Kunst - Atelierbesuch bei der japanischen Künstlerin Mitsuko Hoshino in Heidelberg / Traditionelle Malerei neu interpretiert

Atelierbesuch bei Mitsuko Hoshino in Heidelberg: Verbindung von traditioneller Malerei und modernen Materialien

Von 
Dr. Susanne Kaeppele
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Die japanischen Künstlerin Mitsuko Hoshino lebt und arbeitet in Heidelberg. © Manfred Rinderspacher

Ein leerer Raum, fast leer, im Gartengeschoss mit Blick hinaus ins Grüne. Doch an den Wänden hängen sehr sparsam und dadurch in ihrer Bedeutung stärker gewichtet einzelne Bilder. Ein Atelierraum, der den Gedanken, Gefühlen und Meditationen Platz schenkt, sich zu entfalten, zu entwickeln und zu verbreiten. Der Raum von Mitsuko Hoshino. 1968 in Yokosuka, Japan, geboren, Studium an der Tama Art University in Tokyo, in traditioneller japanischer Malerei, zu der sie erst durch ihr Interesse an den Materialien und der hochentwickelten Handwerkskunst Zugang fand. Sie war - wie alle Schüler in Japan - seit der Kindheit eher geprägt von westlicher Kunst- und Kulturauffassung, ist aufgewachsen mit J. S. Bach und Klavierunterricht und auch eher mit westlicher Kunst. „Die Johannes-Passion von Bach etwa, ich konnte zwar die Worte nicht verstehen, aber die Musik ging direkt in mein Herz. Das war genauso mit Künstlern wie Mark Rothko oder Cy Twombly, von denen ich zwar nichts weiter wusste, die aber dennoch direkt zu mir sprachen“, so die Künstlerin. Dieser Gegensatz zwischen östlicher Tradition und westlicher Kunstauffassung zieht sich durch ihr ganzes Leben. Ihr Studium war auf eine Art viel eher Handwerk und Design als Bildende Kunst, viele andere Materialien lernte sie so kennen, Knochenleim, Hautleim kochen, dann mit den Mineralpigmenten mischen, viele Papiersorten und Pinselarten. Allerdings mochte sie die etwas verknöcherten hierarchischen Strukturen von Meister und Schüler eher nicht.

Das Material, die Farben und die Welt

Zur Person: Mitsuko Hoshino

  • 1968 geboren in Yokosuka, Japan
  • 1987-91 Tama Art University, Tokyo (Bildende Kunst/Japanische Malerei)
  • 1991-92 weiterführende Arbeit an der Tama Art University
  • seit 2010 lebt und arbeitet sie in Heidelberg
  • Weltweit Ausstellungen u.a. in Seattle, Innsbruck, London, Tokyo und jetzt Heidelberg.
  • Japanische Malerei: In Japan existieren viele Papiersorten, hauchdünne bis mittelstarke bis ganz dicke, oft handgeschöpft. In der traditionellen Kunst werden ganz alte mineralische Pigmente verwendet (Iwa-Enogu), Muschelpigmente (Gofun), Austernmuschelmehl in Gelatine (Nikawa), aber die Künstlerin verwendet auch japanische Tusche und chinesischen Lack.
  • Derzeit läuft noch eine sehr empfehlenswerte Ausstellung mit neuen Arbeiten in der Galerie Grewenig, Pfarrstr. 1, Heidelberg-Handschuhsheim, bis 11. Dez., Do, Fr 15-18 Uhr, Sa 11-13 Uhr.
  • www.mitsuko-hoshino.com

Mitsuko Hoshino erzählt: „Auch die Pigmente sind ja ganz alt, wie das japanische Papier. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an verschiedenen Papiersorten in Japan. Hier in Deutschland liegt der Fokus viel stärker auf visuellen und inhaltlichen Fragen.“

Aber damals musste sie erst einmal weg aus Japan, um sich mit anderen Kunstansätzen auseinanderzusetzen, zuerst in Seattle, dann zwei Jahre in Innsbruck und elf Jahre in London. 2010 kam sie dann nach Heidelberg, wo sie heute auch künstlerisch Fuß gefasst hat.

Der Tsunami von 2011, bei dem 22.000 Menschen starben, war damals „ein großer Schock“ für sie, der ihre Kunst nachhaltig geprägt hat. Die erste Antwort waren ein Meer von einfachen Kreisen, gemalt auf Leinwand, die wie bei der Zenmeditation „die Repräsentation des Nichts, aber gleichzeitig der Kreis des Lebens“ symbolisieren, so die Künstlerin. Das erinnert an Luftblasen im Meer - sie hat in ihrem Leben meistens am Wasser gelebt - , aber ebenso steht jeder Kreis für ein Menschenleben.

Transparenz und Dichte

Heute lebt sie schon 25 Jahre außerhalb von Japan, nutzt in hohem Maße japanische Techniken, wie sie sie erlernt hat, „aber das alte japanische Handwerk geht leider verloren“. Jetzt kann sie - im Gegensatz zu früher - „selbstverständlicher mit einem japanische Kunstansatz arbeiten - etwa mit Tusche und großem Pinsel auf langen Papierbahnen zeichnen“.

Ihre neueren Bilder, Gemälde und Zeichnungen sind sehr frei geworden, sie arbeitet zudem mit Silikonfolien und Polyesterfilm, verbindet wie selbstverständlich ganz neue und ganz alte Kunstmaterialien miteinander. Wer durch das Gartengeschoss geht, begegnet auch einem Plakat von Pina Bausch, die die Künstlerin verehrt. Auch Butohtanz schätzt sie sehr, etwa Kazuo Ohno, den Mitbegründer dieses Tanzes, in dessen Studio sie schon in Japan an Workshops teilgenommen hatte. Atem und Bewegung sind ihr Thema heute, in der Galerie Grewenig sind derzeit ganz neue Arbeiten von ihr zu sehen. Sie zeichnet mit breitem Pinsel auf die Fläche mit dem Atem, in einer fließenden, ruhigen Bewegung, Einatmen, Ausatmen, „ich bin durchsichtig“. Auf Papierstücken auf Leinwand gespannt, zeigt sie ganz wenig, aber in einer großen Geste gemalt.

Wasser und Wind, das war auch in ihren großartigen Videos zu sehen, die sie im Betriebswerk (am Tankturm in Heidelberg) im Herbst ausgestellt hatte. Ganz ruhig, sanft und lebendig gleichzeitig, wie der Wind das Wasser bewegt, wie sich die Ruhe im Raum ausbreitet, jenseits des Experiments, Zen und Meditation.

Freie Autorin Freiberufliche KunsthisitorikerinSchwerpunkte: Aktuelle, zeitgenössische Kunst, Videokunst, Fotografie,Klass. Moderne, Renaissance

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