Kino

Viel Gesprächsstoff um Eröffnungsfilm der Festspiele in Cannes

Mit der Weltpremiere des außer Konkurrenz laufenden „Jeanne du Barry“ wurden die 76. Internationalen Filmfestspiele in Cannes eröffnet, Der Film von Maïwenn mit Johnny Depp in einer Hauptrolle sorgt für Diskussionen

Von 
Patrick Heidmann
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Jeanne du Barry (Maiwenn, r.) und La Borde (Benjamin Lavernhe) im Eröffnungsfilm des Festivals in Cannes. © Stephanie Branchu/Why Not Productions/Festival de Cannes/dpa

Cannes. Mit der Weltpremiere des außer Konkurrenz laufenden „Jeanne du Barry“ wurden am Dienstagabend die 76. Internationalen Filmfestspiele in Cannes eröffnet, und gemessen daran, dass es sich dabei um einen eigentlich recht klassischen Kostümfilm handelt, sorgte diese Filmwahl zum Auftakt für ungewöhnlich viel Gesprächsstoff. Was in diesem Fall ganz klar mit einkalkuliert worden sein dürfte.

So gut es dem Festival, das in der Vergangenheit selten besonders darum bemüht schien, weibliche Filmemacherinnen zu fördern, sicherlich zu Gesicht steht, dass nun mit der Französin Maïwenn eine Frau für den Eröffnungsfilm verantwortlich zeichnet, so sehr stießen sich einige schon im Vorfeld an ihrem neuen Werk. Die männliche Hauptrolle spielt nämlich Johnny Depp, der zwar im vergangenen Jahr in den USA von einem Gericht freigesprochen wurde, was die Vorwürfe häuslicher Gewalt seitens seiner Ex-Ehefrau anging. Sein Ruf ist mindestens in Hollywood allerdings trotzdem derart angeschlagen, dass die Rollen für ihn dort zuletzt eher nicht auf der Straße lagen.

Mit Kontroversen und Skandalen kennt sich allerdings auch Maïwenn aus. Auf ihren früheren Ehemann Luc Besson, der zuletzt mehrfach der Vergewaltigung und sexueller Gewalt bezichtigt wurde, lässt sie bis heute nichts kommen. Darüber hinaus wurde sie selbst erst vor einigen Wochen von einem Journalisten angezeigt, den sie in einem Restaurant tätlich angegangen und bespuckt haben soll. Dass obendrein die ehemalige Schauspielerin Adele Haenel vergangene Woche in einem offenen Brief der französischen Filmbranche und auch dem Festival vorwarf, Missbrauch und Sexismus zu decken, befeuerte die Aufregung zum Start des sonst vor allem um Glamour bemühten Events zusätzlich. Und sorgte dafür, dass der künstlerische Leiter Thierry Frémaux sich am Montag bei einer Pressekonferenz zu der Aussage genötigt sah, Cannes sei kein Festival der Vergewaltiger.

Rein aus filmischer Sicht entpuppte sich „Jeanne du Barry“ dann als nicht annähernd so spektakulär. Maïwenn, deren Regiearbeiten „Poliezei“ und „Mein ein, mein alles“ in der Vergangenheit in Cannes mit Preisen bedacht wurde und die hier nun selbst die Titelrolle spielt, widmet sich jener Lieblings-Mätresse von Ludwig XV., der sich auch schon Ernst Lubitsch, Cole Porter und japanische Mangas angenommen haben. Bei ihr ist Jeanne eine unangepasste, selbstbewusste und kluge Frau, die gegen die starren Regeln bei Hofe rebelliert und ihrer Zeit weit voraus ist, aber am Ende trotz der aufrichtigen Liebe zwischen ihr und dem König (Depp in seiner ersten französischsprachigen Rolle) nicht gegen die Mühlen der Monarchie bestehen kann. Anders als die Protagonistin kommt das visuell prächtig umgesetzte Historiendrama dann aber doch eher konventionell und auch ein bisschen flach daher.

Als stimmungsdämpfendes Omen für die kommenden elf Tage muss man diesen Festivalstart dennoch nicht deuten. Neben einer ganzen Reihe alter (männlicher) Hasen wie Ken Loach, Wim Wenders, Nanni Moretti oder Hirokazu Koreeda, die seit Jahren in schöner Regelmäßigkeit im Wettbewerb vertreten sind, konkurrieren dieses Mal auch sieben Regisseurinnen um die Goldene Palme. So viele wie nie – und Anlass zur Hoffnung, dass an der Croisette in den kommenden Tagen mehr von aufregenden Filmen als von Skandalen die Rede sein wird.

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