Wenn zwei große Namen wie US-Präsident Donald Trump und Rock-Ikone Bruce Springsteen über Wochen einen Konflikt austragen, wären in normalen Zeiten noble Zurückhaltung aus dem Weißen Haus und markige Worte von der Bühne zu erwarten. Stattdessen erleben wir einen Sandkastenstreit mit Gitarrenriffs und Golfbällen. Der aktuelle Zoff zwischen dem „Boss“ der globalen Rockbühne und dem selbsternannten Deal-Maker im Oval Office ist so absurd, dass man sich mit dem Titel einer einst populären Comedy-Serie fragt: Wer ist hier der Boss?
Der Boss nennt die US-Regierung „korrupt, inkompetent und verräterisch“
Alles begann am 14. Mai, als Springsteen bei seinem Konzert in Manchester die US-Regierung als „korrupt, inkompetent und verräterisch“ bezeichnete. Er plädierte vor dem seit dem 11. September 2001 bedeutungsschweren Song „Land Of Hope And Dreams“ für Freiheit und rief sein Publikum auf, die Stimme gegen Autoritarismus zu erheben. Gewohnt starke Worte von einem Mann, dessen größter Hit „Born In The U.S.A.“ gern als patriotische Hymne missverstanden wird – inklusive Trump, der den Song über einen Vietnam-Veteranen früher für seine Kundgebungen nutzte.
Davon war aber in der wenig präsidialen Replik via Social Media nichts mehr zu hören: Trump nannte den 75-jährigen Sänger eine „vertrocknete Pflaume“. Er habe den Musiker und seine „radikal linke Politik“ nie gemocht. Überhaupt: Der seit Jahrzehnten weltweit gefeierte Springsteen sei „kein talentierter Typ, sondern ein aufdringlicher, unausstehlicher Idiot“. Trump forderte den Rockstar auf, „den Mund zu halten, bis er wieder im Lande ist“ und fügte hinzu: „Dann werden wir alle sehen, wie es ihm ergeht.“. Als Krönung postete er ein KI-Video, in dem ein Golfball den Chef der E Street Band von der Bühne fegt. Ach, Mister President, das klingt nach einem Tweet aus der Signal-Gruppe im Kindergarten.
Georg W. Bush wurde auf Festivals tagelang durchbeleidigt
Trump könnte sich Nachhilfe bei seinem republikanischen Vorgänger George W. Bush holen. wie man dem Amt angemessen auf solche Kritik reagiert - nämlich gar nicht. „Never complain, never explain“, hieß das bei der Queen. Dabei wurde Bush II jahrelang von US-Bands und auf allen großen Festivals tagelang durchbeleidigt. Und zwar mit Schmäh-Vokabular, nicht annähernd so vornehm wie in Springsteens Ansprachen. Trump fordert lieber Ermittlungen, weil Springsteen angeblich für Auftritte in Kamala Harris‘ Wahlkampf bezahlt worden sei. Beweise bislang? Null. Vielleicht gab es einen Luxusflieger?
Der Boss aus New Jersey zeigt sich unbeeindruckt und kontert mit einer unangekündigt veröffentlichten Live-EP, die seine Anti-Trump-Tirade und vier thematisch passende Songs vom Konzert in Manchester verewigt. „Land Of Hope And Dreams“ heißt das Kurzalbum – passend, denn Hoffnung ist, was seine Fans brauchen, wenn Trump weiter Videos bastelt. Und an einem neuen Straftatbestand: Majestätsselbstbeleidigung. Denn so klein hat wohl noch nie ein US-Präsident sein Amt gemacht. Vielleicht sollten sie diesen Clash zweier Amerikas: im Duett klären – „Born to Run… for President“?
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Zeitzeichen Trump oder Springsteen: Wer ist hier der Boss?
Unser Kolumnist staunt über Donald Trumps Reaktion auf Bruce Springsteens öffentliche Kritik. Sie macht das Amt des US-Präsidenten so klein, dass es an Majestätsselbstbeleidigung grenzt.