Bewegte GESCHICHTE

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tom
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Einst war der Wald-Michelbacher „Kaiserhof“ ein Hotel-Restaurant. Jetzt gibt es wieder Bestrebungen in Richtung gastronomischer Nutzung. Einen tiefen Einblick in die Gemeindehistorie hat Gundolf Reh, der Vorsitzende des 1991 gegründeten Überwälder Museums- und Kulturvereins. Den „Kaiserhof“ gibt es, wie der Name schon sagt, seit der Kaiserzeit. Er liegt von der Ortsmitte kommend auf der linken Seite vor dem Draisinenbahnhof.

„Als Mittelpunkt zweier der größten Kirchspiele des Odenwalds und Sitz eines Amtsgerichts erfreut sich Wald-Michelbach eines verhältnismäßig lebhaften Verkehrs und seiner angenehmen Lage wegen wird es im Sommer auch von Touristen viel besucht“, heißt es im 1889 erschienenen Reiseführer, den Georg Windhaus im Auftrag des Odenwaldklubs erstellt hatte.

Foto aus den Anfangsjahren

Darin wird auch deutlich, dass der „Kaiserhof“ danach erbaut worden sein muss, denn es werden nur die Gasthäuser „Odenwald“, „Starkenburg“ und „Hirsch“ genannt. Erbauer des „Kaiserhofes“ dürfte Nikolaus Kreis gewesen sein. Zumindest ist sein Name auf einem alten Foto aus den Anfangsjahren zu sehen. Auf einem Bild von 1911 mit dem damaligen Besitzer Johann Lind und seiner Frau wird deutlich, dass das Hotel-Restaurant schon einige Zeit hatte stehen müssen, denn die Bäume daneben sind wohl etwa 20 Jahre alt.

Die Bedeutung des Gebäudes hat mit dem früheren Halt der zwischen 1899 und 1902 gebauten Überwaldbahn zu tun: „Vor mehr als hundert Jahren war der Kaiserhof sehr wichtig, denn rund um die Jahrhundertwende und vor dem Ersten Weltkrieg stiegen dort Industrielle ab“, erklärt Gundolf Reh. Fremdenzimmer gab es damals nur noch im Hotel „Odenwald“, das in den 60er Jahren abgerissen wurde.

Für Reh ein großer Verlust, denn ganze Generationen von Wald-Michelbachern wurden dort fürs Leben geprägt: Im Nebengebäude gab es Billardtische und eine Kegelbahn, später spielten dort die ersten Rockgruppen. Neben der Industrie war es der im 20. Jahrhundert aufkommende Skitourismus, der dem „Kaiserhof“ viele Gäste bescherte. Dazu trug die Eröffnung der Überwaldbahn im Jahr 1902 bei.

Denn auf der Schiene war die Anreise für Ausflügler aus Mannheim und Ludwigshafen viel kürzer als zuvor mit der Postkutsche. Diese benötigte für die mehr als 20 Kilometer von Weinheim über Mörlenbach nach Wald-Michelbach ganze drei oder vier Stunden, bevor noch ein längerer Fußmarsch auf die Ausflügler wartete, die mit ihren Skiern nach Siedelsbrunn oder auf die Tromm laufen mussten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselte der „Kaiserhof“ den Besitzer und das Gebäude firmierte als „Schülerheim Krüger“, eine Art Internat. Ein Veranstaltungssaal wurde angebaut. „Mit den geburtenstarken Jahrgängen in den 60er und 70er Jahren platzte die Schule in Wald-Michelbach aus allen Nähten“, berichtet Gundolf Reh. So wurde der „Kaiserhof“ nicht mehr als Schülerheim, sondern als Ausweichquartier genutzt.

Schule statt Hotel

„In der achten Klasse habe ich dort Theater gespielt. Generationen von Gymnasiasten aus dem Überwald dürfte der Kaiserhof ebenfalls noch in Erinnerung sein“, meint Gundolf Reh. Um die 2000er Jahre wechselte das Gebäude erneut den Besitzer – der jetzige Eigentümer erhielt es mit der Maßgabe, das Traditionshaus zu erhalten. Im Rahmen der „Aktiven Kernbereiche“ begann dann die schrittweise Renovierung. „Die Idee war immer, am Bahnhof wieder Gastronomie anbieten zu können“, erläutert Reh. tom

Der „Kaiserhof“

Der „Kaiserhof“ befindet sich am Draisinenbahnhof in Wald-Michelbach.

Erbaut wurde das Gebäude etwa in den 1890er Jahren von Nikolaus Kreis. 1911 kam es in den Besitz von Johann Lind.

Um die Jahrhundertwende war der „Kaiserhof“ zusammen mit dem Hotel „Odenwald“ eine von zwei Übernachtungsmöglichkeiten in Wald-Michelbach.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude erst als Schülerheim und dann als Ausweichquartier fürs Gymnasium genutzt.

Ab den 2000er Jahren wurde der „Kaiserhof“ saniert. tom

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