Ah, was ist denn das?“ Emanuel Schormair scharrt mit seinen Boots auf dem feuchten Waldboden, hebt eine unscheinbare Scherbe auf, schiebt die Brille zurecht, prüft, murmelt etwas und wirft das Fundstück wieder weg. Das war wohl nichts. Mit einem Archäologen auf historisch bedeutsamem Untergrund zu spazieren, ist eine spezielle Erfahrung. Während Schormair über die Anfänge des Adelsgeschlechts der Wittelsbacher hier oben auf dem Burgplatz der Burgruine Wittelsbach erzählt, hat er doch stets auch ein Auge auf den Boden gerichtet.
Schließlich fanden hier, hoch über der Stadt Aichach in Bayerisch Schwaben, vor einiger Zeit Ausgrabungen statt, man fand vor allem Mauerreste der alten Burganlage aus dem frühen 12. Jahrhundert. Die Chance, auf etwas zu stoßen, sind also nicht schlecht. Und obwohl ein Teil seiner Aufmerksamkeit immer dem Schotter unter seinen Füßen gilt, ist Emanuel Schormair ein exzellenter, mitreißender Führer. Der 39-Jährige ist Museumspädagoge im Wittelsbacher Museum in Aichach und durch seine quirlige, heitere und nahbare Art ein echtes Zugpferd.
Denn dass Aichach die Wiege der Wittelsbacher ist, ist nur wenig bekannt. Der junge Museumspädagoge will gemeinsam mit seiner Frau Sarah, die die Aichacher Museen leitet, dafür sorgen, dass sich das ändert. Und wer ihn erlebt, der hat keine Zweifel, dass das gelingt. Schormair monologisiert nicht, er spricht mit seinen Gästen: Er stellt Fragen, hilft auf die Sprünge, gibt Antworten. Der Austausch, der so entsteht, ist nachhaltig: Man merkt sich, was man auf diese Art und Weise erfährt.
„Der Stammsitz der Wittelsbacher wurde bereits 1209 völlig zerstört, auf den Resten des ehemaligen Bergfrieds ist dann um 1420 die Burgkirche errichtet worden“, sagt Schormair und erzählt beim Weiterlaufen anschaulich von seiner eigenen Kommunion, die in dem imposanten Backsteingebäude stattgefunden hat. „Zur bayerischen Landesausstellung 2020 ist auf dem Burgplatz dann ein Infoweg angelegt worden“, erklärt Schormair. Diese sieben Infotafeln sind eine Art Dauerausstellung im Freien und vermitteln, wie die Burg angelegt war und wie man dort bis zur Zerstörung lebte.
Vom Burgplatz hinunter führt der Wanderweg nach Unterwittelsbach. Hat man den steilen Abstieg hinter sich, gelangt man in einen zauberhaften, im englischen Landschaftsstil angelegten Schlosspark. Umrahmt von drei verwunschenen Teichen steht ein märchenhaftes Wasserschloss, genannt Sisi-Schloss. Den Palast hat Herzog Max in Bayern, der Vater der späteren österreichischen Kaiserin Elisabeth, 1838 erworben. Die Familie verbrachte regelmäßig ihre Sommer auf dem Landsitz, Herzog Max ging auf die Jagd und frönte dem Zitherspiel. Die junge Prinzessin soll die unbeschwerten Aufenthalte sehr genossen haben.
Das Schlösschen und der Park sind von einem ganz besonderen Zauber, der Besucher unmittelbar erfasst. Die heimelige Größe des zartgelben Hauses, die prächtige Holzterrasse direkt am Wasser, der geheimnisvolle Graben, die riesigen Bäume mit den schweren, ausufernden Kronen, das stille grün-schwarze Wasser. All das wirkt wie aus Zeit und Raum gefallen, und schnell drängt sich die Frage auf, warum dieses Schloss selbst unter Sisi-Fans als Geheimtipp gilt. Die Schlossführerin Brigitte Neumaier meint, es könne daran liegen, dass das Schloss, obwohl es an der Sisi-Straße liegt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen ist. Sisi-Straße? „Das ist eine europäische Kulturroute, die den Lebensstationen der Kaiserin folgt und von Bayern über Österreich und Ungarn bis ans Ionische Meer reicht,“ erläutert Neumaier. „Zudem ist aus Sisis Kindertagen recht wenig überliefert, weil damals ja noch niemand ahnen konnte, was aus dem Mädchen einmal werden sollte“, erklärt Neumaier. Das heißt, was hier in den Sommern wirklich geschehen ist, weiß keiner ganz genau. Deswegen ist das Schloss eben nicht so im Bewusstsein wie zum Beispiel Schloss Schönbrunn in Wien oder Gödöllö in Ungarn.
Die Schlossführerin erforscht, schon seit sie denken kann, Leben und Wirken von Kaiserin Elisabeth. Ihre kleinen, feinen und höchst kundigen Ausstellungen stehen jedes Jahr unter einem Motto. „2024 feiern wir ein kleines Jubiläum, denn es findet die 25. Ausstellung statt. Sie wird ‚Ode an die Mode‘ lauten“, verrät Neumaier. Sie versuche, bei ihren Ausstellungen so weit wie möglich in die Tiefe zu gehen, und hat sich im Laufe ihres Lebens Respekt bei einigen bedeutenden Adelshäusern Europas verschafft. Das Wissen der Kastellanin ist wirklich frappierend, vor allem, weil sie es so unaufgeregt und beiläufig preisgibt.
Da das Schloss schlecht zu heizen ist, sind die Ausstellungsräume nur im Sommer geöffnet. Nach dem Rundgang durch die zwei Stockwerke mit Wechsel- und Dauerausstellung kann man im vornehm-feinen Sisi-Café oder dem gemütlich-rustikalen Herzog-Max-Stüberl Torten und Brotzeiten zu sich nehmen.
Bei schönem Wetter ist die Terrasse geöffnet. Unter roten Sonnenschirmen sitzend, kommt man aus dem Staunen über so viel Bilderbuchidyll gar nicht mehr heraus. Schloss Schönbrunn mit seiner lärmenden Geschäftigkeit und den unzähligen Touristen aus aller Herren Länder ist ganz weit weg, und man gibt sich dem trügerischen Gefühl hin, der jungen Sisi nah zu sein. Ja, so mitten in der Natur lässt es sich aushalten, in Bayern kann man glücklich sein.
BayErisch-Schwaben
Anreise
Mit dem Zug bis nach Augsburg oder Günzburg. Von dort aus weiter mit der Regionalbahn, dem (Ruf-)Bus oder einem Mietwagen, www.bahn.de.
Unterkunft
Das Domhotel in Augsburg befindet sich mitten in der Altstadt und ist ein idealer Ausgangspunkt für Ausflüge. DZ/F ab 125 Euro, www.domhotel-augsburg.de
Das neu erbaute Naturhotel Wittelsbach liegt unmittelbar am Wald und besticht durch seine ökologische Bauweise, die naturnah und chic ist. DZ/F ab 104 Euro, ww.naturhotel-wittelsbach.com
Essen und Trinken
Das Gasthaus Specht mitten in Aichach bietet sehr gute regionale Küche zu fairen Preisen, www.hotel-specht.de
Das Restaurant Perlach Acht in Augsburg serviert feine, moderne Küche mit saisonaler Ausrichtung, www.perlachacht.de
Aktivitäten
Vom 19. April bis zum 27. Oktober wird die Ausstellung „Kaiserin Elisabeth - Ode an die Mode“ im Sisi-Schloss in Unterwittelsbach gezeigt. An Wochenenden ist auch das Sisi-Café geöffnet, unter der Woche nur nach Voranmeldung im Rahmen
eines Ausstellungsbesuches, www.sisischloss.bayern
Das Schloss liegt an der Sisi-Straße, die quer durch Europa führt, www.sisi-strasse.info
Das Wittelsbacher Schloss in Friedberg zeigt neben der Schloss- und Stadtgeschichte auch die berühmten Friedberger Uhren sowie religiöse Kunst. Außerdem gibt es zahlreiche Mitmachstationen, www.museum-friedberg.de
Das Wittelsbacher Museum in Aichach gibt nicht nur spannende Einblicke in die Archäologie, sondern bietet auch ein buntes, originelles Kinderprogramm, www.stadtmuseum-aichach.de
Allgemeine Informationen
www.bayerisch-schwaben.de www.aichach.de www.augsburg.de www.wittelsbacherland.de APF
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/leben/machen_artikel,-machen-gluecklich-in-bayern-_arid,2186414.html