Gegen Ende des weitgehend nachrichtenfreien Urlaubs dann doch mal auf LinkedIn geschaut, was man verpasst haben könnte. Und sofort mit den Absurditäten des digitalen Alltags konfrontiert. Stein des Anstoßes diesmal: Käse.
Konkret geht es offensichtlich darum, dass die Marke Milram, die zum Deutschen Milchkontor (DMK Group) gehört, für eine Sonderaktion die Plastikverpackungen diverser Scheibenkäsesorten von drei Designern hat gestalten lassen. Darauf zu sehen sind nun bis Oktober anstelle der üblichen Wiesen, Kühe und Serviervorschläge fröhliche Familien, Paare oder Freunde, die vielleicht so happy sind, weil sie Milram-Käse gegessen haben, man weiß es nicht genau. Aber prinzipiell könnte man meinen, dass es keinen wirklichen Grund gibt, sich über glückliche Menschen auf welcher Verpackung auch immer aufzuregen.
Warum also der Ärger? Weil manche der dort abgebildeten Menschen keine weiße Hautfarbe haben. Gewisse Kreise wittern nun eine woke Verschwörung inklusive ideologischer Indoktrinierung. Die Kommentare im Netz reichen von Vorwürfen der Übergriffigkeit über rassistische Äußerungen bis hin zu Boykottaufrufen.
DMK erklärt verschiedenen Medien gegenüber, man habe sich gar nicht politisch positionieren, sondern eine junge Zielgruppe ansprechen wollen. In der „Wirtschaftswoche“ wird dargelegt, warum das eben doch politisch sei und was an dieser Kampagne und der Reaktion auf den Gegenwind klug war und was nicht. Und als originelle Antwort auf den rechten Shitstorm kursieren in sozialen Medien zum Beispiel im Stil der Milram-Designs bearbeitete Versionen eines von AfD-Chefin Alice Weidel auf Instagram veröffentlichten Selfies mit ihrer Ehefrau Sarah Bossard (die gebürtig aus Sri Lanka stammt und eine dunkle Hautfarbe hat).
Was ein Käse, möchte man sich denken. Dass es Menschen gibt, die sich doch tatsächlich von einer Käsepackung, auf der keine käseweiße, strohblonde Vier-Personen-Kernfamilie beim Sonntagspicknick zu sehen ist, ideologisch bedroht fühlen, mag im ersten Reflex belustigen. Doch der irritierende Sachverhalt verdient es, als das bezeichnet zu werden, was er ist: rassistische Stimmungsmache durch die rechte Szene.
Denn wer ein Problem damit hat, wenn unsere Gesellschaft gezeigt wird, wie sie ist – nämlich vielfältig –, hat ein Problem mit unserer Gesellschaft. Und das ist das eigentliche Problem. Dass der Aufhänger diesmal Käse ist, ist wurst.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Zeitzeichen Alles Käse?
Nach dem Urlaub will sich die Verfasserin auf den neuesten Stand bringen und wundert sich angesichts der Aufregung im Netz – über Scheibenkäse von Milram.