Schloss Karlsberg - das versunkene Versailles

Schloss Karlsberg, der westlichste Prunkbau der Wittelsbacher, ist die Wiege der Münchner Monarchie, ein echtes Märchenschloss, das zudem in sehr enger Verbindung zu Mannheim und der Region Rhein-Neckar steht

Von 
Manfred Loimeier
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Was vom Schlosskomplex geblieben ist: der Karlsberger Hof, das Baumagazin an der früheren Auffahrt zum Schloss dahinter. Heute befindet sich das Gebäude im Besitz der Karlsberg-Brauerei. © Manfred Loimeier

Für Märchenschlösser sind die Wittelsbacher weltweit bekannt. Bilder von Neuschwanstein, Herrenchiemsee, Linderhof sind sofort gegenwärtig. Doch darüber hinaus gibt es noch ein richtiges Märchenschloss der Wittelsbacher, eines, das nur noch in der Fantasie existiert, inspiriert von Zeichnungen, Entwürfen, Simulationen und Animationen. Und es rührt an eine Vergangenheit des bayerischen Königshauses, die kaum bewusst und schon gar nicht groß herausgestellt ist. Die Wurzeln der ruhmreichen Linie der Münchner Monarchie liegen nämlich – nein, nicht in Mannheim bei Carl Theodor – im Saarland, in Karlsberg nahe Homburg.

Dort residierte vormals der Wittelsbacher-Zweig von Pfalz-Zweibrücken – auf den Carl Theodor übrigens verächtlich herabblickte –, und Herzog Karl August II. von Pfalz-Zweibrücken war als designierter Erbe der zwei Kurfürstentümer Bayern und Kurpfalz zum einen begütert und kreditwürdig und zum anderen ambitioniert. Daher ließ er von 1777 bis 1788 einen gigantischen Schlosskomplex errichten, der sogar Versailles in den Schatten stellen sollte. Auf jeden Fall bot die Schlossanlage allerlei Spektakuläres wie Wasserspiele, einen Zoo mit sonst in Europa kaum zu sehenden Tieren, Ruinenanlagen, einer überwältigenden Gemäldesammlung, einer reichhaltigen Bibliothek und einem zirka zwei Kilometer langen Schlossbauwerk.

Von rechts kam einst ein Wasserfall, der dann drei nacheinander gelegene Weiher speiste und zuletzt eine kleine Grotte umschloss. © Manfred Loimeier

Vollständige Zerstörung des Schlosses

1793 allerdings zerstörten französische Truppen das Schloss, von dem außer einem kurzen, niedrigen Mauerstück, dem Zeughaus und dem ab 1788 angelegten weitläufigen Lustgarten des Schlosses nichts übrigblieb. Und auch im Schlossgarten Karlsberg, der Karlslust, ist viel Vorstellungskraft nötig, um imaginieren zu können, was einstmals für Abwechslung und Staunen sorgte: eine Eremitage; eine Reihe an Weihern, die von einer Wasserkaskade gespeist wurden und in den Karlsberg-Weiher mit einer kleinen Grotte münden; eine heute Bärenzwinger genannte kreisförmige Anlage, eine Menagerie, in der seinerzeit fremdartige Raubtiere untergebracht waren – ein einzigartiges Baudenkmal dieser Art in Deutschland; mehrere im Waldgelände versteckte Volièren mit Vögeln, wie es sie selbst in Versailles nicht gab; seltene und exotische Pflanzen wie Herzogkastanien oder Tulpenbäume.

Es gehört schon Vorstellungskraft dazu: der Sockel der ehemaligen Eremitage. © Manfred Loimeier

Bestände in Bamberg und vor allem in München

Dass das Interieur aus dem Schloss Karlsberg noch erhalten ist, ist dem Maler und Bauleiter Johann Christian von Mannlich zu verdanken. So, wie Herzog Karl August II. die Flucht vor den Franzosen gelang, so gelang es Mannlich weitgehend, Gemälde, Möbel und Bücher zu retten und zunächst in Mannheim, dann in weiteren Besitztümern der Wittelsbacher unterzubringen.

Die Bücher bilden heute den Kern der Bibliothek in der Neuen Residenz Bamberg, Möbel finden sich im Münchner Schloss Nymphenburg, und da Mannlich später „pfalz-bayerischer Zentralgaleriedirektor“ in München wurde, ist die Galerie aus rund 2000 Bildern, die Mannlich in Karlsberg im Auftrag von Karl August II. zusammengetragen hatte, heute in der Alten Pinakothek München zu finden. Gemälde von Claude Lorrain sind darunter, von Rembrandt van Rijn, von François Boucher. Dessen berühmtes Werk „Ruhendes Mädchen“ geht möglicherweise auf Mannlich selbst zurück, der an der Kunstakademie in Mannheim sowie in Bouchers Werkstatt in Paris Malerei studierte – aber das ist eine andere illustre Geschichte.

Heißt Bärenzwinger und war mal eine Art Zoo, der gerade rekonstruiert wird. © Manfred Loimeier

Immer wieder Mannheim – als Wohn wie als Geburtsort

Karl August II. übrigens floh seinerzeit nach Mannheim und lebte dort – so auch im Rohrbacher Schlösschen bei Heidelberg – in einem eigenen Palais in L 2, 9, dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Palais Castell, und wartete auf das Erbe seines Onkels Carl Theodor. Schon bald allerdings, 1795, starb Karl August II. selber, so dass sein jüngerer, in Mannheim geborener Bruder Max Joseph erst Kurfürst und dann als Max I. Joseph König von Bayern wurde. Weshalb die Wurzeln der Münchner Monarchie eben im Saarland liegen.

Dort beschäftigt das sogenannte versunkene Schloss Archivare und Museumsdirektoren. Es war die Kunsthistorikerin Jutta Schwan, die mit einer opulenten, 747-seitigen Dissertationsschrift anhand von Handwerkerrechnungen und Bauplänen 2009 rekonstruierte, wann wo was errichtet, wie ausgestattet und wofür und womit genutzt wurde. Gefunden hat Schwan diese Dokumente im Landesarchiv Speyer, noch so ein Bezug zur Region.

Reichtum an mehr oder weniger wahren Geschichten

Selbstverständlich verleiten die wenigen realen Restbestände um das Schloss Karlsberg zu Vermutungen und Spekulationen. Bezeugt ist hingegen ein Drama, das sich während der Hochzeitsfeierlichkeiten von Max Joseph, dem jüngeren Bruder von Karl August II. ereignete.

Tipps und zusätzliche Informationsquellen

  • Besichtigung: Die angenehmste Weise, das Gartenreich Karlslust zu erkunden, ist ein Rundgang am allerbesten mit der Kunsthistorikerin Jutta Schwan persönlich.
  • Anmeldung zu Führungen sind möglich beim Kulturmanagement des Saarpfalz-Kreises, Tel.: 068 41 - 104 81 53, www.saarpfalz-kreis.de.
  • TV-Sendung zu diesem Thema und zur Methodik der Rekonstruktion ist die „Digitale Rekonstruktion: So hat das zerstörte Schloss Karlsberg einmal ausgesehen“ - hier klicken 

  • Zudem die Reportage des Saarländischen Rundfunks „Schloss Karlsberg – Das versunkene Versailles des Südwestens“, immerhin bis August 2026 abrufbar auf der ARD-Mediathek

  • Sodann der Hörfunkbeitrag über den Landschaftspark - hier klicken

  • Was die Legende um das Gemälde von François Boucher und das Modell Helene Morphi sowie männliche Lüsternheit angeht, ist aufschlussreich - hier klicken (PDF)

  • Das wissenschaftliche Grundlagen- und StandardwerkJutta Schwan, „Studien zur Baugeschichte von Schloss Carlsberg. Bericht den dermaligen Zustand des sämtlichen Carlsberger Bauwesens betreffend“. Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Neustadt an der Weinstraße, 2010, 747 Seiten

  • Webseite der Stiftung Karlsberger Hof

     

Karl August II. legte nämlich großen Wert darauf, dass niemand seine Gartenlandschaft betrat. Niemand, selbst Mannlich nicht, durfte ohne Einladung des Herzogs die umzäunten Gärten betreten. Im September 1785 wollte Karl August II. aber zweierlei erreichen: eine fantastische Hochzeitsfeier für seinen Bruder Max Joseph und eine Zurschaustellung seines Reichtums, seiner Weltläufigkeit und seiner Macht. Er beauftragte ein großes Feuerwerk und erlaubte der Bevölkerung erstmals den Zutritt zu seinem Park.

Allerdings machten den Feuerwerkern das Wetter und die schlechte Lagerung des Pulvers zu schaffen, so dass es zu einer furchtbaren Katastrophe kam: das Feuerwerk explodierte, ein Dutzend Menschen starben. Auch diese Geschichte ist weitgehend in Vergessenheit geraten und kündet doch von Machtbesessenheit, Prunk und Imponiergehabe, von Reichtum und Verschwendung. Und je mehr die Historiker in Homburg über Schloss Karlsberg in Erfahrung bringen, desto mehr Geschichten gibt es wohl zu erzählen – die zunehmend auf wahren Begebenheiten beruhen.

Redaktion Geschäftsführender Redakteur und Mitglied der Chefredaktion

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