Das Wichtigste in Kürze
- Das Selbstbestimmungsgesetz ist seit November 2024 in Kraft.
- Damit können Menschen ihren Vornamen und Geschlechtseintrag im Pass ändern lassen.
- Zwei trans Personen aus Mannheim erzählen, warum das wichtig ist, für Anerkennung, aber auch in ganz alltäglichen Situationen.
Mannheim. Es ist ein Termin, der sein Leben verändert. Anfang November 2024 geht der Mannheimer A. zum Standesamt. Danach steht in seinem Ausweis sein richtiger Name und der Geschlechtseintrag „m“ für männlich. Ein emotionaler Einschnitt für A. – wie für so viele trans Personen, die lange auf das Selbstbestimmungsgesetz gewartet haben. Zwei von ihnen erzählen uns, wie es ihr Leben verändert hat – und warum das Gesetz wichtig ist.
Beide wollen ihre vollen Namen nicht in den Medien lesen, weil trans sein immer noch bedeutet, besonders diskriminiert zu sein. Beide wollen aber über ihre Erfahrungen mit dem Gesetz sprechen. „Ich war aufgeregt, hatte aber ein gutes Gefühl“, erinnert sich A. an den Tag des Termins. Im Vorfeld hatte er sich bei der Queerbeauftragten der Stadt Mannheim informiert, alle Unterlagen zusammengesucht.
Selbstbestimmungsgesetz löste Transsexuellengesetz ab
Lange hatte er auf das Selbstbestimmungsgesetz gewartet – und seinen Antrag direkt am ersten Tag im August gestellt, an dem das möglich war. „Ich hätte auch das Transsexuellengesetz genutzt, aber als das Selbstbestimmungsgesetz angekündigt wurde, war mir klar, dass ich das so machen will“, sagt A. Mit ihm haben das in Mannheim über 30 andere Menschen Anfang August getan.
Das Selbstbestimmungsgesetz hat am 1. November 2024 das zuvor geltende Transsexuellengesetz abgelöst. Es erlaubt Menschen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen beim Standesamt ändern zu lassen – ohne medizinische Gutachten, Gerichte und jahrelange Wartezeiten. Nötig ist lediglich ein Antrag, der drei Monate vor der Änderung der Daten gestellt werden muss. Für viele bedeutet das ein Ende jahrelanger Fremdbestimmung und bürokratischer Hürden. Denn das Transsexuellengesetz erforderte, dass trans Personen zwei psychologische Gutachten aus eigener Tasche bezahlen. Die Kosten gingen in die Tausende. Immer wieder berichteten trans Personen auch von entwürdigenden Fragen bei den Gutachtern.
Transpersonen oder trans Personen?
Wie heißt es nun richtig: Transpersonen oder trans Personen? Vorab: Beide Schreibweisen gibt es. Wir verwenden in diesem Text die Variante „trans Personen“. Denn trans ist ein Adjektiv, das eine Eigenschaft von trans Personen beschreibt. Aber ist nur eine von vielen. Zwar ist die geschlechtliche Identität ein wichtiger Teil der Persönlichkeit vieler trans Personen, aber eben nicht der einzige. Um das zu betonen, verwenden wir trans im Text als Adjektiv.
Diese sind nach dem neuen Gesetz nicht mehr nötig. In Mannheim haben die ersten Personen diesen Schritt bereits hinter sich – auch der trans Mann A. und die nicht-binäre Person L.
Änderung des Namens: Ein bürokratischer Akt mit emotionaler Bedeutung
L. lebt in Mannheim und wusste schon mit 19, dass er nicht-binär ist, also weder ein Mann noch eine Frau. Trotzdem verwendet L. im Deutschen das männliche Pronomen „er“, weil es für ihn passt. Der Schritt zur Namensänderung war für L., der heute Mitte zwanzig ist, ein Prozess. „Ich habe es mir lange überlegt und dann gesagt: Ich mach das jetzt“, sagt L. Ein Besuch auf dem Amt wegen eines anderen Anliegens brachte den Stein ins Rollen: Er fragte spontan nach dem Vorgehen – und bekam die Unterlagen.
Jetzt bin ich die Person, die ich in den letzten Jahren privat war, auch offiziell.
Der Moment, den neuen Personalausweis in der Hand zu halten, war für ihn überwältigend. „Als ich den hatte, habe ich mich so gefreut.“ Stolz zeigt L. das rechteckige Kärtchen auch im Gespräch. Für ihn bedeutet der neue Name in allen offiziellen Dokumenten nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch Sicherheit. „Jetzt kann ich mich vorstellen, und Menschen werden mich ernst nehmen.“
L. beschreibt es als „Prozess wie jede andere bürokratische Sache“. Doch hinter dem nüchternen Ablauf steht eine große emotionale Bedeutung: „Jetzt bin ich die Person, die ich in den letzten Jahren privat war, auch offiziell“, sagt er.
Warum die Namensänderung auch vor Diskriminierung schützt
Es sei ein behördlicher Termin mit einer Gebühr – und danach ist so viel anders, sagt auch A. Auch er kennt das Gefühl der Erleichterung. „Plötzlich fällt die Sorge weg, dass ich meinen Ausweis zeigen muss“, sagt der trans Mann. Vor der Änderung war das jedes Mal ein potenzielles Risiko – etwa, wenn er Pakete, auf denen sein männlicher Name stand, bei einem Paketshop abholen musste – mit dem Ausweis, auf dem noch sein alter, weiblicher Name stand.
Den haben ihm seine Eltern bei der Geburt gegeben. Doch A. merkte, dass er keine Frau ist, sondern ein Mann. Er zog aus seiner alten Heimat Rumänien nach Deutschland. Hier begann er vor ein paar Jahren seine Transition, wählte einen neuen, männlichen Namen. Schließlich entschied er sich auch medizinische Schritte zu gehen. Sein Leben lebt er heute als Mann. Wer ihn im Alltag erlebt, muss zwangsläufig beim Blick auf seinen alten Ausweis mit einem weiblichen Namen stutzen.
Auch deshalb gibt es einem sogenannten Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (DGTI). In diesem steht der neue Name und der neue Geschlechtseintrag. Er soll trans Personen, die ihre offiziellen Dokumente noch nicht geändert haben, helfen.
Ein paar Wochen vor der Änderung seines Namens und Geschlechtseintrages im Pass geht A. also mit seinem Ergänzungsausweis und dem alten Personalausweis zum Paketshop. „Wenn der Verkäufer da nicht sensibel ist, dann ist das scheiße“, sagt A. Der Verkäufer ist irritiert, fragt viel nach. „Vielleicht auch Dinge, die man fremde Menschen nicht fragt“, sagt A. und lacht peinlich berührt. Der Mitarbeiter im Paketshop habe das sicher nicht böse gemeint, sagt A. „Es ist einfach seltsam, mit fremden Menschen darüber zu sprechen, wie schwer es ist, über OPs zu reden – und am Ende des Tages geht es ja auch um Genitalien“, sagt A.
Von ähnlichen Problemen berichtet A., wenn es um Sicherheitskontrollen am Flughafen geht. Und natürlich gebe es auch besonders ernste Situationen, in denen ein Ausweis wichtig wird. „Ich hatte immer Angst davor, was passieren würde, wenn ich mal zur Polizei müsste“, sagt A. Jetzt, mit dem neuen Ausweis, kann er er selbst sein – in Paketshops, an Flughäfen und bei der Polizei – ohne Rechtfertigung.
Wie sich Betroffene zur Kritik am Selbstbestimmungsgesetz äußern
Die Erfahrungen zeigen: Das Gesetz ist für die Betroffenen mehr als ein Verwaltungsvorgang. Es schafft Selbstbestimmung, Würde und Alltagserleichterung. Doch das Gesetz steht immer wieder unter Beschuss. Die Union schrieb sogar in ihr Wahlprogramm, dass sie es wieder abschaffen wolle. Grund dafür: „Der Wechsel des Geschlechtseintrags darf nicht der Beliebigkeit hingegeben werden.“
Unsere beiden Gesprächspartner sehen das kritisch. „Die ganz große Mehrheit der Menschen, die von dem Gesetz Gebrauch gemacht haben, hat das gewollt und gebraucht“, sagt L. Beliebig sei die Änderung schon deshalb nicht, weil es die drei Monate Bedenkzeit gebe – und man weder Name noch Geschlechtseintrag ein Jahr lang nach der Änderung wieder ändern könne.
Es geht hier um meine Zukunft und die Frage, wie ich mein Leben führen kann.
„Ich bin enttäuscht auf so vielen Ebenen“, sagt A. auf das Wahlprogramm der Union angesprochen. Solche Äußerungen würden ihm als trans Person Angst machen. „Es geht hier um meine Zukunft und die Frage, wie ich mein Leben führen kann“, sagt er und spricht einen ganz grundsätzlichen Punkt an: „Ich bin an einem Ort aufgewachsen, an dem Deutschland für Menschenrechte und progressive Werte steht“, betont A., der in Rumänien gelebt hat. Nach Deutschland sei er auch gekommen, um hier als queere Person frei leben und arbeiten zu können.
Das Selbstbestimmungsgesetz im Koalitionsvertrag
Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Der wurde am Mittwoch, 9. April, in Berlin vorgestellt und enthält auch einen Abschnitt zum Selbstbestimmungsgesetz. Darin heißt es, das Gesetz werde bis zum 31. Juli 2026 evaluiert. Bei der Prüfung sollen das Thema Jugendliche, die Fristen für den Wechsel des Geschlechtseintrages und Schutz von Frauen im Mittelpunkt stehen.
Das Selbstbestimmungsgesetz trat am 1. November 2024 in Kraft und löste das davor geltende Transsexuellengesetz (TSG) ab.
Das TSG war bereits 1980 verabschiedet worden und trat 1981 in Kraft und wurde bis zum Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes mehrfach reformiert.
So mussten sich trans Personen noch bis 2011 sterilisieren lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten ändern lassen wollten.
Das TSG sah vor, dass trans Personen für die Änderungen im Pass bei Gericht einen Antrag stellen mussten. Dafür mussten sie unter anderen zwei voneinander unabhängige, psychologische Gutachten vorlegen. Das Verfahren konnte sich Jahre hinziehen. Die Kosten für die Gutachten trugen die Personen, die den Antrag gestellt haben. Diese waren nicht selten vierstellig. leh
„Aussagen wie die von Unionspolitikern nehmen mir das Vertrauen in die Politik“, sagt A. Das Selbstbestimmungsgesetz abzuschaffen, würde keines der großen Probleme unserer Zeit lösen: den Umgang mit Russland und den USA oder den Klimawandel. Stattdessen würde es das Leben queerer Menschen unnötig schwer machen.
Was unseren Gesprächspartnern Hoffnung macht
Doch A. macht gerade das Selbstbestimmungsgesetz auch Hoffnung, dass Deutschland bei den Rechten queerer Menschen weit gekommen ist. Und noch etwas anderes lässt ihn positiv in die Zukunft schauen: „Mir macht Hoffnung, dass ich in Mannheim lebe. Die Queerbeauftragten der Stadt sind richtig super, und die Community rückt gerade an Orten wie dem Queeren Zentrum eng zusammen“, sagt A. Mannheim sei offen, solidarisch und ein Ort, an dem queeres Leben möglich ist.
Ein Leben, das für L. und A. durch die neuen Ausweise ein bisschen einfacher geworden ist. Für L. ist der neue Ausweis deshalb Symbol und Werkzeug zugleich: „Jetzt stimmt das auch für die Leute, die es nicht wissen“, sagt er – und ist sich auch mit Blick auf die Zukunft sicher: „Ich habe diesen Namen jetzt – den gebe ich nicht mehr her.“
Redaktioneller Hinweis: In einer früheren Version des Textes haben wir an einer Stelle geschrieben, das Selbstbestimmungsgesetz sei seit November 2025 in Kraft. Diesen Fehler haben wir korrigiert.
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