaften.

Mit der Zeit sind aus den Ton-Archäologen richtige Eisenbahnkenner geworden, die manche Lok schon an der Glocke - mit Sicherheit aber am Quietschen und Schnaufen erkennen können. tr

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