Mannheim. Mittagszeit. Bei Nina Ickler gibt es heute Reispudding mit Proteinpulver, Beeren und Nussmus. Die Kinderkrankenpflegerin hat frei und kommt gerade aus dem Fitnessstudio. Krafttraining ist seit etwa zwei Jahren ihre Leidenschaft. Drei- bis viermal pro Woche geht es in den Freihantelbereich. „Endlich habe ich den Sport gefunden, der mir wirklich Spaß macht“, sagt die 39-Jährige. „Für mich der perfekte Ausgleich.“
Gerade zum Start war das Frustpotenzial aber oft hoch. Teils konnte sie sich kaum motivieren, machte sich deshalb Vorwürfe, teils kam sie nicht an die Wiederholungen der Vortage heran. Ihr Fitnesstracker machte die Einbrüche deutlich.
„Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich zu unterschiedlichen Zeiten im Zyklus unterschiedliche Leistungen erbringen kann“, erzählt Ickler. Sie machte sich schlau, stellte ihren Trainingsplan komplett um und achtete zudem auf ausreichend Fett, aber auch Kohlenhydrate und Eiweiß in der Ernährung, um keine Mangelversorgung zu riskieren. Denn diese kann Zyklusprobleme begünstigen - sogar zum Ausbleiben der Periode führen.
Zyklusbasiertes Training: Symptome beeinflussen Leistung
Frauen sollten wissen, in welcher Zyklusphase sie sich befinden. Wie wichtig es insbesondere für sie ist, Sport und Ernährung auf den eigenen Zyklus abzustimmen, dazu wird nun zunehmend geforscht. Sportwissenschaftlerin Kirsten Legerlotz von der Berliner Humboldt-Universität beobachtet eine Bewegung von unten. Athletinnen seien nicht mehr bereit, darüber zu schweigen, und fordern Lösungen. Doch auch wenn das Thema immer mehr Aufmerksamkeit erfährt, wissen viele Frauen gar nicht, welche Vorteile es auch im Freizeitsport bringen kann, sich mit dem eigenen Zyklus auseinanderzusetzen.
Manchmal habe ich dann das Gefühl, dass ich in irgendeinen Zaubertrank gefallen bin.
Grundsätzlich lässt sich der weibliche Menstruationszyklus in zwei, drei oder sechs Phasen einteilen. „Da gibt es unterschiedliche Methoden“, erklärt Legerlotz. Der Zyklus beginnt immer mit dem ersten Tag der Regelblutung. „Die Phase der Menstruation sollte zwischen fünf und sieben Tagen lang sein“, so die Expertin, „und ist meist mit Unterleibsschmerzen verbunden.“
PMS und Sport während der Periode: In dieser Zeit weniger trainieren
Bis zum Eisprung spreche man von der Follikel-Phase. Danach folge die Lutealphase, die in eine frühe und späte Phase unterteilt werden kann. „Kurz vor Einsetzen der nächsten Regelblutung treten dann häufig Symptome des prämenstruellen Syndroms auf - etwa Unwohlsein, Kopf- oder Rückenschmerzen, Migräne, Flüssigkeitseinlagerung, Brustspannen.“
All diese Beschwerden können die sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. „Das sollten Frauen auf dem Schirm haben und in dieser Zeit weniger intensiv trainieren, auch mal eine Pause einlegen“, sagt Legerlotz.
Regeneration im Training nach Zyklus planen
Ickler bestätigt: „Ab dem Zeitpunkt kurz vor meiner Periode bin ich schlapper und insbesondere nach dem Training deutlich erschöpfter.“ Gerade seit sie Kinder habe und nicht mehr hormonell verhüte, merke sie das sehr deutlich. Ickler plant für die Regeneration in dieser Phase daher bewusst mehr Zeit ein. So verhindert sie, frustriert aufzugeben oder sich selbst zu viel Druck zu machen - etwas, das sie schön häufiger bei anderen Frauen beobachtet hat.
Um den Eisprung haben Frauen oft mehr Kraft. Geht es um die Wahl der Sportart mit Blick auf den Zyklus, bestätigt auch Legerlotz, dass die Kraftanpassung vom Hormonhaushalt im Körper abhängig und in der Follikel- und Ovulationsphase am besten ist. „Grundsätzlich kann man aber in allen Phasen alles machen.“ Den Kraftanstieg um den Eisprung herum spürt jedoch auch Ickler: „Manchmal habe ich dann das Gefühl, dass ich in irgendeinen Zaubertrank gefallen bin.“
Doch dieser Zeitraum hat auch seine Tücken. Denn hier scheint die Verletzungsanfälligkeit am höchsten zu sein. „Meta-Analysen zeigen, dass Kreuzbandrisse insbesondere in der ersten Zyklushälfte und um die Ovulation herum gehäuft auftreten“, sagt Legerlotz.
Zyklusbasiertes Training: Zeit vor dem Eisprung nutzen
Warum das so ist, weiß man noch nicht gesichert. Zum einen könnte es mit dem erhöhten Östrogen- und niedrigen Progesteronspiegel zusammenhängen, wodurch Gewebe und Bänder weicher und somit anfälliger werden könnten. Zum anderen könnte aber auch die erhöhte Risikobereitschaft in der Zeit vor dem Eisprung der Grund sein. „Es ist plausibel, dass sich Frauen dann eher in Situationen begeben, in denen sie leichter stürzen oder sich überschätzen“, erklärt die Forscherin.
Gleichzeitig seien Frauen in dieser Zeit aber auch motivierter, betont Legerlotz. Genau das macht sich auch Ickler zunutze. Dann trainiert sie besonders hart und mit mehr Gewicht. „Ich nutze den Antrieb und das Potenzial“, so die 39-Jährige. Diese Zeit sei auch ideal, um Neues zu lernen, ergänzt Sportwissenschaftlerin Legerlotz.
„In der Phase vor meiner Periode sage ich mir ganz bewusst: Okay, du schaltest jetzt wieder einen Gang zurück“, so Ickler. Ihr Training fühle sich dadurch deutlich harmonischer, effizienter und durchhaltbarer an - körperlich wie psychisch. Die Sportwissenschaftlerin bestätigt sie: „Abgesehen von einem etwas erhöhten Dokumentationsaufwand hat ein zyklusorientiertes Training keine Nachteile“, so Legerlotz.
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