Die Nacht war kühl, am nahen Ufer dampfen die Wälder genauso wie der Kaffee auf dem Außendeck der „Hanseatic Inspiration“. Im Tagesprogramm wird die Mittagstemperatur mit 24 Grad angegeben. Perfekt, denn kalte Nächte und warme Tage sind Voraussetzung für den Indian Summer an der oberen Ostküste Nordamerikas. Dann bekommen die Bäume Frühlingsgefühle, nehmen die Zuckerproduktion wieder auf und bauen das grüne Chlorophyll der Blätter ab. Zurück bleiben gelbliche Carotinoide und der rote Farbstoff Anthocyan.
Die furiose Verfärbung des Laubs spiegelt sich im Wasser, entlang des Ufers glüht es in knalligen Tönen: goldorange, bläulich-purpurne Tupfer, dazwischen flammendes Scharlachrot, als hätte ein Riese Fackeln in die Wälder gesteckt.
USA
Kreuzfahrt
Die Kreuzfahrt mit der „Hanseatic Inspiration“ von Toronto nach Milwaukee (16. bis 29. September) oder von Milwaukee nach Toronto (29. September bis zum 12. Oktober) kostet mit An- und Abreisepaket je ab 10 410 Euro, www.hl-cruises.de. Auch Ponant mit dem Expeditionsschiff „Le Champlain“ (https://de.ponant.com) oder die „MS Hamburg“ von Plantours (www.plantours-kreuzfahrten.de) fahren auf den Großen Seen.
Essen und Trinken
Fangfrischen Süß- und Salzwasserfisch, Krabben und Meeresfrüchte gibt es bei Herbert Fisheries in Killarney, www.herbertfisheries.ca. Mackinac Island ist „Fudge Capital of the World“, die hochkalorische, karamellbasierte Süßigkeit wird seit mehr als 150 Jahren per Hand hergestellt. Mehr als 25 Sorten hat Joann’s im Angebot, www.joannsfudge.com/pages/all-fudge-flavors
Aktivitäten
Motown-Museum Detroit: In den Aufnahmestudios des Plattenlabels
Motown, auch „Hitsville“ genannt, produzierten fast alle großen Soul-Stars ihre Platten. Geöffnet Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Eintritt ca. 14 Euro, www.motownmuseum.org/ Das Harley-Davidson-Museum Milwaukee beleuchtet die Geschichte der Kult-Motorräder von 1903 bis heute überraschend wenig techniklastig. Geöffnet täglich von 10 bis 17 Uhr, Eintritt 20 Euro, www.harley-davidson.com/de/de/museum.html
Allgemeine Informationen
Fremdenverkehrsbüro Great Lakes USA: https://greatlakes.de Tourismusbüro Mackinac Island: www.mackinacisland.org IT
Nur eine Handvoll Kreuzfahrtschiffe haben die Voraussetzungen, um auf den Großen Seen fahren zu dürfen. Das Expeditionsschiff wurde extra so gebaut, dass nichts über die Bordwand hinausragt. Denn die Schleusen, die die Großen Seen verbinden, sind schmal. So wird es für Passagiere, aber auch für die Nautiker auf der Brücke spannend, als es durch den 43 Kilometer langen Wellandkanal mit seinen acht Schleusen geht, der Erie- und Ontariosee verbindet.
Für Kapitän Jörn Gottschalk ist das hoch konzentrierte Manövrierarbeit: „Es ist nicht schlimm, mal die Schleusenwand zu touchieren, aber wir müssen exakt reinkommen. Wind kann das Schiff an die Vormauer drücken und Beulen am Bug möchte man unbedingt vermeiden.“ Das gesamte Revier ist nautisch so anspruchsvoll, dass ungewöhnlich viele Lotsen eingesetzt werden, mehr als ein Dutzend maritimer Pfadfinder kommt an Bord des einzigen deutschsprachigen Schiffes im Fünf-Sterne-Segment.
Die Großen Seen, bis auf den Lake Michigan Grenze zwischen den USA und Kanada, bilden das größte Süßwasser-Reservoir der Erde. Allein der Lake Superior hat mehr Fläche als Österreich. Der Kontrast zwischen ursprünglicher Wildnis und Metropolen mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten könnte kaum stärker sein.
Keine andere Stadt in den USA hat ihr Schicksal so an einen Industriezweig gehängt wie Detroit: 1909 startete mit Fords Erfindung des Fließbands die erste Massenproduktion von Autos, 1920 arbeiteten eine Million Menschen bei mehr als 20 Herstellern. In Detroit baute Edison das erste Elektrizitätswerk der Welt, hier stand die erste Verkehrsampel. Ford- und Motown-Museum bieten tolle Ausstellungen, doch die Glanzzeiten sind lange vorbei, 2013 musste die Stadt Insolvenz anmelden.
Verfallene Bauten in nahezu verlassenen Stadtteilen, nur die neue Waterfront und das Zentrum sind aufpoliert. Aus der Not machten die Einwohner eine Tugend und nutzen die Freiflächen für Gemüseanbau, die Idee des „Urban Gardening“, des Gärtnerns in der Stadt, stammt aus Detroit. Soziales Elend direkt neben Superreichtum: In Ross Point, vor der Stadt, wohnen die Nachfahren der Autobarone, sodass die ärmste und die reichste Gemeinde der USA aneinandergrenzen.
Milwaukee, wo das Schiff über Nacht liegt, glänzt mit deutschem Viertel, Harley-Davidson und vor allem der Konstruktion des Kunstmuseums mit seinen riesigen Flügeln, die sich morgens elektronisch entfalten und zur Schließung wieder an das Gebäude anschmiegen.
Idyllisch ist es dagegen in der Georgian Bay, oft als sechster See bezeichnet. In diesem 200 Kilometer langen und 80 Kilometer breiten Nebengewässer des Lake Huron liegen 30 000 Inseln im Parry Sound. Die weltweit größte Ansammlung von Süßwasserinseln, von kleinen Felsen bis zu dicht mit Wald bewachsenen Eilanden, ist seit 2004 Unesco-Biosphären-Reservat.
Im Land der achtspurigen Freeways und Drive-ins mag man kaum glauben, dass es eine große, autofreie Zone in besiedeltem Gebiet gibt – und trotzdem rund vier Millionen Gäste pro Jahr. Mackinac Island, das „Juwel der Großen Seen“, steht komplett unter Natur- sowie Denkmalschutz für die pittoresken Holzhäuser. Seit 1898 sind Privatautos verboten, der Kutscherverband hatte erfolgreich protestiert, dass dadurch die Pferde erschreckt würden. Die einzigen Autos gehören Polizei sowie Inselarzt und dem Eiland ein Landesrekord: Die um die Insel führende M 185 ist der einzige US-Highway, auf dem es noch nie einen Autounfall gab.
Dutzende Kutscher verdienen prächtig an fußfaulen Touristen, die vor allem die mit 220 Metern längste Veranda der Welt des Grandhotels sehen möchten.
Knapp 40 Prozent der Uferfläche sind Wälder, und so genießen die Passagiere ausgiebig den Indian Summer, in dem die Natur ihren großen Auftritt hat: Wenn der Himmlische Jäger den Großen Bären erlegt, sodass dessen Wunden den Wald tränken und ihm Farbe verleihen. So erklärten sich die indigenen Ureinwohner Nordamerikas die herbstliche Verwandlung. Und diese Legende passt viel besser zu dem magischen Spektakel als alles, was Meteorologen oder Chemiker dazu zu sagen haben.
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