Vorweihnachtliches Julbord: schwedische Schlemmerei

Viel zu viel zum Essen: Das schwedische Julbord ist fast eine Art Volkssport geworden. Dabei stammt es ursprünglich aus der Fastenzeit. In Göteborg wird das vorweihnachtliche Essen mal traditionell, mal modern interpretiert

Von 
Sascha Rettig
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© Sascha Rettig

Göteborg. Lasse Englund wagt sich an das Julbord, den schwedischen Weihnachtstisch, nur einmal im Jahr – an den Weihnachtstagen. „Alles andere würde an Selbstmord grenzen“, sagt der kräftige Schwede, als er auf seiner Bootstour an der Küste der Schäreninsel Hönö nach Robben Ausschau hält. Das ist natürlich übertrieben, aber tatsächlich ist dieses traditionelle Büfett eine ausschweifende Angelegenheit, die nicht nur an den Festtagen, sondern schon in der Adventszeit zelebriert wird. Auch in Göteborg wird das Julbord dann bereits in vielen Restaurants angeboten, mal traditionell, mal modern – viel zu viel Essen gibt es aber immer.

„Wenn man fünfmal zum Büfett geht, ist das wie der schwarze Gürtel des Julbords“, sagt Patrick, der Restaurant-Manager im altehrwürdigen Hotel Eggers im Zentrum der westschwedischen Stadt. Eine Ahnung, wie ausschweifend die Angelegenheit ist, bekommt man als Novize dort schon, während das Büfett aufgebaut wird. Mehr und mehr Platten, Schalen und Teller werden ins Restaurant getragen. „Insgesamt haben wir rund 30 Gerichte“, erklärt Patrick, als sich die Gäste ihre Teller mit dem ersten Gang füllen. Zunächst hat man die Wahl zwischen einem Dutzend kalten Fischspeisen von eingelegten Heringsvariationen bis zum Räucherlachs und Lutfisk, also Stockfisch; dann zwischen kalten Fleischspeisen mit Schinken, Wurst und Pasteten. Dazu gibt es Rotkohl und Rote-Bete-Salat und schließlich die warmen Gerichte, zu denen auch Würstchen und Köttbullar gehören, die berühmten Fleischbällchen.

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Das ist aber nicht alles. Die Hauptattraktion steht erst noch auf dem Programm: der Weihnachtsschinken, bevor schließlich das letzte bisschen Platz im prallen Bauch mit Käse und Süßem aufgefüllt wird.

Julbord: überbordende Schlemmerei mit Traditionen

Entwickelt hat sich diese überbordende Schlemmerei aus unterschiedlichen Traditionen. Das Julbord reicht wohl zurück ins 19. Jahrhundert, als in der Adventszeit noch gefastet wurde. Zum Fastenbrechen zu Weihnachten wurde dann üppig aufgetischt: eine Mischung aus typischen Winter-Speisen und durch Räuchern oder Pökeln haltbar gemachtes Essen. Dazu wurde vor Weihnachten oft noch ein Schwein geschlachtet, wodurch es frisches Fleisch gab.

Infos zu Göteborg

Anreise

Flug von Stuttgart nach Göteborg mit einmal Umsteigen mit Lufthansa (www.lufthansa.de), KLM (www.klm.de) oder Eurowings (www.eurowings.com).

Unterkunft

Das Hotel Eggers ist ein eleganter Hotel-Klassiker mitten im Zentrum von Göteborg. Doppelzimmer/Frühstück ab 120 Euro, www.hoteleggers.se.

Auf der Flaniermeile Kungsportsavenyen liegt mit dem Scandic Rubinen ein modernes Stadthotel. DZ/F ab etwa 100 Euro. www.scandichotels.se/rubinen

Essen und Trinken

Diese Restaurants bieten vorweihnachtliches Julbord (auf jeden Fall reservieren): Klassisches Julbord im Hotel Eggers, www.hoteleggers.se; Zero-Waste-Weihnachtsmenü im Restaurant von Schloss Gunnebo: https://gunneboslott.se/de;

Julbord im Restaurant „1923“ im Vergnügungspark Liseberg: www.liseberg.se; Fisch- und Meeresfrüchte-Julborg im Tullhuset auf der Insel Hönö: www.tullhuset.se

Allgemeine Informationen

www.goteborg.comwww.visitsweden.de SRG

Längst nicht nur die Julbords helfen in Göteborg der Weihnachtsstimmung ordentlich nach. Leidenschaftliche Festtagshasser haben in den Wochen vor Jesu Geburtstag eine harte Zeit in der Stadt, denn Weihnachten erwischt einen fast überall: durch die heimelige Beleuchtung in der Stadt genauso wie auf den Weihnachtsmärkten in der Hauptstraße der Altstadt Haga, im 400 Jahre alten Kronhuset oder im detailverliebt geschmückten Vergnügungspark Liseberg, wo einem erfolgreich jede Unweihnachtlichkeit ausgetrieben wird. Ein Weihnachtsbüfett wird dort natürlich auch angeboten.

Auch anderswo lohnen die Julbords den einen oder anderen Umweg, wobei man noch ganz andere Orte Göteborgs kennenlernt. Raus aus dem Stadtzentrum muss man etwa auch für einen Besuch des Schlosses Gunnebo aus dem 18. Jahrhundert. Hier kann man durch den Schlosspark mit seinen drei Gärten spazieren und den feinen Sommer-Landsitz besichtigen. Der war nach diversen Besitzerwechseln in schlechtem Zustand, bis er nun stückweise restauriert wurde – zuletzt 2022 die Orangerie.

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Auch ein Restaurant gibt es hier, natürlich mit Julbord. Dessen Zutaten sind nicht nur saisonal, regional und bio-zertifiziert. Das Restaurant verfolgt auch einen Zero-Waste-Ansatz, bei dem möglichst alles verwendet wird. „Wir haben kein Büfett, weil da zu viel weggeworfen wird“, sagt Köchin Emelie Franzon. Stattdessen wird ein feines Menü mit drei Gängen kreiert, das Geschmäcker des typischen Julbords aufgreift, bei dem aber das Gemüse der Star ist - plus etwas Fisch. Der Dessert-Tisch dazu wird von der eigenen Bäckerei hergerichtet. Satt, aber nicht voll verlässt man das gemütliche Restaurant.

Ein ganz besonderes Weihnachtsbüfett auf Hönö

Göteborg liegt zwar im Landesinnern, das Meer und die Schären vor der schwedischen Westküste erreicht man aber bequem mit dem Bus. Ziel des Ausflugs: Hönö, das man nach einer kurzen Fährüberfahrt erreicht. Im Winter liegt die Schäreninsel im Schlummerschlaf und nur wenige Touristen finden den Weg. Auch auf dem Holzboot von Lasse Englund, der Rundfahrten durch den kargen, wildromantischen Archipel anbietet, sind nur noch zwei chinesische Studenten an Bord. Im Gastraum des „Tullhuset“auf Hönö allerdings ist plötzlich alles ganz anders; der ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Restaurant bietet ein ganz besonderes Weihnachtsbüfett an: wahrscheinlich das einzige, bei dem es ausschließlich Fisch und Meeresfrüchte gibt – vom Nachtisch mal abgesehen.

Gegessen wird in Schichten mittags und abends. Sonntags sogar dreimal. Koch Jörgen Ulsson bereitet seit rund 20 Jahren das Julbord im „Tullhuset“ zu und hat damit alle Hände voll zu tun. „Das Schwierigste sind die Planung und die Vorbereitung“, erklärt er. Schließlich macht er mit seinem Team alles selbst: ganz gleich, ob er die köstliche Hummersuppe kocht, die traditionellen Heringe einlegt oder den Lachs in eine Räucherkammer eine Insel weiter bringt. Krebse, Muscheln, Garnelen, Makrelen kommen auch noch dazu, in unterschiedlichen Varianten. „Da kommen schon rund 110 Gerichte zusammen“, sagt er stolz.

Was für eine üppige Schlemmerei! Kein Wunder, dass viele Gäste auf dem Weg nach draußen bereits eine Reservierung fürs nächste Jahr machen. Nach dem Julbord ist schließlich immer auch vor dem Julbord – und an den Weihnachtsfeiertagen legt man am besten erst mal eine Diät ein.

Freier Autor

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