Seit die Karriere von US-Popsängerin Alecia Moore alias Pink um die Jahrtausendwende abhob, war schnell klar: Diese junge Frau sucht gezielt nach Songs, die für sie wie Selbstanalyse und -therapie wirken. Das Schöne dabei: Selbst Hit-Singles wie „You Make Me Sick“ (2000), „Don’t Let Me Get Me“ (2001) oder „Just Like A Pill“ (2002) machten klar, was heute selbstverständlich ist und permanent besungen und besprochen wird: Es ist normal, sich nicht normal zu fühlen - und völlig okay. Auf ihrem neunten Album „Trustfall“ setzt die 43-Jährige ihr Psychologie-Selbststudium so intensiv fort wie lange nicht.
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Das ist inhaltlich interessanter als die sehr heterogene Musik, die sich kaum zu einem Album zusammenfügen will. Dafür passen die 13 Nummern prima ins Streaming-Zeitalter, denn daraus kann sich jede oder jeder eine Playlist herauspicken, die passt - von treibendendem Bubblegum-Pop („Hate Me“) bis zur starken, hochdramatischen Pianoballade „Our Song“ und dem Americana-Gesangsgipfeltreffen „Just Say I’m Sorry“ mit Country-Superstar Chris Stapleton als Duettpartner zum Schluss.
Jederzeit Taschentuchalarm
Den Anfang macht die jüngste Single „When I Get There“, bei der Pink ihr größtes Talent ausspielt: Sie kann nun mal so emotional singen, dass sie jederzeit Taschentuchalarm auslösen kann. Dabei habe die Nummer sie regelrecht erstarren lassen, als sie ihr das erste Mal vorgespielt wurde, wie sie in einem Interview erzählt. Denn diese half ihr, endlich die Trauer um ihren 2021 nach achtjährigem Kampf gegen Krebs verstorbenen Vater aufzuarbeiten. Wer sich den Text genau anhört, spürt schnell, wie gut ihr das gelungen ist.
Auch die Nummer zwei hat viel mit Psychologie zu tun: Das im Titelsong „Trustfall“ Beschriebene kennen viele aus Teambuilding-Maßnahmen oder der Sporttherapie: Man lässt sich mit geschlossenen Augen rückwärts fallen und hofft, dass die Gruppe einen auffängt. Kann oder mag nicht jeder. Pink macht es ihren Fans leicht, sich ihr anzuvertrauen, denn sie zeigt sich in ihrer Botschaft zum Album nach zwei Jahren Pandemie, einem Jahr Krieg und dem alltäglichen Wahnsinn wieder mal voll auf Augenhöhe: „Trustfall“ ist das, was wir jeden Tag tun, wenn wir aufstehen.
„Wer soll uns auffangen? Oder erwischen wir uns selbst? Worauf fallen wir herein? Was lohnt sich?“, fragt sie. Und liefert als Antwort für sich selbst ein Dankeschön an ihre Fans: „Sie alle haben es wert gemacht, und Sie haben mich immer und immer wieder aufgefangen und sind mit mir gesprungen.“ So stark wie die Botschaft ist der Song leider nicht: Die ballernden Beats machen zwar irgendwie Laune, aber sie sind zu unterkomplex, um auf Dauer zu fesseln - live wird die Nummer, richtig inszeniert, allerdings großartig funktionieren. Der Spagat zwischen den ersten beiden Songs zieht sich durchs ganze Album - und teilweise durch einzelne Songs wie „Long Way To Go“ mit den Lumineers: Das kann intensiv berühren oder ganz platt befremden. Ersteres überwiegt aber.
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