Frankreich ist in diesem Jahr ein Besuchermagnet – und dies dank mehrerer Jahrestage und Events: im Sommer Olympia in Paris, am 8. Dezember die Wiedereinweihung von Notre-Dame, davor am 25. August der Jahrestag der Befreiung der Hauptstadt. Dieser jedoch ging ein anderes, weltgeschichtliches Ereignis voran: die Alliierte Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944. Sie war Start für die Befreiung des Kontinents von der Nazi-Herrschaft, damit auch für das Ende der Diktatur in Deutschland.
Genau 80 Jahre ist das nun her. Und für Frankreich natürlich Anlass zu imposanten Feierlichkeiten. Seit 1. März bis 15. Oktober finden zahlreiche Veranstaltungen ganz unterschiedlichen Charakters statt. Höhepunkt wird die offizielle Zeremonie in Saint-Laurent-sur-Mer nahe dem sogenannten Omaha-Beach, zu der Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron am 6. Juni etwa 300 Teilnehmer von damals, alle weit über 90 Jahre alt, begrüßen wird. An der Spitze der mehr als 25 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt steht US-Präsident Joe Biden.
Die Region steht schon immer im Zeichen des D-Day
Allerdings steht die Normandie in den Orten entlang der Kanalküste auch in normalen Jahren ganz im Zeichen der Geschehnisse von 1944. Sie prägen die Identität der Region bis heute. An den Einfallstraßen verweisen große Schilder darauf, dass dieses oder jenes Dorf Schauplatz am D-Day war. Zuweilen sind sogar alte Panzer aufgestellt. Jede Gemeinde, sei sie noch so klein, verfügt über ihr Museum zum Thema Invasion.
Tipps für Besucher
Lage: Die Normandie liegt im Nordwesten Frankreichs an seiner Kanalküste. Hauptstadt: Rouen, weitere wichtige Städte: Le Havre Rouen, Caen und Cherbourg.
Anreise: Mit dem Zug von Mannheim nach Paris in drei Stunden. Vom Bahnhof Paris-Saint-Lazare in zwei Stunden und 15 Minuten nach Bayeux.
Unterkünfte: Um den 6. Juni herum sind Unterkünfte vor Ort möglicherweise ausgebucht und/oder sehr teuer. Je weiter man sich von den Küstenorten entfernt, desto einfacher wird es jedoch, eine auch günstige Unterkunft zu finden. Eine Hotel-Übersicht unter www.normandie-tourisme.fr
Empfehlung: „Hotel Churchill“ in Bayeux, 46 stilvolle Zimmer, Infos unter www.hotel-churchill.fr
Schauplätze der Invasion: Ouistreham, Arromanches, Pointe du Hoc und die fünf Strände Utah Beach, Omaha Beach, Gold Beach, Juno Beach und Sword Beach.
Führungen: Tagestour mit Guide zu den wichtigsten Schauplätzen, Fahrt im bequemen Van, 125 Euro pP, www.getyourguide.de.
Veranstaltungen das Jahr über: Sie richten sich an alle Interessierten und sind daher mit Ausnahme einiger Konzerte kostenlos. Übersicht: www.ddayfestival.com. -tin
Und natürlich werden Führungen zu den Schauplätzen angeboten. Ich starte dazu von meinem Hotel in Bayeux aus. Es heißt „Churchill“ und wirbt mit der Imagination, der britische Kriegspremier sei nach der gelungenen Invasion hier abgestiegen. Nicht nur die Wände im Frühstücksraum, auch die sämtlicher Flure tragen denn auch historische Fotos des Staatsmannes mit der Zigarre und dem legendären Victory-Zeichen.
Abfahrt ist an der Place de Quebec, gegenüber der Tapestry, in welcher der berühmte Teppich von Bayeux ausgestellt ist. Mit mir fährt ein junger Mann mit seinem Vater aus Brooklyn, geboren jedoch in Bosnien, erst später ausgewandert in die USA. „Amerika war schon immer für viele die Rettung“, sagt der Sohn.
Auch unser Fahrer ist Amerikaner und heißt John. Beruflich war er einst Manager in der Niederlassung eines US-Chemiekonzerns in Paris. Als er ausgesorgt hat, macht er mit 51 seine Passion zum Beruf und erläutert fortan Touristen die Normandie.
Im Mercedes-Van geht es über die Autobahn zunächst nach Sainte-Mère-Eglise. Fans alter Kinofilme kennen den Ort. Hier steht jene kleine Kirche, an deren Turm in der Nacht der Invasion der Fallschirmjäger John Steele hängen blieb, aber überlebte; eine Puppe an der Fassade erinnert daran. „Aber es waren zwei“, korrigiert John. Aus dramaturgischen Gründen wurde für den Spielfilm „Der längste Tag“ von 1962 aber der zweite Mann, Ken Russel, einfach „gestrichen“. In der Darstellung auf dem bunten Fenster dieser Kirche sind jedoch beide verewigt.
Weiter führt die Fahrt zu den Stätten der Landung zu Wasser. An einer will unser Guide zunächst gar nicht halten. „Die war nicht so zentral“, begründet der Amerikaner. „Hier landeten die Exil-Franzosen, aber die haben, ehrlich gesagt, nicht viel beigetragen.“ Dennoch haben sie natürlich darauf bestanden, ein eigenes, dieses Denkmal zu errichten, das an die Landung der Franzosen unter General Leclerc erinnert.
Doch wie es sich gehört, ist das der Amerikaner viel eindrucksvoller: Am Utah-Beach steht ein riesiges Dokumentationszentrum samt historischer Fahr- und Flugzeuge. Eines der hier verwendeten 20 000 Landungsboote, nach ihrem Konstrukteur Andrew Jackson Higgins als „Higgins Boats“ bekannt, ist am Strandaufgang zu besichtigen und zu begehen. Dazu gesellen sich zwei Denkmäler: eines, das bedrückend lebensecht anrückende US-Soldaten zeigt, und eines, das einen einzelnen Seemann, „The Lone Sailor“, verewigt. „Er wird der einsame Seemann genannt, obwohl er schwerlich einsam ist“, heißt es auf der Gedenktafel über den dargestellten Soldaten, der erst 25 Jahre alt war, dessen Name aber nicht genannt wird.
Die Einrichtungen der militärischen Gegenseite von damals sind ebenfalls zu besichtigen: in Pointe de Hoc, einer ins Meer reichenden Landzunge, besteigt man die Bunkeranlagen, aus denen die Wehrmacht das Areal zu verteidigen suchte. Und blickt durch schmale Schlitze – wie einst US-Präsident Ronald Reagan bei seinem Besuch 1984, der auf hier gezeigten Fotos verewigt ist.
Steilküsten und Strände erinnern an das Geschehen
Hier ragen die 30 Meter hohen Steilküsten empor, die für die ankommenden Invasionstruppen zu Todeswänden wurden. „Bei der ersten Welle starben 100 Prozent der Ankommenden“, berichtet unser Guide erschreckend anschaulich: „Nach der zweiten Welle waren 90 Prozent tot, nach der dritten 70.“ Irgendwann aber kamen so viele Alliierte durch, dass sie Fuß fassen konnten.
Die gegenteilige Topographie ist jener Strandabschnitt, der als „Omaha Beach“ berühmt wurde, 1944 aber nicht weniger gefährlich war als die Steilküste. Am Invasionstag um 10 Uhr lagen 2000 Tote am Strand.
Ungeachtet dieser, seiner dramatischen Vergangenheit ist dies landschaftlich ein wunderschönes Fleckchen Erde, daher heute als Badestrand beliebt, aber natürlich alles andere als ruhig. Auf Parkplätzen, die trotz ihrer Größe nicht ausreichen, drängen sich Pkws und Busse. Gelegenheit zum Verweilen bieten zwei Restaurants mit angemessenen Namen: „D-Day“ und „L’Omaha“.
Doch all diese Orte – sie sind, das muss man sich stets klar machen – kein Disneyland, keine Filmkulisse. Vielmehr Schauplätze eines weltgeschichtlichen Ereignisses, das Tausende junger Männer auf beiden Seiten ihr Leben kostete. Das macht die letzte Station unserer Rundfahrt bewusst: der US-Militärfriedhof Colleville-sur-Mer. Er beherbergt die Gräber von 9387 amerikanischen Soldaten und auf einer Gedenktafel die Namen von 1557 Vermissten. Am 6. Juni werden hier die Präsidenten Macron und Biden ihrer gedenken.
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